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Erneuerbare Energien: Ein ganz besonderes System

Das Erneuerbare-Energien-Gesetz wird reformiert: Die Industrie ist zufrieden, die Ökobranche nicht

Die Experten stöhnen. „Die Komplexität ist gestiegen, selbst mir fällt das schwer zu verstehen“, sagt Gerd Krieger, Energiefachmann beim Verband der deutschen Maschinenbauer. Und Hubertus Bardt vom Institut der deutschen Wirtschaft (IW) spricht von dem „grundlegenden Problem, das kaum jemand so richtig durchsteigt“. Das ist offenbar politische Strategie: Die Regierung hetzt die Reform des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG), immerhin die Basis der Energiewende hierzulande, in wenigen Wochen durch die parlamentarischen Gremien. Am kommenden Donnerstag entscheidet der Bundestag.

Die Reform ist kein großer Wurf. Auf den ersten Blick überraschend: Auch nach dem Beschluss zum vorgezogenen Atomausstieg verändert die Koalition nicht ihr Ziel, bis 2020 den Anteil der Erneuerbaren an der Stromerzeugung auf 35 Prozent zu erhöhen. Nach dem letzten Stand der Verhandlungen zwischen Kanzleramt und Bundesländern soll im Gesetz nun immerhin „mindestens 35 Prozent“ stehen. Die Branche der Erneuerbaren ist enttäuscht und hält 47 Prozent für erreichbar. Wenn die Förderung stimmt.

Weitgehend zufrieden ist dagegen die Industrie. „Für Teile des energieintensiven Mittelstands ist das Gesetz eine Verbesserung“, heißt es beim BDI. Ganz einfach deshalb, weil künftig deutlich mehr Unternehmen als bislang die reduzierte Umlage für das EEG zahlen. Normalerweise zahlt jeder Stromverbraucher für die Erneuerbaren 3,5 Cent je Kilowattstunde, doch die ganz großen Stromkunden in der Industrie (Chemie, Stahl, Aluminium) werden nur mit 0,05 bis 0,4 Cent belastet. Doch damit ist auch klar: Je weniger die Industrie zahlt, desto mehr müssen andere blechen. Vor allem die privaten Verbraucher.

Die grundsätzlichen Bedenken der Wirtschaft – jenseits der Kosten – betreffen die Marktintegration der Erneuerbaren. Bislang ist das EEG ein komplett regulierter Wirtschaftsbereich. Mit zunehmendem Anteil der Erneuerbaren wird das indes schwieriger. Dem versucht der Gesetzgeber mit einer Marktprämie im EEG ein wenig gerecht zu werden: Wenn sich ein Erzeuger von Ökostrom entscheidet, aus dem EEG-System mit festgelegter Einspeisevergütung auszusteigen und seinen Strom selbst zu vermarkten, bekommt er eine Prämie. Er kann aber auch jederzeit zurück in das risikofreie EEG- Subventionssystem. „Das ist keine wirkliche Marktintegration“, kritisiert das Institut der deutschen Wirtschaft.

Der SPD-Fraktionsvize Ulrich Kelber hält die Marktprämie für eine „Marktsimulationsprämie“, die zu höheren Kosten führen werde und lediglich von großen Erzeugern genutzt werden könne. Alles in allem ist der EEG-Gesetzentwurf der Bundesregierung aus seiner Sicht „eine Katastrophe“. Das Argument von Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU), dass eine längere Beratungszeit für das Gesetzeswerk lediglich die Lobbyisten auf den Plan rufen würde und nun das „Momentum genutzt werden müsse“, hält Kelber für geradezu abwegig: „Selbstmord aus Angst vor dem Tod ist keine gute Strategie.“ Kelber sagte dem Tagesspiegel: „Der EEG-Entwurf ist ein ebenso großer Fehler wie die Laufzeitverlängerung im vergangenen Herbst.“ Seine Hauptkritik richtet sich dagegen, dass der Regierungsentwurf „die Macht an die großen Energiekonzerne abtritt“. Denn eine höhere Förderung sei lediglich für Offshore-Windparks vorgesehen, die aber in der Regel die Konzerne bauen.

Das kritisiert auch Rainer Baake von der Deutschen Umwelthilfe. Mit Blick auf die Windenergie an Land, für die die Vergütungssätze schneller sinken sollen, und die Streichung der Vergütung für Solar- Freiflächenanlagen, die schon 2010 erfolgte, sagt er: „Das Billigste bremst man aus.“ Michael Spielmann, Sprecher der Sielmann-Stiftung, hat zudem die Sorge, dass wegen einer Detailänderung im EEG der Plan, im Schutzgebiet Döberitzer Heide eine Solar-Freiflächenanlage mit 120 Hektar zu errichten, scheitern könnte. Er hofft, mit der Photovoltaik-Anlage die Mittel aufbringen zu können, um nicht nur die notwendigen 120 Hektar, sondern 250 Hektar dekontaminieren zu können. Denn dort liegt nicht nur Munition. Dort lagern wohl auch Überreste von chemischen Kampfstoffen. Fred Jung vom Projektentwickler Juwi weist darauf hin, dass die Freiflächenanlagen gerade mal 6000 von rund 17 Millionen Hektar landwirtschaftlicher Fläche belegten.

Jung macht sich ferner ebenso wie die meisten Umweltverbände Sorgen um die Windenergie an Land. Etwa 40 Prozent der von Juwi für 2012 und 2013 geplanten Windprojekte seien mit den neuen Bedingungen wohl nicht mehr umsetzbar, berichtet er. Auch der Bundesverband Erneuerbare Energien (BEE) warnt davor, den Bestandsschutz für bereits getätigte Investitionen zu gefährden. Es sei angesichts der sich schnell ändernden Investitionsbedingungen immer schwieriger, von Banken Kredite dafür zu bekommen.

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