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Wirtschaft: EU-Übernahmerichtlinie: Europa-Parlament stoppt Liberalisierung

Die geplante europaweite Liberalisierung der Regeln für die Übernahme von Firmen ist am Mittwoch im Europäischen Parlament knapp gescheitert. Im Straßburger Plenum erreichte der Kompromiss des Vermittlungsausschusses zur EU-Übernahmerichtlinie nicht die nötige Mehrheit.

Die geplante europaweite Liberalisierung der Regeln für die Übernahme von Firmen ist am Mittwoch im Europäischen Parlament knapp gescheitert. Im Straßburger Plenum erreichte der Kompromiss des Vermittlungsausschusses zur EU-Übernahmerichtlinie nicht die nötige Mehrheit. Damit ist der Weg frei für die von der Bundesregierung geplante nationale Gesetzgebung, die einen stärkeren Schutz gegen feindliche Übernahmen vorsieht.

"Ich bin zutiefst enttäuscht. Der heutige Beschluss hat zwölf Jahre Arbeit zunichte gemacht," erklärte EU-Kommissar Frits Bolkestein, der in Brüssel für den Binnenmarkt zuständig ist. Der Vermittlungsausschuss aus Vertretern des EU-Parlaments und des EU-Ministerrats hatte sich zwar Anfang Juni auf einen Kompromiss verständigt. Im Europaparlament in Straßburg kam am Mittwoch jedoch nicht die notwendige einfache Mehrheit dafür zustande. Bei der Kampfabstimmung, bei der die Fraktionen zum größten Teil gespalten waren, herrschte am Ende bei 22 Enthaltungen auf beiden Seiten Stimmengleichheit. Damit ist die in den vergangenen Monaten umstrittene Übernahmerichtlinie, um die zwölf Jahre lang gerungen wurde, auf absehbare Zeit hinfällig. In Straßburg nimmt man an, dass die Kommission frühestens im kommenden Jahr einen neuen Anlauf nehmen wird.

EU-Kommissar Bolkestein machte am Mittwoch deutlich, dass er zwar nicht den gleichen Richtlinienentwurf noch einmal vorlegen könne, andererseits aber an seinen liberalen Grundpositionen festhalten werde. "Ich denke nicht daran, meine Meinung zu ändern", sagte er nach der denkbar knappsten Abstimmungsniederlage im Europaparlament. Das nun notwendig gewordene neue Gesetzgebungsverfahren wird voraussichtlich mindestens zwei Jahre dauern.

Bundeskanzler Gerhard Schröder sagte in Berlin zu der Entscheidung: "Jetzt kann Deutschland machen, was ich immer vorgeschlagen habe, und Deutschland wird das so machen." Er wies darauf hin, dass der seinerzeitige Kompromiss für die Übernahmerichtlinie als Niederlage für ihn dargestellt worden sei. Nun überlasse er es den Journalisten, diese Darstellung nach der Ablehnung durch das Parlament neu zu bewerten. "Für die Überschriften sind Sie zuständig."

Börsianer zeigen kein Interesse

Der offensichtlich verärgerte EU-Binnenmarktkommissar kritisierte am Mittwoch mit deutlichen Worten das Verhalten der rot-grünen Bundesregierung und der deutschen Wirtschaft, die er für das Scheitern der Liberalisierung verantwortlich machte. "Es fällt mir schwer mitanzusehen, wie dem allgemeinen Interesse Europas durch bestimmte kleinere Interessen geschadet wird", sagte Bolkestein. Die Bundesregierung war nach jahrlangen Beratungen erst, nachdem sie schon dem Entwurf zugestimmt hatte, im Ministerrat umgefallen .

Sie kritisierte vor allem die in der EU-Richtlinie vorgesehene Neutralitätspflicht der Unternehmensvorstände. Die nun gescheiterte EU-Richtlinie sah vor, dass das Management eines Unternehmens, das von einer feindlichen Übernahme bedroht wird, von 2006 an erst dann Gegenmaßnahmen ergreifen darf, wenn es das Einverständnis der Anteilseigner eingeholt hat. Während der von 14 Mitgliedstaaten gebilligte Entwurf lediglich eine Information der Arbeitnehmer bei einer Übernahme vorschreibt, fordern die SPD-Europaabgeordneten eine engere Einbindung der Mitarbeiter über "Konsultationen".

Der parlamentarische Wortführer in Straßburg, der CDU-Abgeordnete Klaus-Heiner Lehne, hatte sich mit großer Energie für eine Ablehnung der umstrittenen EU-Übernahmerichtlinie eingesetzt. "Wir sind aber keineswegs gegen europaweite Regeln und eine EU-Übernahmerichtlinie", sagte Lehne. Eine europäische Regelung müsse jedoch überall für gleiche Verhältnisse sorgen. Deshalb müsse parallel zu einem neuen Anlauf auch die Reform des Gesellschaftsrechts angepackt werden. Damit spielte er auf die so genannten Goldenen Aktien in anderen EU-Staaten wie Frankreich an, die die nationalen Unternehmen vor feindlichen Übernahmen schützten. Deutschland sei demgegenüber benachteiligt. Der Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI), Michael Rogowski, erklärte: "Das Scheitern der Übernahmerichtlinie bietet die Chance, in Brüssel nach einheitlichen Rahmenbedingungen für das Übernahmerecht zu suchen." Die Ablehnung durch das Parlament sei konsequent, weil andernfalls eine Schieflage entstanden wäre, die deutsche Unternehmen benachteiligt hätte. An den Börsen nahm man fast keine Notiz von der Abstimmung in Straßburg. Die Schlacht um Vodafone/Mannesmann haben die meisten Händler jedoch positiv in Erinnerung. "Das hat die Kurse nach oben gebracht", hieß es an der Frankfurter Börse.

tog

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