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Lecker! Aber nicht jeder Lebkuchen, der gut aussieht, schmeckt auch gut. Denn nicht alle Bäcker backen gleich gut. Wer sich am Markt halten will, muss sich weiterentwickeln und mit Qualität überzeugen. Dafür gibt es zahlreiche Kursangebote. Foto: ddp

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Wirtschaft: Erfolg auf Rezept

Wer als Bäcker überleben will, muss sich abheben. Dabei helfen Weiterbildungen – vom Stollenbacken bis zur Teambildung.

Wer mit einem Bäcker sprechen will, muss früh aufstehen. Man solle es bitte vor 6.30 Uhr versuchen – das hört man oft von Bäckereifachverkäuferinnen, wenn man während des Tages den Meister oder einen seiner Mitarbeiter aus der Backstube erreichen will. Wenn andere Menschen im Büro sitzen, schlafen die Bäcker. Schließlich geht es oft um Mitternacht wieder an den Ofen.

Der Nachteil: Wer tagsüber schläft, hat keine Zeit für Weiterbildung. „Ich rate Bäckern oft zu Weiterbildungen und sage ihnen, wie wichtig es ist, ihr Fachwissen immer wieder zu erweiterten. Aber viele wollen das nicht hören. Sie sagen, ihnen fehle die Zeit“, sagt Markus Messemer. Er ist selbst gelernter Bäcker, arbeitet aber heute als Unternehmensberater, spezialisiert auf Bäckereien. „Viele denken: Es kommt auch ohne Weiterbildung jeden Tag das Brot aus dem Ofen", sagt Messemer. „Deshalb versuchen wir, auf anderen Wegen an sie heranzukommen.“ Damit meint er das Bäcker-Internetportal www.wir-baecker.de, das er betreut und auf dem sich Bäcker austauschen können: über Quarkstollen, Bewerbungen, Sauerteig. „Wenn sie da über Zubereitungsarten diskutieren, ist das auch eine Form der Weiterbildung", sagt Messemer. Natürlich seien nicht alle Bäcker Weiterbildungsmuffel, fügt er hinzu: „Es gibt eine Gruppe unter ihnen, die ständig zu Fortbildungen gehen und sich austauscht.“

Wer das tue, habe einen klaren Wettbewerbsvorteil. Das gilt sowohl für Selbstständige als auch für Angestellte, für Gesellen wie für Meister. Zur Situation der Selbständigen sagt Messemer: „Der Markt verändert sich gerade gravierend. Große, gute Bäckereien können sich an den Topstandorten durchsetzen und expandieren. Aber für kleinere Betriebe, die sich nicht weiterentwickeln und spezialisieren, sieht es mau aus. Die 0815-Bäckereien werden sich auf Dauer nicht gegen Discounter durchsetzen, die das Brot viel billiger anbieten."

Was also soll der Bäcker zusätzlich zu seinem Wissen aus der Ausbildung lernen? Er könnte besondere Verfahren und Rohstoffe kennen lernen, erfahren, wie man Bio- und Vollkornbrot backt – oder die Verkäuferinnen besonders schulen lassen. Das Ziel: Kunden erreichen, die nicht nur über den Preis einkaufen. „Die guten Bäcker sind die mit den Top-Produkten mit ausgetüfteltem Geschmack“, sagt Messemer. Das hat auch der Berliner Bäckermeister Matthias Hillmann aus Steglitz erkannt, dessen Bäckerei zu den rund 200 Betrieben gehört, die Mitglied der Bäckerinnung Berlin sind: „Weiterbildungen sind wichtig, um mal wieder ein bisschen die Betriebsblindheit zu besiegen und frischen Wind reinzukriegen. Man kann dadurch Produkte variieren oder ersetzen“, sagt der Bäcker, der acht Verkaufsstellen hat und 60 Mitarbeiter beschäftigt: Auszubildende, Verkäuferinnen, Produktionsmitarbeiter und Fahrer. „Heutzutage kann man nicht einfach irgendwelche Backwaren verkaufen. Man muss Spezialitäten herstellen, die man nicht überall kriegt."

Zuletzt hat Hillmann ein Christstollen-Seminar besucht und dort die Zubereitung besonderer Variationen des Weihnachtsgebäcks kennen gelernt. Etwa Ingwerstollen mit Kuvertüreüberzug und Kokosflocken, in dem Ingwerstäbchen statt Rosinen verwendet werden. Die Weiterbildung hat sich schon gelohnt: „Wir haben dieses Jahr in der Stollenprüfung der Akademie Deutsches Bäckerhandwerk sehr gut abgeschnitten“, sagt Hillman stolz. Die Prüfung war öffentlichkeitswirksam im Einkaufszentrum Alexa.

Nicht zu allen Seminaren geht Hillmann selbst, manchmal schickt er auch Mitarbeiter. Auch für die ist zusätzliches Wissen wichtig. Es gebe vor allem einen Mangel an gut ausgebildeten angestellten Bäckern, sagt Unternehmensberater Messemer: „Jeder Bäcker, der sich fortbildet und zeigt, dass er mitdenken kann, bekommt heute einen gut bezahlten Job.“ Zu viele Leute würden die Ausbildung nur deshalb auswählen, weil ihnen nichts anderes einfiele – und den Beruf dann ohne großen Enthusiasmus und Engagement ausübten. Und in der Berufsschule werde nur das gelehrt, „was in den Betrieben stattfindet. Und das ist, böse gesagt, oft nur Backen mit Fertigmischung. Also: Tüten aufreißen."

Dabei gebe es viele gute Weiterbildungsangebote, findet Messemer, vor allem an den acht regionalen „Akademien Deutsches Bäckerhandwerk“, die sich zu einem Verband zusammengeschlossen haben und Einrichtungen der jeweiligen Bäcker-Innungen sind. Außerdem gibt es noch die überregionale Bundesakademie in Weinheim. An der Akademie Berlin und Brandenburg in Lankwitz sorgen 13 Ausbilder für überbetriebliche Unterweisungen und Weiterbildung in verschiedenen Fachseminaren. Workshops zu „Schokoladenarbeiten“ und „Marzipan-Kreativität“ bietet die Akademie etwa im nächsten März an. Im April gibt es einen Workshop unter dem Titel „Wir sind serviceorientierte Dienstleister“ für „Führungskräfte im Verkauf und in der Produktion“.Schwerpunkte setzt die Akademie auf Meister-Vorbereitungskurse, Verkaufsleiterinnen-Kurse und einen Studiengang zum Ernährungsberater.

Diese Weiterbildung wird auch an der „Akademie Deutsches Bäckerhandwerk“ in Weinheim angeboten. „Sie richtet sich an Verkäuferinnen und Bäcker“, sagt Bernd Kütscher, Leiter der Akademie Weinheim. „Es geht etwa darum, wie Nährstoffe wirken und darum, über Zutaten nachdenken. Wenn ich weiß, welche Lebensmittel wie wirken, ist das bei Spezialisierungen hilfreich – etwa auf gluteinfreie Produkte. Die Ernährungslehre aus der Bäckerausbildung wird hier aufgefrischt und vertieft.“ Dann berichtet Kütscher von einer Absolventin der Weiterbildung aus Sachsen mit einer kleinen Bäckerei. „Es begann damit, dass ihr Kind Neurodermitis hatte. Durch das Studium zur Ernährungsberaterin hat sie sich dann auf die Allergikerschiene spezialisiert und hatte einen Riesenerfolg in einer strukturschwacher Region."

Rund 60 verschiedene Fortbildungen bietet die Akademie Weinheim pro Halbjahr an. Eine davon ist die Ausbildung als Produktionsmanager. „Sie richtet sich an Verantwortliche in gewachsenen Betrieben. Dabei lernt man, Prozesse in der Backstube zu optimieren“, sagt Kütscher. „Es geht darum, zu bestimmen, wer wann was macht. Wie man ein Team zusammenstellt.“ Aber auch eher technische Inhalte werden gelehrt: Wie man Gärungsprozesse aufrechterhält, wenn die Backstube plötzlich witterungsbedingt kälter oder wärmer ist. Oder wie Teig richtig gekühlt wird, wenn man ihn aus der Bäckerei in einen weiter entfernten Laden bringt, wo daraus dann Brötchen entstehen. Zu den Dozenten gehören auch Getreide- und Kältetechnologen.

Das Bäckerhandwerk sei eine besondere und bunte Branche, sagt Kütscher: „Produktion, Logistik und Verkauf in einer Hand – das gibt es sonst kaum noch." Und so gebe es viele Spezialisierungsmöglichkeiten: Auch Schulungen in Bio und Vollkorn seien im Angebot.

„Weiterbildungen der Bäckerinnung sind für Vollkornbäcker wie uns meist uninteressant“, sagt hingegen Elisabeth Karnasch, Geschäftsführerin der Ufa-Bäckerei in Tempelhof. Letztens habe sie eine Weiterbildung für die Verwendung von Dinkelmehl gesehen: „Jetzt hat die Innung plötzlich bemerkt, dass es auf dem Markt eine Nachfrage dafür gibt. Aber wir können das schon lange.“ Eigentlich sagt sie, sei die Ufa-Vollkornbäckerei eine „einzige Weiterbildung.“ Denn normalerweise stellt sie Gesellen und Meister ein, die in konventionellen Bäckereien gelernt haben. „Vollkornteige müssen zum Beispiel feuchter und weicher als Weißmehlteige sein. Sonst werden es steinharte Brote“, sagt Karnasch. „Das lernen die Neueinsteiger bei uns.“

Neulich hat sie aber doch einen ihrer Bäcker zu einer Weiterbildung der Innung geschickt: Nachdem die Bäckerei einen Holzfeuerofen gebaut hatte, brauchte sie jemanden der damit umgehen kann. Mit Erfolg: Die Schrippen aus dem Holzofen gehen weg wie warme Semmeln.

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