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Mammutprojekt. Die Kosten steigen, die Anlagen auch. Dieser Tage fuhr Siemens das längste Wind-Rotorblatt der Welt durch Dänemark zu einem Kunden.

© Siemens AG

Energiewende: Verfahrene Situation

Einer Studie zufolge sind weniger Deutsche bereit, die Erneuerbaren zu fördern. Erste Firmen reichen sogar Klage gegen die EEG-Umlage ein.

Berlin - Der Unternehmer Bernd Drechsel ist ein Freund der erneuerbaren Energien und des Energiesparens, sagt er. Und der Gerechtigkeit. Daher – oder trotzdem – ist er nicht mehr bereit, für den Ausbau der Erneuerbaren über seine Stromrechnung zu zahlen. Jetzt hat er Klage eingereicht. Was paradox klingen mag, erklärt er damit, dass das derzeitige System nicht nur seine wirtschaftliche Existenz bedroht.

Seine Firma, die Textilveredlung Drechsel GmbH, ist Dienstleister für die Bekleidungsindustrie. Das oberfränkische Familienunternehmen mit 140 Mitarbeitern wäscht, färbt und imprägniert täglich zehn bis zwölf Tonnen Stoffe. „Unser Geschäft ist umweltintensiv, kapitalintensiv, personalintensiv und vor allem energieintensiv“, erklärt Drechsel. Die Kosten für Gas und Strom seien besonders große Posten.

Rund zwölf Millionen Euro setzt sein Unternehmen jährlich um, unterm Strich blieben davon rund 150 000 Euro Gewinn (2009). Drechsel hat seine Stromrechnung studiert und festgestellt, dass er in diesem Jahr 121 000 Euro für die Erneuerbare-Energien-Umlage (EEG- Umlage) zahlen dürfte. Von dem Geld werden Erzeuger von Strom aus Wind, Sonne oder Biomasse zu fixen Sätzen für ihren Strom bezahlt. Im Jahre 2003 lag diese Umlage, die alle normalen Stromkunden zahlen, noch bei 0,4 Cent je Kilowattstunde. In diesem Jahr sind es knapp 3,6 Cent. „Wenn die Umlage im kommenden Jahr auf 4,7 Cent steigt, wie manche erwarten, dann ist unser Gewinn aufgefressen“ sagt Drechsel. Also schloss er sich mit einer handvoll Unternehmern zusammen, um etwas zu tun.

Zunächst vereinbarten sie, ihren Stromversorgern die EEG-Umlage ganz zu verweigern. Das gab viel Ärger. Seither zahlen sie nur unter Vorbehalt und reichten Klagen ein, gestützt auf ein Rechtsgutachten der Universität Regensburg. Drechsel klagte vor vier Wochen am Sitz seines Versorgers in Bochum gegen das Einziehen der Umlage. „Notfalls gehen wir damit durch alle Instanzen. Die Umlage muss weg“, sagt er.

Drechsel und die Mittelständler aus der Textilbranche hoffen natürlich, dass andere Unternehmer sich ihrem Aufstand anschließen. Der ostdeutsche Grundversorger Vattenfall bestätigte dem Tagesspiegel am Freitag sogar, dass es „vereinzelt“ Unternehmen gebe, die die Zahlung der Umlage verweigern oder nur unter Vorbehalt zahlen.

Den Trend bestätigt eine ebenfalls am Freitag vorgestellte Studie des Meinungsforschungsunternehmens GfK. Sie ergab, dass die Begeisterung der Deutschen für die Energiewende spürbar abgekühlt ist. Waren nach der Reaktorkatastrophe von Fukushima im März 2011 noch 60 Prozent der Deutschen für den Ausbau der erneuerbaren Energien – auch wenn dadurch die eigenen Energiekosten steigen –, sank dieser Wert nun auf unter 50 Prozent. Unter Rentnern mit geringem Einkommen liegt er bereits unter 40 Prozent, eine Mehrheit der Jugendlichen und Studenten (63 Prozent) ist indes noch bereit, für die Wende zu zahlen, teilte die GfK mit. Auch die Bereitschaft Strommasten oder Windräder vor der Haustür zu akzeptieren sank, hieß es weiter.

Die direkten Kosten aber dürften der Akzeptanz für die Energiewende am meisten schaden, glaubt man in der Bundesregierung. So fiel die allgemeine Teuerungsrate im Juli auf moderate 1,7 Prozent, wie es im gestern veröffentlichten Konjunkturmonatsbericht des Wirtschaftsministeriums heißt. „Gerade vor diesem Hintergrund ist bei der Energiewende darauf zu achten, dass der erstarkte private Konsum nicht durch steigende Strompreise abgewürgt wird“. Hauptkostentreiber bei den Strompreisen seien derzeit die Milliardensubventionen für die Förderung der erneuerbarenEnergien. Eine sinkende Stromsteuer oder der halbe Mehrwertsteuersatz aufStrom – wie derzeit gefordert – würden deshalb das eigentliche Problem nicht lösen, heißt es im Hause Philipp Röslers (FDP). Man müsse das System effizienter machen und „grundlegend überarbeiten, hin zu mehr Marktwirtschaft und Wettbewerb“.

Unternehmer Drechsel hat selbst eine große Solaranlage auf dem Fabrikdach und ist für mehr Erneuerbare. Die aber müssten über den allgemeinen Bundeshaushalt, also über Steuern, finanziert werden – von allen, fordert er. Sein Betrieb habe es in den vergangenen Jahren geschafft, mit vielen Maßnahmen, die Energiekosten um 100 000 Euro zu senken. Nun verbrauche er zu wenig, um von der EEG-Umlage befreit zu werden. „Das ist doch absurd“, sagt er.

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