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Es kann nur einen geben. Der Mexikaner Agustin Carstens und die Französin Christine Lagarde konkurrieren um die Nachfolge von Dominique Strauss-Kahn. Foto: AFP

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Wirtschaft: Er oder sie

Kommende Woche fällt die Entscheidung für den Chefposten

Washington - Die Entscheidung über den künftigen Chef – oder die Chefin – des Internationalen Währungsfonds rückt in die entscheidende Phase. In dieser Woche stellen sich die beiden Kandidaten, Frankreichs Finanzministerin Christine Lagarde und Mexikos Zentralbankchef Agustin Carstens, dem 24-köpfigen Exekutivrat des IWF in Washington vor. Bei der Gelegenheit sprechen sie auch mit US-Finanzminister Tim Geithner. Zwischen dem 28. und dem 30. Juni soll die Entscheidung fallen, wer es wird. Der bisherige IWF-Chef Dominique Strauss-Kahn steht in New York unter Anklage wegen der versuchten Vergewaltigung eines Zimmermädchens in einem Hotel und war Mitte Mai zurückgetreten.

Als Favoritin gilt Lagarde. Ihre zweitägige Anhörung beim IWF hinter verschlossenen Türen begann am Mittwoch und soll heute fortgesetzt werden. Carstens hatte sich am Montag und Dienstag vorgestellt. Lagarde habe einen „soliden Rückhalt bei den europäischen Staaten“, schreibt die „Washington Post“. Die Europäer bilden einen einflussreichen Stimmblock. Zusammen verfügen sie über ein Drittel der Stimmrechte im IWF.

Die US-Regierung hat sich noch nicht entschieden, ob sie Lagarde oder Carstens offiziell unterstützen möchte. Beide seien „sehr glaubwürdige Kandidaten“, sagte US-Finanzminister Tim Geithner am Dienstag. Die USA sind der größte Anteilseigner und der Einzelstaat mit den meisten Stimmrechten. Sie hoffen auf eine klare Mehrheitslage, bevor sie sich entscheiden, um sich weder hart gegen die Europäer noch gegen den südlichen Nachbarn Mexiko und die Partner in Lateinamerika stellen zu müssen.

Allgemein gelten beide Kandidaten als hoch qualifiziert. Die 55-jährige Lagarde ist studierte Juristin und hat in der Eurokrise Respekt erworben, weil sie einerseits für ein entschiedenes Eingreifen plädierte, aber andererseits die Fähigkeit zeigte, zwischen den Euro-Staaten mit ihren divergierenden Interessen zu moderieren. Über ihrer Kandidatur hing vorübergehend ein Schatten. In Frankreich drohen ihr Ermittlungen wegen des Verdachts auf Amtsmissbrauch. Es geht um die Frage, ob sie ihr Amt ausgenutzt habe, um dem Skandalunternehmer Bernard Tapie in einem Rechtsstreit eine millionenschwere staatliche Entschädigung zukommen zu lassen. Dieser Rechtsstreit, den Tapie mit der ehemals staatlichen Bank Crédit Lyonnais führte, drehte sich um den Verkauf von Adidas. Bisher ist allerdings kein offizielles Ermittlungsverfahren gegen Lagarde eingeleitet worden. Die französische Justiz will darüber im Juli entscheiden.

Der 53-jährige Carstens hat Wirtschaftswissenschaften studiert und an der Universität Chicago promoviert. Er hat bereits früher beim IWF gearbeitet und war Mexikos Finanzminister, ehe er den Vorsitz der Notenbank übernahm.

Bisher führte stets ein Europäer den IWF, und ein Amerikaner stand an der Spitze der Weltbank. Diese Aufteilung wird von Schwellenländern infrage gestellt. In der konkreten Auseinandersetzung stehen die Länder in Asien, Arabien, Afrika und Südamerika jedoch nicht geschlossen hinter dem Mexikaner Carstens als einem Kandidaten dieser neuen Denkrichtung. Zum Beispiel Indonesien und die Vereinigten Arabischen Emirate unterstützen Lagarde.

Mehrere lateinamerikanische Staaten tendieren zu Carstens. Er warb gezielt um die Stimmen der Schwellenländer. „Der IWF hat versagt bei der Aufgabe, die drohende Finanzkrise zu erkennen.“ Wenn er gewählt werde, wolle er die Fähigkeiten des IWF bei der Krisenprävention verstärken. Er schlug weiter vor, die Beiträge der Länder gemessen an der Größe ihrer Wirtschaft festzulegen. Bei einer Anpassung der Quote, die jedem Land zugewiesen wird, müssten die Entwicklungs- und Schwellenländer stärker berücksichtigt werden. Auch bei der Besetzung der 24 Mitglieder des Exekutivrats wolle er mehr Sitze für Entwicklungs- und Schwellenländer durchsetzen. Derzeit werden sieben Sitze von Vertretern der Europäischen Union besetzt.

Zwischenzeitlich hatte es weitere Vorschläge für die IWF-Spitze gegeben, darunter Israels Notenbankchef Stanley Fischer und den Südafrikaner Trevor Manuel. Der IWF nahm aber nur Lagardes und Carstens’ Kandidaturen an.

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