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Wirtschaft: Ermittlungen gegen Braun Melsungen

Auch das Unternehmen des Chefs der deutschen IHKs soll gegen das Irak-Embargo verstoßen haben

Berlin – Die Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt am Main hat Ermittlungen gegen die B. Braun Melsungen AG aufgenommen. Vorstandsvorsitzender des hessischen Medizinunternehmens ist Ludwig Georg Braun, der auch den Deutschen Industrie- und Handelskammertag (DIHK) führt. Das Verfahren wegen Verdachts auf Verstoß gegen das Außenwirtschaftsgesetz richte sich gegen Verantwortliche des Unternehmens, sagte Oberstaatsanwalt Günter Wittig dem Tagesspiegel, ohne Namen zu nennen. „Aus ermittlungstaktischen Gründen sind keine weiteren Auskünfte möglich.“

Hintergrund sind offenbar Geschäfte mit dem Irak während des Embargos von 1996 bis 2003. Die Ermittlungen wurden Wittig zufolge erst im vorigen Quartal eröffnet und damit etwa ein Jahr nach dem Auftauchen erster Vorwürfe. B. Braun Melsungen bestätigte die Ermittlungen am Mittwochabend in einer Erklärung, bestritt aber, Zahlungen an das frühere irakische Regime oder dessen Mittelsmänner geleistet haben. Das Unternehmen begrüße es, „dass die Staatsanwaltschaft durch ein rechtsstaatlich ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren die Gelegenheit wahrnimmt, sich von der Nichthaltbarkeit der gegen uns erhobenen Vorwürfe zu überzeugen“.

Die Ermittlungen reihen sich ein in ähnliche Verfahren mehrerer deutscher Staatsanwaltschaften gegen Siemens, Linde, Daimler-Chrysler und eine Reihe kleinerer Unternehmen. Beim milliardenschweren „Öl für Lebensmittel“-Programm der Vereinten Nationen für den Irak, das die Auswirkungen des Embargos für die Bevölkerung lindern sollte, waren angeblich Schmiergeldzahlungen an der Tagesordnung. Dem Irak war es nur unter Aufsicht erlaubt, Öl zu verkaufen und im Gegenzug Lebensmittel und Medikamente einzuführen.

Vor gut einem Jahr wurde ein Untersuchungsbericht einer Kommission unter Vorsitz des ehemaligen US-Notenbankchefs Paul Volcker veröffentlicht, in dem auch 63 deutsche Unternehmen beschuldigt wurden, das Embargo mit Schmiergeldzahlungen umgangen zu haben. B. Braun Melsungen wurde genannt, hat die Vorwürfe aber stets bestritten. Auch eine französische Tochter des Unternehmens wurde in dem Bericht erwähnt.

Laut dem Volcker-Bericht steckte der inzwischen hingerichtete Diktator Saddam Hussein 1,8 Milliarden Dollar an den Kontrolleuren vorbei in die eigene Tasche, indem er sich von über 2200 Firmen aus aller Welt bestechen ließ.

Der Siemens-Konzern, bei dem die Staatsanwaltschaft München derzeit ein System schwarzer Kassen untersucht, spielt auch bei diesen Vorwürfen eine zentrale Rolle. Der Nürnberger Oberstaatsanwalt Wolfgang Träg sagte dem Tagesspiegel, gegen drei in Erlangen ansässige Bereiche des Konzerns werde wegen Verdachts auf Verstoß gegen das Außenwirtschaftsgesetz ermittelt: Medical Solutions, Power Generation und Power Transmission and Distribution. „Das Verfahren dauert mit Sicherheit noch einige Zeit“, sagte Träg. Unter anderem seien noch arabische Originaldokumente zu übersetzen und zu bewerten.

In dem Volcker-Bericht taucht Siemens mit Zahlungen von 1,6 Millionen Dollar auf. Oberstaatsanwalt Träg sagte jedoch, bei den Nürnberger Ermittlungen gehe es um einen sechsstelligen Euro-Betrag. Die Differenz könne er sich nicht erklären. Möglicherweise werde auch noch in anderen Staaten ermittelt. Am Konzernsitz in München gibt es jedenfalls kein Verfahren gegen Siemens in dieser Sache, wie die dortige Oberstaatsanwältin Brigitte Schröder dieser Zeitung sagte. Dort werde gegen die Linde AG ermittelt, was bereits vorige Woche mitgeteilt worden war, sowie gegen das Maschinenbauunternehmen Maurer Söhne. Ermittlungsverfahren gibt es ferner in Stuttgart gegen Daimler-Chrysler und in Berlin gegen Schering – das Verfahren gegen das Pharmaunternehmen steht aber vor der Einstellung.

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