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Wirtschaft: "Es gibt in Europa keine Trendsetter mehr"

Herr Mansson, Sie verkaufen Ihre Mode in zwölf europäischen Ländern.Ob Briten, Deutsche oder Französinnen, alle stehen bei Hennes & Mauritz vor denselben Kleidern.

Herr Mansson, Sie verkaufen Ihre Mode in zwölf europäischen Ländern.Ob Briten, Deutsche oder Französinnen, alle stehen bei Hennes & Mauritz vor denselben Kleidern.Hat H & M seine schwedische Identität aufgegeben?

Ganz und gar nicht.Es stimmt zwar, daß unsere Mitarbeiter immer internationaler werden, genau wie die Mode, die wir verkaufen.Aber H & M ist immer noch ein schwedisches Unternehmen, wenn auch mit internationaler Strategie.

Was ist denn schwedisch an H & M?

Skandinavisch an uns ist, daß wir immer weiter nach vorne wollen.Es gibt nichts, worauf wir uns ausruhen können.Das macht es für uns leichter, uns viel stärker als andere auf die Kunden zu konzentrieren.Wir analysieren deren Wünsche und reagieren dann sehr schnell und unkompliziert darauf.Wir sind als Schweden wahrscheinlich besser als andere in der Lage, rasch all das umzuwerfen, was wir eben noch für richtig hielten - wenn wir feststellen, daß unsere Kunden anderer Meinung sind.

Während die deutsche Modebranche über schlechte Geschäfte stöhnt, öffnet Hennes& Mauritz eine Filiale nach der anderen.Sind die Schweden bessere Unternehmer als die Deutschen?

Nein, das glaube ich nicht.Vielleicht denken wir Schweden nicht ganz so starr in Hierarchien, Titel spielen in unserer Geschichte keine große Rolle.Team-Arbeit schreiben wir bei H & M dagegen ganz groß.Ob sie General Manager sind oder nicht, was macht das schon? Wer eine gute Idee hat, kann sie bei uns einbringen, egal, ob er Designer ist oder Verkäufer in einem der Shops.

Wenn das der Schlüssel zum Erfolg ist: Brauchen wir überhaupt noch Designer und richtige Marken, wenn nur noch Uniformes eine Zukunft hat?

Nein.Aber die Leute sehen sehr viel genauer hin, was sie kaufen und vor allem für welchen Preis sie es kaufen.Und das nutzen wir: Wir bieten Mode und Qualität zum besten Preis.Warum soll man für Jeans ein paar hundert Mark ausgeben, wenn man die gleichen Hosen auch für viel weniger Geld bekommen kann.

Die Leute tun doch genau das, wenn sie Marken kaufen.

Wer zu uns kommt, will sich aktuelle Trends leisten können.Wir wollen Leute anziehen, die sich darüber freuen, am Monatsende noch so viel Geld übrig zu haben, daß sie sich Mode kaufen können.Und wir wollen den Leuten die Gelegenheit geben, die Sachen nach einer Saison auch mit gutem Gewissen weghängen zu können.

Wie schaffen Sie es denn, Ihre Ware so billig in die Läden zu bringen?

Wir produzieren nichts selber, sondern lassen alles nähen.Nur das Design kommt aus Stockholm.Gefertigt wird etwa je zur Hälfte in Asien und Europa, wo wir riesige Mengen einkaufen und damit die Fertigungskosten niedrig halten.Und: Bei uns gibt es keine Vermittler, die Provisionen bekommen.Wie gesagt, wir sind sehr schlank organisiert.

Wenn Sie Ihre Hosen und Blusen in großen Mengen kaufen, dann trägt man in Paris dasselbe wie in Bochum.Wird in Zukunft jede Individualität dem Trend geopfert?

Unter modischen Aspekten vielleicht.Aber das liegt nicht an uns.In den neunziger Jahren hat sich in Europa ganz klar ein einheitliches Modebild ausgeprägt.Sehen Sie, noch 1991 haben wir in all unseren Geschäften topaktuelle Mode verkauft.Nur in London, da waren wir mit der gleichen Ware immer etwas zu spät dran.Heute hat sich das völlig verändert.Bei all den internationalen Fernsehprogrammen und Magazinen schrumpft die Welt mehr und mehr zusammen.Die Leute ziehen sich heute in Stockholm genau so an wie in jeder Kleinstadt.Es gibt in Europa keine wirklichen Trendsetter mehr.

Was heißt das für die Branche?

Die Geschwindigkeit ist atemberaubend geworden.Sie müssen wahnsinnig schnell Trends erkennen, umsetzen und die Kleider dann umgehend in die Geschäfte bringen.

Und für die Mode? Welchen Wert haben Kollektionen noch, die früher eine ganze Saison lang aktuell waren?

Ich glaube, diese Art des Business wird es immer geben.Aber die Geschwindigkeit erhöht sich.Unsere Designer reisen das ganze Jahr durch Europa und spüren Trends auf.

Indem sie das bei den Designern abgucken und kopieren?

Nein, nur, daß unsere Designer dasselbe tun wie andere auch.Wir gehen in Cafés oder einfach auf die Straße und sehen uns um.Es geht darum, solche Trends sehr schnell in neue Ware umzuwandeln, und dann kaufen Sie sie schon ein paar Tage später überall bei H & M.Gewiß, auch wir haben unsere Saisonkollektionen.Aber schon jetzt gibt es keinen Tag, an dem Sie nicht mindestens ein neues Stück in unseren Geschäften finden.

Wenn es trendy ist, sich in immer kürzeren Abständen neu einzukleiden, muß niemand mehr auf Qualität achten.Die Trashmode kommt Billiganbietern wie H & M entgegen.

So einfach ist das nicht.Ich gebe zu, wir haben uns anfänglich stark auf die Preise konzentriert.Das hat sich geändert.Denn die Entscheidung am Regal ist subtiler.Die Leute wollen Basics, die sie lange tragen und mit Poppigem kombinieren.Qualität ist den Kunden vor allem bei den Basics wichtig.

Bei Hennes & Mauritz gehen die Nähte aber nach der zweiten Wäsche auf.Und so eng, wie die Ware im Regal gestapelt wird, muß alles knittern.

Das sehe ich anders.Unsere Verkäuferinnen sortieren seit einiger Zeit viel übersichtlicher.Und in der Qualität haben wir enorme Fortschritte gemacht.Wir kontrollieren jetzt bei den Herstellern noch genauer.Fast 100 unserer Leute tun nichts anderes als herumzufahren und die Fertigung zu überwachen.

Wollen Sie aus dem Billig-Image heraus?

Wir stehen zu unserer Preispolitik.Wie schon gesagt - gute Qualität und Mode ist nicht gleichbedeutend mit hohen Preisen.Was wir seit einiger Zeit tun, ist unsere Kollektionen viel stärker zu differenzieren.Unsere Kunden werden ja auch mal älter, verdienen mehr Geld, haben Kinder.

Das Prinzip IKEA?

Wir müssen die Bedürfnisse aller Kunden sehen.Wer sein Taschengeld bei uns ausgibt, soll genau so angezogen werden, wie jemand, der einen guten Wollpullover haben will.Ich gebe zu, diese Botschaft müssen wir noch stärker verbreiten.Aber gehen Sie mal in unsere neuen Geschäfte.Dort sieht es sehr viel klarer und aufgeräumter aus als in den älteren Filialen.

Gerade in der Berliner City haben Sie in letzter Zeit ein Geschäft nach dem anderen eröffnet.Ähnlich sieht es auch in anderen Großstädten aus.Wieviel H & M können die Deutschen denn noch vertragen?

Noch Einiges.Deutschland ist ein riesiges Land, das wir noch längst nicht abschließend entdeckt haben.Da ist noch viel Luft.

Warum scheuen Sie dann noch immer den Versandhandel?

Das tun wir ja gar nicht.In Skandinavien läuft das Geschäft seit einigen Jahren, jetzt haben wir damit in Dänemark begonnen.Unser Ziel ist aber, den Markt zu verstehen, in dem wir operieren.Nur so kann man Geld verdienen.Deshalb nehmen wir uns nur lohnende Projekte vor.Das trifft für die Läden im Kleinen zu, wo wir an günstigen Mieten in 1-A-Lagen interessiert sind.Und das betrifft auch neue Märkte.

Das klingt nicht so, als ob Sie in der Branche Trends setzen würden.

Wir wollen Geld verdienen, nicht überall die ersten sein.Mode ist sowieso ein sehr risikoreiches Geschäft, in dem man immer auf der Hut sein muß.Vor drei Jahren lagen wir mit einigen unserer Kollektion absolut daneben, das war schrecklich.Noch schlimmer ist allerdings, daß ich schon jetzt genau weiß, daß uns so etwas noch einmal passieren könnte.Deshalb müssen wir die Orte, an denen wir schon arbeiten, optimieren und nicht unnötige neue Risiken eingehen.

Ihre Mitbewerber aus Amerika sehen das anders und wagen den Schritt über den Teich.Wann bringen Sie H & M nach Amerika?

Ich denke, im nächsten Frühjahr oder Sommer.Doch ich will da nicht vorgreifen.In Europa sind wir sattelfest und können wachsen.Amerika ist ein ganz anderer Markt - sehr schwierig und wahrscheinlich noch schneller als Europa.Wir werden das in New York ausprobieren.

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