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Seit 20. März ist Eric Schweitzer Präsident des DIHK.

© Mike Wolff

Eric Schweitzer im Interview: „Schweinsteiger würde ins Ausland wechseln“

Der neue DIHK-Präsident Eric Schweitzer spricht mit dem Tagesspiegel über die Begrenzung von Manager-Gehältern, die Gefahren durch höhere Steuern und soziales Gleichgewicht.

Herr Schweitzer, jetzt als DIHK-Präsident müssen Sie sagen, wie wohlhabend Sie sind.

Warum?

Das Land debattiert über Managergehälter und wachsende Ungleichheit, und Sie sind nun eine wichtige Stimme.

Ich trage mit meinem Bruder zusammen die Verantwortung für unser Unternehmen mit 9000 Mitarbeitern. Unser familiäreres Schicksal ist mit dem des Unternehmens verbunden. Kein Unternehmer hat die Garantie, dass er immer Gewinne macht.

Sie könnten eine ungefähre Hausnummer nennen.

Nein, das habe ich bisher nicht getan, dabei soll es bleiben.

Ihr Verdienst dürfte ein Vielfaches dessen betragen, was Ihre Beschäftigten etwa in den Müllsortieranlagen bekommen. Ist das gerechtfertigt?

90 Prozent der deutschen Firmen sind in Familienbesitz, bei ihnen arbeiten 60 Prozent der Beschäftigten. Ein Unternehmer setzt sein eigenes Geld ein und haftet mit seinem gesamten Vermögen. Ich kenne keinen Fall, wo das Einkommen eines Familienunternehmens nicht in einer vernünftigen Beziehung zur Verantwortung steht, die er trägt.

Haben nicht auch Beschäftigte ein Recht darauf zu wissen, ob sie am Unternehmenserfolg angemessen beteiligt werden?

Dies ist bereits Realität. Soll der Staat eine Obergrenze für Manager-Gehälter einziehen? Das hieße, ein Unternehmer darf sich nicht mehr die besten Führungskräfte und Mitarbeiter aussuchen. Die Politik entscheidet dann die Personalauswahl. Ich glaube, die guten Leute verlassen dann Deutschland.

Deutsche Top-Manager an der Spitze ausländischer Firmen kann man an zwei Händen abzählen.

Das muss nicht so bleiben. Dürfte Bastian Schweinsteiger nur noch einen Bruchteil dessen verdienen, was er derzeit bekommt, würde er kaum bei Bayern München bleiben, sondern vermutlich ins Ausland wechseln.

Es geht bei der Debatte auch um Transparenz und Angemessenheit.

Wir führen diese Diskussion mit Blick auf sehr wenige Manager börsennotierter Konzerne, deren Gehalt manchem zu hoch ist. Ich erinnere daran, dass in diesen Fällen die Arbeitnehmervertreter in den Aufsichtsräten zugestimmt haben. Diese werden ihre Gründe gehabt haben, etwa das Gehalt des VW-Chefs zu genehmigen. Das Unternehmen ist ja auch nicht zufällig eines der erfolgreichsten in der Branche und weltweit.

Stehen nicht die Manager-Gehälter exemplarisch für ein wachsendes Gefälle in der Gesellschaft?

Das gibt die Statistik nicht her und ich glaube auch nicht, dass die Bürger dies so empfinden. Seit 2005 sinken dem DIW zufolge die Unterschiede bei den Einkommen. Ein soziales Gleichgewicht ist in einer Gesellschaft wichtig. Hierzulande sind die Einkommen gerechter verteilt als im OECD-Durchschnitt. In Deutschland zahlt übrigens das oberste Prozent der Einkommensbezieher 25 Prozent der gesamten Einkommensteuer, die ersten zehn Prozent zahlen 55 Prozent – das zeigt, dass die Starken auch die größten Lasten schultern.

Die Bundesbank attestiert eine deutlich ungleichere Verteilung als im Rest Europas.

Das wäre ein Problem, wenn die Besitzer großer Vermögen im Luxus schwelgen würden. Das tun sie aber in den allermeisten Fällen nicht. Denn Familienunternehmen haben ihr Vermögen zum größten Teil im Betrieb gebunden und zwar in Anlagen und Maschinen. Auch ich. Sie investieren mehr als 80 Prozent der Gewinne wieder, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Wer das ändert, der will, dass der Staat den Unternehmen das Geld über Steuern wegnimmt. Das Einzigartige an Deutschland, was uns von allen anderen Industrienationen der Welt unterscheidet, der starke Mittelstand, wäre dann in Gefahr.

Gehen Millionen von Firmen pleite, nur weil die Steuern leicht steigen?

Familienbetriebe sorgen für Stabilität, weil sie nicht in Quartalen denken, sondern langfristig. Deutschland steht international so gut da, weil es Unternehmen wie Boehringer Ingelheim, Liebherr, Stihl, B. Braun und viele andere gibt. Eine Vermögensteuer oder eine höhere Erbschaftsteuer würden diese Besonderheit ernsthaft in Gefahr bringen. Sie wären ein Fluch für Familienunternehmen und ein Segen für Heuschrecken.

Sie übertreiben.

Viele, die ein Unternehmen erben, müssten es dann verkaufen, weil ihr Vermögen im Unternehmen gebunden ist und sie somit die Steuern nicht zahlen können. Derjenige, der die Firma übernimmt, will aber den Kaufpreis aus dem Unternehmen heraus wieder erwirtschaften, das geht über Wachstum und Rationalisierungen. Erbschaft- wie Vermögensteuer bedeuten also weniger Investitionen, weniger Innovationen, weniger Wachstum und einen Verlust an Arbeitsplätzen.

Peer Steinbrück hat kürzlich versprochen, dass es mit ihm keine Besteuerung der Substanz geben wird.

Schön, dann erklären Sie mir bitte, wie das bei einer Vermögensteuer gehen soll.

Indem privates Vermögen besteuert wird.

Die meisten Familienunternehmen sind Personengesellschaften. Betriebliches und privates Kapital zu trennen ist schwierig. Davon abgesehen, ist auch das private Vermögen bereits einmal versteuert worden – das ist ja nicht geklaut.

Die Pläne von Rot-Grün schaden dem Wachstum?

Ich glaube, die aktuellen Pläne würden am Ende dazu führen, dass Unternehmen weniger Eigenkapital bilden können, weniger investieren können und weniger innovativ sind. Das wird Arbeitsplätze in Deutschland kosten.

Sie warnen vor einem Regierungswechsel?

Rot-Grün kann es ja anders. Zwischen 1999 und 2005 haben sie die Einkommensteuer gesenkt und die Arbeitslosenzahl ist – zeitversetzt – um zwei Millionen gesunken. Man darf beide Parteien bei Gelegenheit an ihre Erfolge erinnern. Es kann im übrigen nicht die Rede davon sein, dass der Staat zu wenig Geld hat. 2009 hat er noch 524 Milliarden Euro Steuern eingenommen, 2017 werden es 700 Milliarden sein.

Sollten die Steuern sinken?

Zumindest sollten sie nicht erhöht werden. Korrekturbedarf besteht aber bei der kalten Progression, die schon den gutverdienenden Facharbeiter trifft. Heute zahlt bereits den Spitzensteuersatz, wer mehr als 52 000 Euro im Jahr verdient. Das ist doch absurd. Hinzu kommen die Sozialabgaben. Dann ist man bei einer Gesamtbelastung von mehr als 50 Prozent für jeden weiteren Euro. Ich glaube nicht, dass das sozial gerecht ist.

Sind Dumpinglöhne gerecht? Was halten Sie vom Mindestlohn?

Menschen sollen fair bezahlt werden. Aber ein allgemeiner Mindestlohn ist entweder zu hoch – dann vernichtet er Stellen. Oder er ist zu niedrig, dann bringt er nichts. Zudem sind die Lebenshaltungsunterschiede in Deutschland groß. Wer findet einen Mindestlohn, der zugleich für Ostdeutschland passt und für München? Orientiert man sich an den Bedürfnissen eines Münchners, gehen in Ostdeutschland massenhaft Stellen verloren. Vor allem die gering Qualifizierter.

Jeder Fünfte arbeitet heute in einem Niedriglohn-Job – für die wäre eine Lohnuntergrenze segensreich.

Ich finde es auch nicht gut, wenn jemand für vier Euro die Stunde arbeiten muss. Das größte Armutsrisiko ist die Arbeitslosigkeit. Das wirkungsvollste Mittel dagegen ist Bildung. Die ist auch angesichts des drohenden Facharbeitermangels ganz wichtig.

Warum bilden dann immer weniger Firmen aus?

Die Zahl der Schulabgänger ist wegen der niedrigen Geburtenrate drastisch gesunken, entsprechend gibt es auch weniger Lehrlinge. Wer keinen Azubi mehr findet, fällt als Ausbildungsbetrieb aus der Statistik. Die Firmen haben aber ein großes Interesse, auszubilden. Es ist längst nicht mehr so, dass es zu viele Schüler und zu wenig Ausbildungsplätze gibt. Um das System der dualen Ausbildung beneiden uns übrigens viele Länder. In Südeuropa ist mitunter jeder zweite Jugendliche arbeitslos, bei uns jeder vierzehnte.

Als DIHK-Präsident sind Sie auch im Tross der Kanzlerin unterwegs und genießen international Aufmerksamkeit. Ist das gut für das Geschäft?

Ich habe als Berliner IHK-Präsident schon oft Klaus Wowereit begleitet und habe das unternehmerisch nicht genutzt. Das wird sich auch mit meinem neuen Amt nicht ändern.

Sie haben sich wählen lassen, weil Sie ihrem Land etwas zurückgeben wollen, sagen Sie. Als Lobbyist nimmt man doch eher, als dass man gibt.

Ich möchte, dass die Wirtschaft wächst – dann sinkt die Arbeitslosigkeit und steigt der Wohlstand. Staatsfinanzen sind nur solide, wenn die Unternehmen erfolgreich sind und investieren können. Damit sind wir in der Lage soziale Probleme lösen zu können. Nehmen Sie Berlin: Die Wirtschaftskraft war lange Zeit viel zu schwach. Deshalb gibt es viele soziale Probleme und leere Kassen. Seit ein paar Jahren ändert sich das. Die Folge ist, dass der Gewerbesteuer-Hebesatz konstant ist, die Einnahmen sich aber seit 2006 nahezu verdoppelt haben. Der Staat wird nicht reicher von höheren Steuersätzen, sondern von höheren Steuereinnahmen.

Das Gespräch führte Carsten Brönstrup.

DER PRÄSIDENT
Eric Schweitzer (47) ist seit Mittwoch Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertages DIHK, der Spitzenorganisation der 80 Industrie- und Handelskammern mit 3,6 Millionen Mitgliedern. Schweitzer, bislang der jüngste DIHK-Chef, ist auch Präsident der Berliner IHK.

DER UNTERNEHMER
Eric Schweitzer leitet zusammen mit seinem Bruder Axel das Entsorgungs- und Recyclingunternehmen Alba mit 9000 Beschäftigten und 3,2 Milliarden Euro Umsatz. Alba, 1968 in Berlin gegründet, befindet sich vollständig im Besitz der Familie.

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