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Wirtschaft: Erst schlichten, dann richten

Wer sich mit seinem Nachbarn streitet, muss nicht vor Gericht ziehen. Besser ist es, einen Schlichter einzuschalten – und billiger

Wenn der Maschendrahtzaun zum Frontverlauf wird, dann rattert unerbittlich der Gebührenzähler. Ein Streit vor Gericht kommt teuer – aber es gibt Möglichkeiten, Kosten zu vermeiden.

Wenn Anwälte und Gerichte mit Nachbarstreitigkeiten beschäftigt werden, sind sie oft der Meinung: „Das ist doch keinen Streit wert". Dennoch berechnen sie einen „Streitwert", nach dem sich die Prozesskosten richten. Wie viel das ist, hängt stets vom Einzelfall ab. Geht es etwa darum, ob die stolze Eiche beschnitten oder gar gefällt werden muss, dann beläuft sich der Streitwert schnell auf einige Tausend Euro.

Zu zahlen hat alle Prozesskosten grundsätzlich der Verlierer: Bei einem Streit um 2500 Euro, können vor dem Amtsgericht Kosten von mehr als 1400 Euro auflaufen (Anwaltsgebühren: 966 Euro, Auslagenpauschalen: 40 Euro, Umsatzsteuer: 161 Euro und Gerichtskosten von 243 Euro). Dabei handelt es sich lediglich um ein Verfahren in der Grundausstattung. Sind noch Zeugen zu hören, werden Sachverständigen-Gutachten eingeholt oder sind Ortsbesichtigungen nötig, können die Kosten explodieren. Fein raus ist, wer dann eine Rechtsschutzversicherung hat, die eine Deckungszusage abgibt. „Doch selbst, wenn man sich keine Gedanken um die Kostenlast machen muss, sollten gerade bei Nachbarstreitigkeiten Prozesse möglichst vermieden werden", sagt der Berliner Rechtsanwalt Holger Eberlein. Grund: „Oft ist nach einer gerichtlichen Auseinandersetzung das Verhältnis so vergiftet, dass der nächste Zoff nicht lange auf sich warten lässt." Da nutzt dann die Rechtsschutzversicherung unter Umständen auch nichts mehr - wer den Eindruck eines Prozesshansels hinterlässt, fliegt raus.

„Schlichten ist besser als richten" lautet deshalb bei Nachbarschaftsstreitigkeiten ein beliebtes Motto: Für ein so genanntes Güte-Verfahren gibt es zwei Möglichkeiten: Man kann das Verfahren vor einem Prozess führen, mit dem Ziel, einen drohenden Prozess abzuwenden. Man kann es aber auch während eines Prozesses einschieben, um diesen zu beenden.

Um die Gerichte zu entlasten, ist am 1. Januar 2000 das „Gesetz zur Förderung der außergerichtlichen Streitbeilegung" in Kraft getreten. Die Bundesländer haben seitdem die Möglichkeit, in Landesgesetzen Hürden für den Gang zu Gericht zu schaffen. Das Ziel: Bagatellstreitigkeiten sollen möglichst außergerichtlich erledigt werden.

In Brandenburg Pflicht

Einige Bundesländer wie Brandenburg haben die „obligatorische außergerichtliche Streitschlichtung" inzwischen eingeführt. Bei Streitwerten bis 750 Euro und bei typischen Auseinandersetzungen von Nachbarn sowie Beleidigungen ist die Klage vor dem Amtsgericht erst dann zulässig, „nachdem von einer Gütestelle versucht worden ist, die Streitigkeit einvernehmlich beizulegen". Die Vorschriften enthalten allerdings wiederum eine Reihe von Ausnahmen, so etwa wenn zuvor ein Mahnbescheid beantragt wurde. In Berlin ist die außergerichtliche Streitbeilegung noch keine Pflicht geworden. Gleichwohl gibt es die Chance dazu, es freiwillig zu tun. Das ist einerseits möglich bei einer Berliner Schiedsfrau oder einem Schiedsmann ( http://www.schiedsstellen.de/b/ ). Adresse und Telefonnummer der zuständigen Schiedsperson sind beim Bezirksamt, der Polizeidirektion des Wohnbezirks oder beim Amtsgericht Tiergarten zu erfragen.

Schiedsleute können Streitigkeiten per Vergleich beenden und einen vollstreckbaren Titel ausstellen. Die Gebühr für das Schlichtungsverfahren beträgt zwischen 10,23 und 38,35 Euro. Ähnlich arbeiten so genannte Mediatoren, zumeist speziell geschulte Rechtsanwälte, die per individueller Honorarvereinbarung tätig werden.

Läuft bereits ein Prozess, kann noch immer eine Güteverhandlung dazwischen geschoben werden. Vergleiche sind Richtern am liebsten - sie brauchen dann über die häufig völlig verfahrenen Verfahren keine Urteile zu schreiben.

Andreas Kunze

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