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Wirtschaft: EU nimmt sich Energiekonzerne vor

Wettbewerbskommissarin kündigt Kartellverfahren an – deutsche Branche fühlt sich nicht angesprochen

Berlin - Die EU-Kommission will entschieden gegen die verkrusteten europäischen Energiemärkte vorgehen. Wettbewerbskommissarin Neelie Kroes erklärte in Brüssel, sie werde in den kommenden Wochen und Monaten Kartellverfahren gegen mehrere Unternehmen einleiten. Der Vorwurf laute Abschottung der Gas- und Strommärkte sowie Missbrauch von Marktmacht. Namen von betroffenen Unternehmen nannte Kroes nicht. Falls die Kartellverfahren Erfolg haben, drohen den Gesellschaften aber hohe Bußen von bis zu zehn Prozent eines Jahresumsatzes. „Wir werden entschlossen handeln, um Störungen auf den Energiemärkten zu bekämpfen und den Verbrauchern zu helfen“, sagte Kroes.

Laut EU-Recht hätten die europäischen Energiemärkte schon seit Jahren liberalisiert sein müssen. Die schleppende Umsetzung in den Mitgliedstaaten hat das jedoch bis heute verhindert. Dies bestätigt nun auch ein Untersuchungsbericht, den Kroes am Donnerstag vorstellte. Grundlage der Studie war eine breit angelegte Befragung bei Energieerzeugern und -kunden.

Demnach hat sich an dem hohen Konzentrationsgrad in der Branche seit dem Beginn der Liberalisierung nichts geändert. Dadurch könnten „die etablierten Betreiber die Preise relativ ungehindert anheben“, heißt es in dem Bericht. Des Weiteren wird eine „mangelnde Wahlfreiheit für die Verbraucher“ konstatiert. Neuanbieter könnten auf den Gas- und Strommärkten nur schwer Fuß fassen – unter anderem deshalb, weil sich die etablierten Energieunternehmen mit langfristigen Lieferverträgen abschotteten. Auch hätten Newcomer keinen freien Zugang zum Leitungsnetz und zu Gasspeichern.

Als weitere Schwierigkeit benennt die Studie den grenzüberschreitenden Energieverkehr. „Ein Wettbewerb findet hier so gut wie nicht statt“, heißt es in dem Bericht. Neue Gasanbieter könnten oft keinen Zugang zu Rohrleitungen erhalten. „Diese Fehlentwicklungen werden wir beheben“, erklärte Kroes.

Darüber hinaus will die EU-Kommission weitere Probleme im Auge behalten, ohne jedoch wettbewerbsrechtlich dagegen vorzugehen. Dazu zähle die Preisbildung an den europäischen Strombörsen. In der Vergangenheit war unter anderem auch gegen die Leipziger Energiebörse EEX immer wieder der Vorwurf der Preismanipulation erhoben worden. Daneben will die EU auch die Koppelung des Gaspreises an den Ölpreis weiter beobachten; konkrete Gegenmaßnahmen sind jedoch nicht geplant.

In Deutschland wurden die Ankündigungen der Wettbewerbskommissarin unterschiedlich aufgenommen. Das Bundeskartellamt begrüßte das Vorgehen: „Auf europäischer Ebene gibt es tatsächlich noch große Defizite“, hieß es. „Wir sehen erhebliche Mängel, die beseitigt werden müssen, um einen echten europäischen Binnenmarkt für Energie zu schaffen.“

Deutlich zurückhaltender zeigten sich dagegen die Verbände der etablierten Energiewirtschaft. „Die Erhebung der EU hat Mitte 2005 stattgefunden“, sagte ein Sprecher des Bundesverbands der deutschen Gas- und Wasserwirtschaft (BGW). „Die Ergebnisse sind deshalb wenig aussagekräftig.“ Zwar sei Deutschland bei der Umsetzung der Liberalisierung „etwas spät dran“ gewesen. Heute sei man aber schon viel weiter als vor einem halben Jahr.

Das sieht man auch beim Verband der Elektrizitätswirtschaft (VDEW) so: „Der Bericht wird dem Prozess in Deutschland nicht gerecht“, sagte eine Sprecherin. Schließlich habe die Bundesnetzagentur ihre Arbeit als Regulierungsbehörde gerade erst aufgenommen. „Wenn die EU ihre Studie heute oder in einem halben Jahr durchführen würde, käme sie zu einem ganz anderen Ergebnis.“

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