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Stark gefragt: Der griechische Regierungschef Antonis Samaras.

© Reuters

Entscheidung über Hilfszahlung: Die Griechen müssen noch warten

Die Entscheidung zur Auszahlung der nächsten Tranche aus dem zweiten Hilfspaket an Griechenland wird vertagt. Aber es gibt Fortschritte, heißt es aus dem Umfeld der Troika.

Die Ungewissheit über die Zukunft Griechenlands im Euro-Raum hält an: Entgegen der ursprünglichen Planungen, wonach eine Entscheidung über die Auszahlung der ersten Milliarden aus dem zweiten Hilfspaket beim EU-Finanzministertreffen Mitte September auf Zypern hätte fallen sollen, wird sie nun auch bei der am Montag beginnenden Sitzung in Luxemburg noch nicht getroffen, wie mehrere EU-Diplomaten übereinstimmend berichten.

Damit dürfte auch der bereits revidierte Zeitplan von Euro-Gruppenchef Jean-Claude Juncker nicht mehr zu halten sein, der vor drei Wochen gesagt hatte, er strebe eine Entscheidung „in der zweiten Oktoberhälfte“ an. Dies war als Hinweis darauf verstanden worden, dass die Staats- und Regierungschefs beim EU-Gipfel am 18. und 19. dieses Monats in Brüssel die entscheidenden Fragen klären würden. Am Freitag aber sagte ein hochrangiger EU-Diplomat dieser Zeitung: „Griechenland ist beim Gipfel überhaupt kein Thema.“

Vielmehr ist der Bericht der Experten- Troika von EU-Kommission, Europäischer Zentralbank und Internationalem Währungsfonds, auf dessen Grundlage die Politik zu einem Urteil kommen will, nun selbst erst „für Mitte bis Ende Oktober in Aussicht gestellt“, wie der Vertreter eines Euro-Landes weiter sagte. Anschließend müsse in den Hauptstädten sowie auf europäischer Minister-Ebene beraten werden: „Das dauert natürlich einen Moment.“ Somit kann nicht einmal als sicher gelten, dass beim nächsten fixen Treffen der Euro-Gruppe am 12. November entschieden wird.

Über das Ausmaß des griechischen Haushaltslochs existieren entsprechend auch keine gesicherten Informationen. „Jedes Kind in Athen weiß, dass die Zahlen katastrophal sind. Der einzige Grund für die Verzögerung ist, dass man noch nicht weiß, wie man erklären soll, dass die Rettungspolitik gescheitert ist“, kritisiert Lüder Gerken, Chef des ordoliberalen Freiburger Centrums für Europäische Politik, angesichts der weiter einbrechenden Wirtschaftsleistung, die laut griechischem Statistikamt 2011 mit 7,1 Prozent noch stärker schrumpfte als gedacht. „Es nährt zudem den Verdacht“, meint Gerken, „dass der Bericht schöngeschrieben werden soll.“ Aus dem Umfeld der Troika hieß es gegenüber dieser Zeitung dagegen: „Natürlich ist die Lage schwierig, aber wir machen gute Fortschritte.“ Am Wochenende wurde in Athen über Privatisierungen, Ausgabenkontrolle, die Steuerverwaltung sowie über den Etat 2013 verhandelt, der bis Sonntagabend unter Dach und Fach sein soll.

Nach Angaben von Premier Antonis Samaras hat Griechenland noch Geld „bis Ende November. Dann ist die Kasse leer“, wie er dem „Handelsblatt“ sagte. Die bisherige Verzögerung finanziert Athen mit besonders kurz laufenden Schuldanleihen, sogenannten T-Bills, die das Land zu vertretbaren Konditionen bekommt, die aber keine dauerhafte Lösung darstellen.

Dass am Ende die dringend benötigte Tranche über 31,5 Milliarden Euro nicht überwiesen wird, scheint derweil immer unwahrscheinlicher. Mehrere EU-Diplomaten berichteten übereinstimmend, dass es nicht darum gehe, Athen wegen nicht eingehaltener Spar- und Reformversprechen in die Staatspleite und damit aus dem Euro-Raum zu entlassen, sondern das Haushaltsloch zu stopfen. In Kreisen der Troika wird es auf etwas weniger als 20 Milliarden Euro taxiert, was den Fehlbetrag in Höhe von 11,5 Milliarden Euro beinhaltet, der bereits bei Abschluss des zweiten Griechenland-Pakets im Frühjahr noch zu erbringen war. 30 Milliarden Euro würde es demnach kosten, Athen die erbetenen zwei Jahre Verlängerung bei der Haushaltskonsolidierung zu gewähren, damit der Sparkurs die Wirtschaft nicht vollends abwürgt. In den aktuellen Verhandlungen mit der Troika geht es nach Angaben eines hochrangigen EU-Diplomaten deshalb bereits darum, „wo Griechenland mehr Zeit braucht und wie diese eingeräumt werden kann“.

In der Diskussion sind dabei mehrere Möglichkeiten, die von einer weiteren Aufstockung des Hilfspakets über einen öffentlichen Schuldenschnitt oder die Ausgabe kurzfristiger Euro-Anleihen für Griechenland bis hin zu einer Verschiebung des Zieldatums reichen, bis zu dem die Schuldenlast wieder die als tragbar erachteten 120 Prozent der Wirtschaftsleistung erreichen soll. Bisher ist das Zieldatum dafür 2020.

Die Maßnahmen kosten die europäischen Partner Griechenlands jedoch zusätzliches Geld – in Deutschland müsste der Bundestag darüber abstimmen. Dies ist nach Angaben eines Brüsseler Diplomaten aus einem kleinen EU-Staat auch ein Grund für die Verzögerungen. „Die Bundesregierung strebt eine Paketlösung an – statt wegen Griechenland, Spanien und Zypern alle zwei Monate ins Parlament zu gehen, geht man nur einmal.“

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