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Wie die Schuljungs aus der letzten Reihe: David Schneider, Robert Gentz und Rubin Ritter sitzen aber längst in der ersten - und auf großer Bühne.

© Bernd von Jutrczenka / dpa

Update

Erste Hauptversammlung von Zalando: Bionade gibt's, Dividende nicht

Auf seiner ersten Hauptversammlung schafft Zalando den Spagat zwischen Start-up und Börsenunternehmen. Die Vorstände durchbrechen die traditionellen Abläufe ab und an, schlagen sich insgesamt aber gut. Leise Kritik gibt es trotzdem.

Von Maris Hubschmid

Zum Abschied gibt es für jeden eine Fusselbürste: für die Feinheiten. An denen kann auch das Zalando-Management durchaus noch arbeiten, meinen die Teilnehmer – ansonsten lief das aber schon recht glatt, auf der ersten Hauptversammlung des Unternehmens am Dienstag. „Ich bin ganz zufrieden“, sagt ein Aktionär, als er während der 15-minütigen Pause für den Flammkuchen mit getrockneten Tomaten und Rucola ansteht. „Mir scheint, die machen das hier ganz gut.“ Andere nicken zustimmend. „An einigen Stellen könnten sie vom Prinzip her vielleicht noch transparenter sein – praktisch habe ich ihnen aber nichts vorzuwerfen.“

Transparenter zum Beispiel bei den Geldern, die der Vorstand sich zugesteht, bemängelt Aktionärsvertreter Hans-Martin Buhlmann. Andererseits, schiebt er selber hinterher: Bei den ausgewiesenen 600 000 Euro im Jahr, verteilt auf drei Köpfe, „das ist für ein Unternehmen mit diesem Umsatz nicht viel. Da können sie sich nicht einmal eine Krawatte leisten.“ Gelächter im Saal, denn tatsächlich ist der einzige Mann auf dem Rednerpodest, der Schlips trägt, der Notar. Geht eben alles ein bisschen lockerer zu, in der Start-up-Welt, der Zalando freilich längst entwachsen ist, die es sich aber immer noch zu verkörpern bemüht.

Kommt der Aufstieg in den M-Dax?

2,2 Milliarden Euro Umsatz, ein Gewinn von 62 Millionen Euro – das ist die Bilanz, die die drei Geschäftsführer vorweisen können. Für 2015 erhöht der Vorstand seine Prognose nach einem starken ersten Quartal sogar: Das Wachstum werde am oberen Ende der angepeilten Spanne von 20 bis 25 Prozent liegen. Aus der Studentenbude, die Flip-Flops persönlich verpackt, ist ein Unternehmen mit 8300 Mitarbeitern geworden. Sechs Jahre haben die Freunde dafür gebraucht, der Börsengang kam im vergangenen Oktober, und es läuft so gut, dass Zalando am Mittwoch aus dem S-Dax der kleinen in den M-Dax der mittleren Werte aufsteigen könnte. Die mögliche Beförderung ist ein großes Thema auf der Veranstaltung. Für wie wahrscheinlich er das halte? „Alles sieht gut aus“, sagt Rubin Ritter, der die Finanzen verantwortet. Er wolle der Entscheidung der Prüfer aber nicht vorgreifen.

Aktionäre kaufen nicht bei Zalando

Für ihren ersten großen, offiziellen Auftritt haben die Zalando-Chefs das zeltartige Tempodrom in Berlin-Kreuzberg gemietet. So groß ist der Auftritt dann doch aber gar nicht, wenn man ins Publikum guckt: Vielleicht 130 Menschen sitzen da, vertreten werden dadurch aber stolze 90,89 Prozent des Grundkapitals. Kleinanleger hat Zalando verhältnismäßig wenige. Der Klientel – jung, bunt, lässig gestylt – entsprechen viele, aber keineswegs alle der Anwesenden. So mancher, das wird deutlich, hat aus reiner Neugierde investiert: „Diese Schrei-vor-Glück-Werbung kannte ich, und dann habe ich bei der Post immer die Pakete gesehen“, erzählt einer. „Da dachte ich: Guckst du dir das mal an.“ So kommt alsbald auch die Bitte, man möge das Geschäftsmodell doch noch mal genau erklären. Und wie geht das mit dem Shoppen über's Handy?

Die Chefs sitzen auf Holzkisten

Statt eines monotonen Vorstandsvortrags vom Blatt gibt es ein Video mit der zentralen Botschaft: „We never stop learning, because we never stop thinking“, was die Untertitel übersetzen mit: „Wir hören nie auf zu lernen, weil wir nie aufhören, neu zu denken.“ Es folgt ein Interview, bei dem die Chefs auf Holzkisten sitzen. Die Frage, deren Antwort David Schneider, Robert Gentz und Rubin Ritter mutmaßlich schon im Schlaf herunterbeten, nehmen sie lieber gleich vorweg: Retouren bleiben kostenlos, unterstreichen sie, die gehören zum Geschäftsmodell und bringen nicht nur zufriedene, „sondern auch treue Kunden“. Trotzdem wird die Frage noch mehrfach gestellt. Auch dank der eigenen Outlet-Stores, ergänzt Ritter da, betrage die Abverkaufsquote am Ende 90 Prozent.

Strategie-Vorstand Robert Gentz, dessen Aufgabe es ist, Zalando mit Ideen zu beflügeln, trinkt auf der Bühne Red Bull aus der Dose. Es gibt Bionade – aber keine Dividende. „Das schließen wir für die nahe Zukunft aus.“ Doch selbst die Aktionärsschützer zeigen dafür Verständnis. „Wachstum geht vor.“

Zalando bringt den Sneaker per Kurier

Etwas enttäuscht sind einige Gäste dann lediglich davon, was als Perspektive aufgezeigt wird. Der Kunde schickt ein Foto von „supercoolen Sneakern“, Zalando weiß, von welchem Hersteller die sind, welche andere Farben es gibt und vor allem: Von welchem Laden aus das Modell in der gewünschten Größe binnen 35 Minuten per Kurier zum Kunden geliefert werden kann. So weit die Vision des vollkommenen Kundenservices. Aber werden jetzt auch Fahrradkuriere eingestellt, und hackt Zalando die Daten sämtlicher Sportgeschäfte im Umfeld? „Da hätte ich doch gerne gewusst, wie sie das umsetzen wollen“, sagt ein Kleinaktionär.

Echte Kontroversen gibt es keine. Als die jungen Frauen mit den großen Zalando-Paketen durch die Reihen gehen, sammeln sie die Stimmkarten ein – und unliebsame Überraschungen bleiben aus. Vorstand und Aufsichtsrat werden entlastet, auch sonst fallen sämtliche Ergebnisse im Sinne der Unternehmensführung aus. Retourkutschen? Heute nicht.

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