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Für gleichen Lohn. Noch verdienen Managerinnen mit Hochschulabschluss 22 Prozent weniger als ihre männlichen Kollegen. Die Initiative Equal Pay Day will das endlich ändern. Foto: Reuters

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Equal Pay: Schluss mit dem Taschengeld

Der Protest weiblicher Führungskräfte gegen ungleiche Bezahlung wächst. Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen will keine gesetzlichen Sanktionen, fordert aber den offenen Gehaltsvergleich.

Die rote Tasche ist ihr Symbol: Berufstätige Frauen, die nicht länger akzeptieren wollen, dass sie bei gleicher Qualifikation und Position weniger verdienen als ihre männlichen Kollegen, sind Ende März anlässlich des „Equal Pay Day“ bundesweit auf die Straße gegangen.

Das Thema ist ein Dauerbrenner, das Interesse wächst. 90 000 Frauen und Männer haben in diesem Jahr an den bundesweiten Aktionen teilgenommen, teilt die Sprecherin des nationalen Aktionsbündnisses, Simone Denzler, mit. So viele waren es noch nie.

„Entgeltgleichheit ist überfällig“, sagt Henrike von Platen, Präsidentin des Frauennetzwerks Business and Professional Women (BPW). Es sei ein Unding, dass hervorragend ausgebildete Frauen nach wie vor ihre Potenziale nicht voll entfalten könnten und um gleiche Bezahlung kämpfen müssten. Selbst wenn es eine Frau in Deutschland auf eine Führungsposition schafft, ist ihre Freude am Chefsessel nicht ungetrübt. Muss sie doch noch immer fürchten, deutlich schlechter bezahlt zu werden als ihr Kollege.

Einer Online-Umfrage der Hans-Böckler-Stiftung unter 12 000 berufstätigen Akademikern zufolge verdienen Managerinnen mit Hochschulabschluss im Durchschnitt knapp 22 Prozent weniger als ihre männlichen Kollegen. In absoluten Zahlen heißt das: Eine Akademikerin bringt pro Monat auf Basis einer 40-Stunden-Woche durchschnittlich 3700 Euro nach Hause, ein Akademiker gut 1000 Euro mehr. Am größten mit 33 Prozent ist der Einkommensabstand zwischen ihm und ihr auf der Ebene der Hauptabteilungsleiter: Männer verdienen monatlich im Durchschnitt knapp 6000 Euro, Frauen dagegen nur rund 4500 Euro (siehe Grafik).

Aber auch das Gehalt von Marketing- oder Accountmanagerinnen liegt um bis zu 28 Prozent, von leitenden Ingenieurinnen um 22 Prozent und von Rechnungswesenleiterinnen um 14 Prozent unter dem der entsprechenden männlichen Kollegen. Das hat eine interne Analyse der Stellenbesetzungen in den letzten sechs Monaten durch die Personalberatung Michael Page ergeben. "Das hätte ich nicht erwartet", sagt Dennis Hoffmeister. Er ist der zuständige Bereichsleiter bei der auf Fach- und Führungskräfte spezialisierten Personalberatung.

Die Gründe für die Gehaltsunterschiede sind vielfältig. Zwar arbeiten Frauen zu einem größeren Anteil in kleineren und mittleren Betrieben und in Branchen mit insgesamt niedrigerem Gehaltsniveau. Und weil weibliche Führungskräfte auch noch nicht bis in die Top-Etagen der Konzerne Einzug gehalten haben, fällt ihre durchschnittliche Mitarbeiterzahl mit 17 auch geringer aus als die der männlichen Manager mit 43. Doch selbst damit lässt sich die Vergütungsdifferenz nicht komplett erklären. So kommt Reinhard Bispinck von der Hans-Böckler-Stiftung denn auch zu dem Schluss, „dass Diskriminierung eine Rolle spielt“.

Damit soll bald Schluss sein. EU-Justizkommissarin Viviane Reding hat schon explizit dazu aufgefordert, stärker gegen ungleiche Bezahlung von Männern und Frauen vorzugehen. Besonders angesprochen hat sie dabei die deutschen Politiker und Unternehmer, die diesbezüglich zu den Schlusslichtern zählen. Die Unterstützer des „Equal Pay Day“ in Deutschland sind zwar prominent. So demonstrierten schon Berlins Bürgermeister Klaus Wowereit, NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft und auch Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen mit. Doch wirklich bewegt wird wenig. Von dem Gesetzentwurf, den von der Leyens Amtsvorgänger Olaf Scholz (SPD) vorgelegt hatte, ist heute keine Rede mehr. Die Christdemokratin setzt stattdessen auf freiwillige Lösungen und wirbt für mehr Gehälter-Transparenz.

Damit schneidet sie ein gesellschaftliches Tabu-Thema an. Denn in Deutschland gilt die Devise: „Über Geld spricht man nicht.“ Wenn es aber nach der Ministerin geht, wird sich das schon bald ändern. Angesichts des Fachkräftemangels und dem Kampf um Talente fragt sie die Arbeitgeber: „Warum nicht mit transparenten Gehaltsstrukturen um die Besten werben?“ Außerdem propagiert sie das kostenlose Online-Programm Logib-D des Bundesfamilienministeriums, mit dem sich Personalverantwortliche mehr Durchblick in Sachen Gehaltsgerechtigkeit verschaffen können, den sie selbst häufig gar nicht haben. Das Kürzel steht für „Lohngleichheit im Betrieb – Deutschland“. Damit lässt sich anonym die Entgeltstruktur einer Firma prüfen. Und zwar so, dass die Höhe des durchschnittlichen Unterschieds der Monatsgehälter weiblicher und männlicher Beschäftigter für den Betrieb insgesamt sowie für einzelne Standorte aufgezeigt werden.

Kritiker wie Heide Pfarr, die Direktorin des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung, schränkt jedoch ein: „Auch gute Prüfverfahren nützen nichts, wenn es keinen Druck gibt, die festgestellte Diskriminierung zu beseitigen.“ Pfarr befürwortet deshalb ein Gleichstellungsgesetz für die Privatwirtschaft. Von einem solchen will Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen aber bis jetzt nichts wissen.

Die Regierungen anderer Länder sind da rigoroser. Etliche Staaten haben der Ungleichbehandlung in puncto Gehälter von Männern und Frauen einen gesetzlichen Riegel vorgeschoben. So gibt es in den USA strikte Anti-Diskriminierungsgesetze. Die US-Tochter des deutschen Pharmakonzerns Bayer sieht sich gerade mit einer entsprechenden Sammelklage von mehreren hundert Mitarbeiterinnen auf 100 Millionen Dollar Schadenersatz konfrontiert. Die weiblichen Beschäftigten verlangen Schadenersatz für entgangenes Einkommen, weil Männer bevorzugt wurden. Ihre Chancen stehen gut, denn in einem ähnlichen Fall erstritten amerikanische Frauen 2010 die Summe von 253 Millionen Dollar als Schadenersatz vom Pharmakonzern Novartis.

Auch in europäischen Ländern hat sich was getan. So müssen Firmen in Schweden mit 25 und mehr Beschäftigten alle drei Jahre eine Analyse ihrer Vergütungssituation mit Blick auf geschlechtsspezifische Unterschiede durchführen. Arbeitgeber, die sich drücken, drohen Bußgelder. In Dänemark sind Arbeitgeber mit mehr als zehn Beschäftigten neuerdings verpflichtet, geschlechterspezifische Lohnstatistiken vorzulegen, wenn Betriebsräte oder Gewerkschaften dies verlangen, um Vergütungsunterschiede zwischen den Geschlechtern zu nivellieren.

Erst wenige Chefs haben hierzulande der Gehaltsschere den Kampf angesagt. Der US-Konzern Microsoft gehört dazu. Bereits sieben der 15 Geschäftsführer der Software-Schmiede sind Frauen.

Für Personalchefin Brigitte Hirl-Höfer, ist die Gehaltsgleichheit von Frauen und Männern auf allen Ebenen ein wichtiger Hebel: „Das ist für uns kein Trendthema, sondern vielfältige Teams aus Frauen und Männern sind unser strategisches Ziel. Es macht unsere Arbeit kreativer und produktiver und durch zusätzliche Perspektiven werden Entscheidungen fundierter.“

Um für eine schnelle Steigerung des Frauenanteils auf allen Ebenen zu sorgen, wird die Leistung aller Führungskräfte auch daran gemessen und variabel vergütet, wie gut es gelingt, zusätzliches weibliches Know-how in den persönlichen Zuständigkeitsbereich zu holen.

In drei bis vier Jahren sollen so 26 Prozent der Managerpositionen mit Frauen besetzt sein. Und schon in den kommenden sechs bis neun Monaten sollen mindestens weitere fünf Führungsfrauen hinzugewonnen werden. „Um diese Talente anzulocken, ist die faire Bezahlung Voraussetzung“, sagt Hirl-Höfer. (HB)

DIE VORBEREITUNG

Bereiten Sie die Gehaltsverhandlung optimal vor. Ermitteln Sie eine solide Verhandlungsbasis für die von Ihnen angestrebte Position. Berücksichtigen Sie die Branchensituation, die Marktposition der Firma und inwiefern Sie Personal- und Budgetverantwortung übernehmen.

Wechseln Sie freiwillig den Arbeitgeber, lässt sich derzeit ein Plus von 15 Prozent erzielen.

DER VERGLEICH

Verlässliche Gehaltsanalysen bieten Branchen- und Führungskräfteverbände ihren Mitgliedern. Im Internet findet sich unter www.lohnspiegel.de ein kostenloser Lohn- und Gehaltscheck mit Informationen zu rund 300 Berufen.

DAS GESPRÄCH

Seien Sie selbstbewusst. Formulieren Sie Forderungen klar. Lassen Sie sich von Schweigen oder Temperamentsausbrüchen Ihres Gegenübers nicht vom Kurs abbringen. Auch Zusatzleistungen des Arbeitgebers sind kein Ersatz. Wehren Sie Feilschversuche ab und beweisen Sie Standfestigkeit.(HB)

Claudia Obmann

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