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Wirtschaft: "Es gibt keinen dritten Weg in der Wirtschaftspolitik"

CDU-Innovationsberater und Jenoptik-Chef Lothar Späth über Kanzler Kohl, Wettbewerbsfähigkeit und den Standort DeutschlandTAGESSPIEGEL: Herr Späth, Sie haben geschworen, nie wieder mit Helmut Kohl zusammen Politik zu machen.Nun machen Sie für ihn Wahlkampf.

CDU-Innovationsberater und Jenoptik-Chef Lothar Späth über Kanzler Kohl, Wettbewerbsfähigkeit und den Standort Deutschland

TAGESSPIEGEL: Herr Späth, Sie haben geschworen, nie wieder mit Helmut Kohl zusammen Politik zu machen.Nun machen Sie für ihn Wahlkampf.Warum?

SPÄTH: Ich habe das nie auf Helmut Kohl bezogen.Aber ich werde kein politisches Amt mehr übernehmen.Was mich bewogen hat, den Beraterkreis für Innovation zuübernehmen, ist, daß ich wirklich davon überzeugt bin, daß diese Regierung jetzt Reformansätze gefunden hat.Das geht mir zwar alles noch nicht schnell genug - aber bezogen auf die Rangierveranstaltungen der anderen ist die CDU inzwischen ein Schnellzug.

TAGESSPIEGEL: Also doch nur Wahlkampf?

SPÄTH:Natürlich ist es Wahlkampf.Helmut Kohl will das Signal geben, daß jetzt mit Innovation ernstgemacht wird.Und dazu beruft er einen, der nun wirklich kritisch mit ihm umgegangen ist.

TAGESSPIEGEL: Und der am Wochenende von großer Koalition gesprochen hat, obwohl Kohl sie ausschließt.

SPÄTH: Ich bin nicht als Koalitionsberater berufen worden und deshalb für die Koalitionsdiskussion nicht zuständig.Im übrigen habe ich mich klar dafür eingesetzt, daß die jetzige Regierungskoalition bestätigt wird.Sollte aber die gegenwärtige Koalition nach einer Wahl nicht mehrheitsfähig sein, wäre mir eine große Koalition unter der Führung der CDU noch wesentlich sympathischer als ein rotgrünes Experiment, vor dem es inzwischen selbst altgestandenen Sozialdemokraten graust.

TAGESSPIEGEL: Wenn Sie schon wieder so weit in die CDU-Aufgabenteilung integriert sind, meinen Sie es mit der Innovationsberatung wohl nicht so ernst?

SPÄTH: Ich halte die Frage, wie schnell wir Deutschland wettbewerbsfähig machen, für fundamental.Ich will dafür sorgen, daß die Politik stärker auf Impulse von außen reagiert.Man kann heute keine langfristigen Programme mehr machen, auch die Politik muß schnell und pragmatisch reagieren.Zum Beispiel die Auswirkungen der Asienkrise, oder jetzt Rußland: Das alles kan Konzepte von heute, wie man jenseits des Jahres 2000 wettbewerbsfähig sein kann, überholen.Alles muß viel schneller gehen.

TAGESSPIEGEL: Bisher ist die Bundesregierung mit ihren Sachverständigen nicht gerade pfleglich umgegangen.Wie wollen Sie den Input in die Politik schaffen?

SPÄTH: Es ist etwas anderes, ein Auftragsgutachten zu machen, es abzuliefern und nachhause zu gehen.Wir haben die politische Erfahrung und wir haben ein Dauermandat.Wir suchen uns unsere Themen selbst, das öffentliche Gewicht des Beirats wird dafür sorgen, daß unsere Voten nicht ungehört bleiben.Wichtig ist, daß an der Spitze einer steht, der politische Systeme versteht und die Härte hat, Spannungen auszuhalten.

TAGESSPIEGEL: Haben Ihnen die Erfahrungen als Unternehmer etwas gebracht?

SPÄTH: Klar.Die politische Welt ist eine andere als die wirtschaftliche.Darüber lügt man sich als Wirtschaftler gerne mal hinweg.In der Politik muß ich alle Meinungen so zusammenfügen, daß es ein mehrheitsfähiges Ergebnis gibt.Wenn es im Unternehmen keinen Konsens gibt, dann fliegen die Fetzen und am Ende fragt man: Du oder ich.

TAGESSPIEGEL: Wie lange geben Sie sich denn mit Kohl, bis diese Frage wieder auf der Tagesordnung ist?

SPÄTH: Ich habe mir eine Legislaturperiode vorgenommen.Ich kann mir sogar vorstellen, daß es gut geht.Helmut Kohl ist älter geworden und ich auch.Vielleicht hilft die Alterweisheit uns beiden, Deutschland fitter für die Zukunft zu machen.

TAGESSPIEGEL: Sind Sie so großzügig, weil Kohl Sie jetzt braucht?

SPÄTH: Ich bin nicht nachtragend.Es ist ja nicht so, daß Kohl mich damals aus heiterem Himmel hat fallen lassen.Ich hatte auch meinen Anteil daran.Wir hatten im persönlichen Umgang nie Probleme, wir hatten eine unterschiedliche Meinung über die richtige Politik.Und die Auseinandersetzung habe ich damals verloren.

TAGESSPIEGEL: Jürgen Rüttgers ist Zukunftsminister - und trotzdem hat der Plan, das Thema Zukunft und Innovation durch die CDU zu besetzen, bisher nicht geklappt.

SPÄTH: Jeder, der den Kabinettsweisungen unterliegt und ein Ressort hat, tut sich unglaublich schwer mit der Gestaltung von umfassenden Reformprozessen.Keine von den Reformen, die wir jetzt brauchen, sind einem einzigen Ressort zuzuordnen.Die Frage, wie die Sozialpolitik in Zukunft aussehen wird, ist die zur Zeit wichtigste Entscheidung für Deutschland.Die meisten wirtschaftspolitischen Entscheidungen zum Beispiel fallen also im Blüm-Ministerium.Und der Zukunftsminister hat auf diesem Gebiet überhaupt nichts zu sagen.Oder jetzt bei Rußland oder beim IWF: Da sind die Finanzminister und die Zentralbankpräsidenten die handelnden Personen.

TAGESSPIEGEL: Und wenn Sie merken, daß Ihren Rat nach den Wahlen keiner mehr hören will?

SPÄTH: Dann werden wir unsere Zeit nicht vergeuden.Das glaube ich aber nicht.Bisher ist es doch so, daß jeder Vorschlag in die Zukunft unverzüglich von Interessengruppen okkupiert wird.Wenn aber ein solcher unabhängiger Kreis sagt, wir stehen dahinter, kann er der Regierung den Rücken stärken.

TAGESSPIEGEL: Was sind die drei wichtigsten Themen?

SPÄTH: Wettbewerbsfähigkeit, Wettbewerbsfähigkeit, Wettbewerbsfähigkeit.Wir sind auf einem guten Weg: Aber wir müssen schneller und deutlicher werden.

TAGESSPIEGEL: Mit welchen Inhalten?

SPÄTH: Das Bildungssystem wird eine fundamentale Rolle spielen, die Entbürokratisierung, das Thema Arbeitsmarkt.Wir sehen doch jetzt schon, wie das Problem des teuren Standorts Deutschland von der Industrie gelöst wird: Wir bauen mit dreißig Prozent weniger Leuten zwanzig Prozent mehr Autos.Wir sehen, daß die D-Mark trotz Euro stark bleibt, wir sehen, daß die Inflation tot ist.Aber wir sehen auch, daß die Arbeitsbiographie älterer Arbeitnehmer nicht mehr zu den neuen Anforderungen paßt.Das werden entscheidende Probleme sein: Wie zum Beispiel ein unschädlicher zweiter Arbeitsmarkt organisiert werden kann.

TAGESSPIEGEL: Wie stehen Sie zum Kombilohn?

SPÄTH: Pragmatisch.Probiert es doch mal aus.Wieso weiß jeder, ob der Kombilohn gut oder schlecht ist, wenn es niemand probiert hat.Geht er schlecht, schaffen wir ihn wieder ab, funktioniert er, behalten wir ihn.

TAGESSPIEGEL: In Deutschland hat noch niemand eine Subvention wieder abgeschafft, die nicht funktioniert hat.

SPÄTH: Die Politik muß genau so ein lernendes System werden, wie es die Wirtschaft ist.Ich stelle doch auch nicht meinen ganzen Laden um, wenn ich feststelle, daß irgend etwas nicht funktioniert.Ich probiere Verbesserungen erst einmal in einem Betriebsteil aus.Machen sie die Sache wirklich effektiver, stelle ich den Laden um.Tun Sie es nicht, werden sie abgeschafft.

TAGESSPIEGEL: Sie sollten in Jena eine Insel der Beschäftigung schaffen und haben stattdessen eine Insel des Shareholder Value abgeliefert.Wo ist da moderne Unternehmenspolitik zu erkennen?

SPÄTH: Ist es moderne Unternehmenspolitik, eine Firma zu ruinieren? Wer glaubt, daß es zwischen sicheren Jobs und Profit für Aktionäre langfristig einen Unterschied gibt, vertut sich.Natürlich sind auch viele Christdemokraten enttäuscht, daß es keinen deutschen Weg in der Wirtschaft gibt.Aber es gibt ihn nicht.

TAGESSPIEGEL: Ist die Ostförderung überflüssig?

SPÄTH: Die allgemeine Förderung bringt uns nicht weiter.Wir brauchen Risikokapital, die Pflege des Mittelstandes, und alles, was in Innovation und Infrastruktur geht.Aber die allgemeine Förderung führt zunehmend zur Kannibalisierung derer, die aus der Förderung gefallen sind, durch die, die hochgefördert anfangen.

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