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Wirtschaft: EU-Gericht schützt Fiskus vor Milliardenloch

EuGH schränkt Steuergestaltung von Konzernen ein

Berlin - Firmen in der Europäischen Union dürfen Verluste von ausländischen Standorten mit Gewinnen im Inland verrechnen. Das hat am Dienstag der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg entschieden (Aktenzeichen: C-446/03). Das Gericht setzte den Unternehmen bei der Steuergestaltung aber enge Grenzen. Milliardenausfälle für den Fiskus, wie sie Finanzexperten befürchtet hatte, wird es nun nicht geben.

In dem Fall ging es um die Kaufhauskette Marks & Spencer, die ihre hohen Verluste bei der Expansion auf das europäische Festland von der Steuer absetzen wollte. Das britische Unternehmen hatte in den 90er Jahren versucht, in Belgien, Frankreich und Deutschland Fuß zu fassen, war aber 2001 gescheitert. Die so entstandenen Verluste in Höhe von 150 Millionen Euro wollte Marks & Spencer in Großbritannien steuerlich geltend machen, um seine Abgabenlast zu senken. Die britischen Steuergesetze schreiben aber vor, dass Tochter- und Muttergesellschaften eines Konzerns in einem Land sitzen müssen, damit die Gewinne und Verluste beider gegeneinander aufgerechnet werden können. Marks & Spencer sah darin einen Verstoß gegen die Rechte auf dem europäischen Binnenmarkt, vor allem gegen die Niederlassungsfreiheit. In Deutschland ist die Rechtslage ähnlich.

Das Urteil war von Unternehmen und Finanzpolitikern mit Spannung erwartet worden. Hätte der EuGH eine uneingeschränkte Verlustverrechnung über Grenzen hinweg zugelassen, wären allein beim deutschen Fiskus Steuerausfälle von bis zu 50 Milliarden Euro pro Jahr entstanden. Die größte Angst: Die Unternehmen könnten mit ihren schlagkräftigen Steuerabteilungen einen so genannten „Verlusteverkehr“ in Gang setzen: Rote Zahlen hätten die Firmen stets in das Land mit den höchsten Steuersätzen verschoben – auf diese Weise hätten sie am meisten gespart.

Laut EuGH ist eine solche Verschiebung nur möglich, wenn Verluste in dem Land, in dem sie entstanden sind, nicht mehr geltend gemacht werden können, weil zum Beispiel die Tochterfirma pleite gegangen ist. Zunächst einmal müssten Firmen aber versuchen, die Verluste dort zu verrechnen, wo sie angefallen sind. Die Regelungen seien in den einzelnen EU-Mitgliedstaaten aber noch sehr unterschiedlich, sagte Ute Suhrbier-Hahn, Steuerexpertin bei der Beratungsfirma Pricewaterhouse Coopers in Berlin.

Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) begrüßte das Urteil. Die Gefahr von Milliarden-Steuerausfällen sei abgewendet, die Auswirkungen für die Staatskasse aber noch nicht bezifferbar. „Der Fiskus ist mit zwei blauen Augen davon gekommen“, sagte Carsten Schmid, Steuerexperte beim Industrieverband BDI. Der EuGH nehme Rücksicht auf die angespannte Haushaltslage in vielen Ländern und habe ein Urteil gefällt, das sich stark auf den speziellen Fall von Marks & Spencer beziehe. „Für die Unternehmen ändert sich erst einmal nichts“, vermutete auch Alfons Kühn, Steuerfachmann beim Verband DIHK. Carsten Brönstrup

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