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Wirtschaft: Eon-Ruhrgas: Die Bevollmächtigten haben das Wort

Zweite Anhörung zur umstrittenen Fusion im Wirtschaftsministerium: Reine „Farce“ oder völlig offen?

Alfred Tacke kam ins Schwitzen. Nicht, weil die Temperaturen im Hörsaal seines Berliner Amtssitzes auf sommerliche Spitzenwerte kletterten. Nein, die ihm gegenüber sitzenden Damen und Herren in dunklem Tuch ließen keine Zweifel daran, dass sie die Tagesordnung des Staatssekretärs sprengen wollten. Zum Auftakt der zweiten Anhörung im Fusionsfall Eon-Ruhrgas legten sie Befangenheitsanträge auf den Tisch – gleich vier Mal. Alfred Tacke, da sind sich die Juristen und Spezialisten einig, darf gar nicht entscheiden. Denn erstens ist Minister Werner Müller sein weisungsbefugter Vorgesetzter – und der sollte ja schon wegen möglicher Befangenheit nicht mitreden dürfen. Und zweitens sitzt Tacke im Aufsichtsrat der Deutschen Bahn, die gerade dem Energiekonzern Eon seine Logistiktochter Stinnes für viele Milliarden Euro abgekauft hat. Interessenkonflikte wohin man sieht, meinen die Justiziare. Kein Problem, meint das Ministerium selbst und wies nach halbstündiger Prüfung die Anträge zurück. Tacke konnte endlich zum Thema übergehen.

Die Bevollmächtigten der Fusionskritiker hatten sich inzwischen ihrer Jacketts entledigt, dafür ihre dicken Argumentationspapiere ausgebreitet. Das Verfahren hat beeindruckende Dimensionen angenommen: 21 Aktenordner mit 9000 Seiten dokumentieren bisher die Ministererlaubnis. Jetzt werden wohl noch ein paar Ordner dazukommen. 44 Verfahrensbeteiligte mit ihren Anwälten und Beratern wollen mitreden, Einsicht in den Papierberg nehmen. Der Grund ihres Termins in Berlin schien zuweilen aus dem Blick zu geraten. Noch immer geht es um die Frage, ob der Düsseldorfer Energiekonzern Eon den größten deutschen Erdgasimporteur Ruhrgas übernehmen darf. Kartellamt, Monopolkommission und Konkurrenten sehen das Ende des Wettbewerbs auf dem Gasmarkt. Eon und Ruhrgas selbst argumentieren, dass nur so die Versorgungssicherheit für Deutschland gewährleistet werden könne. Diesem Gemeinwohlargument schloss sich das Wirtschaftsministerium bei seiner Erlaubnis an. Kritiker fanden, dass die erneute Anhörung zur Heilung von Verfahrensfehlern deshalb eine „Farce“ sei. Staatssekretär Tacke stellte jedoch klar: Am Ende dieser zweiten Anhörung könne sogar eine Aufhebung der Ministererlaubnis stehen. Die 95 Seiten umfassende Entscheidung vom 5. Juli, so bot er an, sollte nur als „Entwurf einer Entscheidung“ betrachtet werden.

Eon-Chef Ulrich Hartmann griff das Angebot erfreut auf. Die Fusionsauflagen des Ministeriums mögen doch auf die Trennung von der ostdeutschen VNG begrenzt werden, bat er Staatssekretär Tacke um Berücksichtigung der neuesten Entwicklungen auf dem deutschen Gasmarkt. Das löste Heiterkeit unter den sonst so ernst dreinblicken Juristen aus. Denn der Tenor der Vorträge war genau anders herum – erwartungsgemäß.

Gerhard Goll etwa, Vorstandschef der südwestdeutschen EnBW, hatte einen Tipp für den Staatssekretär: Warum, so Goll, „muss zwingend die Ruhrgas für die Versorgungssicherheit in Deutschland sorgen?“ Wie Goll diese Frage selbst beantwortete, liegt auf der Hand. Mit einem zentralen Thema der Eon-Kritiker wollte sich der Energiemanager aber partout nicht beschäftigen: War es eine Ministererlaubnis, eine „Minister“-Erlaubnis oder gar nur eine Staatssekretär-Erlaubnis. Solche Spitzfindigkeiten überlässt er lieber den Juristen. Dieter Fockenbrock

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