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Wirtschaft: Ermäßigung für Bildungswillige

Nur sieben Prozent Umsatzsteuer auf Bücher und Zeitungen

Berlin. Die Deutschen sind eine Kulturnation, sagt man. Da erscheint es nur logisch, dass die Kultur staatlich gefördert wird. Im Sinne der Kulturförderung verzichtete der Staat allein im Jahr 2002 auf mehr als eine Milliarde Euro Umsatzsteuer. Denn seit der Einführung der Mehrwertsteuer im Jahr 1968 gibt es einen ermäßigten Steuersatz für Bücher, Zeitungen und Zeitschriften.

Für Bücher müssen generell nur sieben Prozent Umsatzsteuer bezahlt werden, statt der üblichen 16 Prozent. Bei Zeitungen und Zeitschriften ist die Sache komplizierter. Der ermäßigte Steuersatz gilt nur für die Verkaufserlöse. Auf die Erlöse aus Anzeigen und Werbung müssen volle 16 Prozent abgeführt werden. Doch gerade in den vergangenen Jahren hat die Bedeutung der Verkaufserlöse zugenommen, sagt eine Sprecherin des Bundesverbandes Deutscher Zeitungsverleger. Finanzierten sich Zeitungen und Zeitschriften noch vor wenigen Jahren zu zwei Dritteln aus den Erlösen aus Anzeigen und Werbung ist dieser Anteil mit dem Konjunktureinbruch auf 56 Prozent geschrumpft. Rund 44 Prozent steuern die Leser über den Verkaufspreis bei.

Die Verfechter dieser ermäßigten Steuersätze stehen wie ein Mann, wenn es darum geht, die Attacken auf die Ermäßigungen (die letzte erfolgte vor knapp einem Jahr) abzuwehren. Der Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger bestreitet, dass es sich dabei überhaupt um eine Subvention handelt. Bei der Einführung der Mehrwertsteuer 1968 und dem damit einhergehenden Wechsel des Steuersystems wären Zeitungen ohne die Ermäßigung benachteiligt worden. Es ging damals um die „Preisneutralität des Systemwechsels“, argumentieren die Zeitungsverleger. Umfangreiche Berechnungen, die dies nachgewiesen hätten, seien seinerzeit auch vom Bundesfinanzministerium anerkannt worden. Zudem sprechen die Zeitungsverleger von der „Notwendigkeit, die deutsche Bevölkerung mit einem vielfältigen Presseangebot zu erschwinglichen Preisen zu versorgen“. Dieses Ziel sei gefährdet, wenn Zeitungen wegen einer höheren Mehrwertsteuer teurer würden.

Da ist man sich mit der Bücherbranche einig. Bücher würden bei einer Abschaffung des ermäßigten Steuersatzes neun Prozent teurer, sagt eine Sprecherin des Fischer Verlags, der eine Steuererhöhung nicht auffangen würde. „Wir können ja nicht die Preise stabil halten und einfach einen höheren Anteil Steuern abführen.“ Die Stiftung Lesen sieht sogar die Existenz vor allem kleiner und mittlerer Buchhändler in Gefahr, wenn Bücher teurer würden. Ganz zu schweigen von öffentlichen Bibliotheken: „Deren Etats sind doch heute schon so angespannt, wenn die nun fast zehn Prozent mehr für neue Bücher ausgeben müssten, das ginge gar nicht“, gibt ein Vertreter der Stiftung zu bedenken. Ohne Lesen keine Bildung, lautet die Argumentationskette der Stiftung, und wohin das führe, sehe man doch an der jüngsten Pisa-Studie.

Um die Lesebegeisterung der Deutschen ist es tatsächlich nicht gut bestellt. Etwa ein Drittel liest nie ein Buch, ein Drittel greift nur sporadisch dazu und nur das letzte Drittel liest täglich oder wöchentlich. Bevorzugt werden Sachbücher, wie die Stiftung Lesen herausgefunden hat, und dies auch noch ungern. 42 Prozent lesen nicht zum Vergnügen.

Hier setzen die Kritiker an. Wenn bevorzugt Sachbücher gelesen würden und dies widerwillig, dann doch wohl unter Zwang. Leser aber, die Sachbücher kaufen müssen, um sich fortzubilden, könnten doch auch einen höheren Preis bezahlen. Aber auch in anderen Ländern wird das Lesen steuerlich gefördert: In Großbritannien beträgt der Steuersatz auf Verkaufserlöse für Zeitungen null Prozent, üblich sind 17,5 Prozent Umsatzsteuer. Im Italien sind es vier statt der üblichen 20 Prozent.

Subventionsland Deutschland – in dieser Serie berichtet der Tagesspiegel über die milliardenschweren Wohltaten des Staates für Bürger und Wirtschaft. In der nächsten Folge: Steuervorteile für Parteien.

Daniel Rhee-Piening

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