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Wirtschaft: Erste Börsenkandidaten gehen an den Start

Die Hypo-Vereinsbank platziert Aktien ihrer Immobilientochter – Hexal und Grohe bereiten sich für 2004 vor

Berlin/München (mot/nad). In Deutschland wird im laufenden Jahr voraussichtlich nur ein einziges Unternehmen an die Börse gehen. Die HypoVereinsbank (HVB) kündigte am Dienstag an, sie werde am 6. Oktober Aktien ihres Immobilienfinanzierers Hypo Real Estate Holding platzieren. Zunächst sollen die Papiere nur den HVB-Aktionären zugeteilt werden. Mit diesem „unechten“ Börsengang verbinden Experten die Hoffnung, dass sich das brachliegende Geschäft mit Neuemissionen in Deutschland langsam wieder belebt. Einige Unternehmen haben mit den Vorbereitungen schon begonnen.

Im Vergleich zu ihren britischen und amerikanischen Kollegen halten sich die deutschen Vorstände mit ihren Börsenplänen allerdings noch auffallend zurück (siehe Grafik). Der Crash des Neuen Marktes und das zerrüttete Vertrauen der Anleger wirken noch nach. Das könnte sich ändern, wenn bis 2004 nicht nur die Aktienkurse, sondern auch die Konjunktur anziehen. „Der Aufschwung braucht viel Eigenkapital“, sagt Jobst Bartmer von der Landesbank Baden-Württemberg.

Für das laufende Jahr erwartet die HVB noch keinen echten Börsengang. 2004 könnten nach Ansicht von HVB-Emissionsexperten Carsten Vier aber mehrere Großunternehmen soweit sein. Zu den Favoriten zählte er die Pharmafirma Hexal, den Industriegase-Produzenten Messer Griesheim, den Armaturenhersteller Grohe und Cognis, die ehemalige Chemiesparte von Henkel.

Die Platzierung der Aktien von HVB Real Estate ist die erste in Deutschland seit knapp einem Jahr. Um ein klassisches IPO (siehe Lexikon, Seite 16) handelt es sich allerdings nicht. Die Aktien des Immobilien-Finanzierers können nicht von allen Anlegern gezeichnet werden, sondern werden den Altaktionären der HVB zugeteilt. Wie ein Sprecher bestätigte, erhalten die Anteilseigner für je vier HVB-Aktien einen Anteilsschein der neuen Gesellschaft. Nach dem „Spin-off“ steht es den Aktionären frei, ihre Titel zu verkaufen.

Die Abspaltung der Immobilien-Tochter rückwirkend zum Januar 2003 ist Teil des Sanierungskurses der HVB: Die Bank will ihre Kreditrisiken damit um 57 Milliarden Euro verringern und die Kernkapitalquote erhöhen, die derzeit nur bei 6,3 Prozent liegt. Als eine der aktivsten Banken im Neuemissionsgeschäft ist die HVB davon überzeugt, dass auch andere Unternehmen bald wieder den Gang an die Börse wagen werden. „Es gibt Zeichen, dass sich die Konjunktur langsam erholt“, sagte Carsten Vier, dem Tagesspiegel. „Das Klima hat sich deutlich verbessert“, sagt auch Jobst Bartmer. „Viele Unternehmen holen ihre Börsenpläne jetzt wieder aus der Schublade.“

Ermutigt werden sie von der kräftigen Erholung an den Börsen: Seit seinem Tief im März hat allein der Dax bis heute um 60 Prozent zugelegt. „Eine Dax-Marke von 3000 Punkten oder mehr ist ein unterstützender Faktor für das Emissionsgeschäft“, sagte HVB-Mann Vier.

Eine Hexal-Sprecherin bestätigt: „Wir haben Investmentbanken damit beauftragt, unseren Börsengang für 2004 zu prüfen.“ Ende dieses Jahres werde der Vorstand eine Entscheidung treffen. Der Grund für das IPO: Die geschäftsführenden Eigentümer Thomas Strüngmann und dessen Bruder Andreas wollen ein von der Familie unabhängiges Management im Unternehmen etablieren.

Auch Grohe, bis 1999 im M-Dax notiert, liebäugelt mit einem erneuten Börsengang. Treibende Kraft ist die Beteiligungsgesellschaft BC Partners, die 1999 mit 99,6 Prozent bei Grohe einstieg und das Unternehmen von der Börse nahm. „BC Partner ist nur unser mittelfristiger Lebensabschnittspartner“, sagt ein Sprecher. „Und dieser Abschnitt könnte im kommenden Jahr enden.“

Nicht vor Ende 2004 will die Postbank ihre Aktien an der Börse listen. „Wir haben mit verschiedenen Investmentbanken über unsere Kapitalmarktfähigkeit gesprochen“, sagt ein Sprecher. Post-Finanzchef Edgar Ernst hatte unlängst einen Zeitraum von 18 Monaten für ein Postbank-IPO genannt.

Die Börsenkandidaten erfüllen nach Carsten Viers Ansicht die Kriterien für einen erfolgreichen Börsengang: solide Größe, einen Umsatz von mehreren hundert Millionen Euro, finanzielle Solidität und gute Wachstumsperspektiven. Die Marktkapitalisierung sollte Vier zufolge bei mindestens 300 Millionen Euro liegen. Dass selbst diese Kandidaten noch mit ihrem IPO zögern, erklärt Jobst Bartmer auch mit der Sorge vor einer verpatzten Premiere: „Keiner will der Erste sein.“

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