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Wirtschaft: EU verdächtigt Italien der Schummelei

Rom soll die Lage der Staatsfinanzen geschönt haben – wie zuvor schon Griechenland. Die Schulden sind womöglich weitaus höher

Brüssel/Berlin - Nach Griechenland hat nun womöglich auch Italien Daten über seine Finanzlage geschönt und damit die Brüsseler EU-Kommission getäuscht. Die Behörde hege Zweifel an den italienischen Haushaltsdaten, hieß es beim Treffen der EU-Finanzminister am Dienstag in Brüssel. So habe Rom offenbar mehr neue Schulden aufgenommen als offiziell ausgewiesen. Derweil hat die Gemeinschaftswährung Euro ein Rekordhoch erreicht. Die Euro-Länder forderten wegen der Dollar-Schwäche in scharfer Form von den USA eine Wende in der Haushaltspolitik.

Laut Stabilitätspakt dürfen sich die Teilnehmerländer der Euro-Währungsunion pro Jahr nur in Höhe von drei Prozent ihrer Wirtschaftsleistung verschulden. Dies war neben anderen eine Bedingung, um 1999 in den Kreis der Euro-Länder aufgenommen zu werden. Vor kurzem war bekannt geworden, dass Griechenland zwischen 1997 und 2003 falsche Zahlen über die Finanzlage nach Brüssel gemeldet hatte. Hätte das Land die korrekten Daten geliefert, hätte es den Euro nicht einführen dürfen. Der EU-Statistikbehörde Eurostat waren die Falschmeldungen nicht aufgefallen. Die EU-Finanzminister beschlossen am Dienstag, wegen der manipulierten Angaben ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Athen einzuleiten.

Beim Fall Italien sei der offiziell mitgeteilte Etatfehlbetrag seit 1997 geringer als die tatsächliche Kreditsumme des Staates, heißt es in einem Bericht der EU-Kommission. Er zählt offene Fragen und Ungereimtheiten auf. Vor allem, weil die Barausleihung Italiens offenbar über Jahre den maximal erlaubten Defizitwert von drei Prozent überschritten hat. Den offiziellen Zahlen zufolge hätte die gesamte Staatsverschuldung eigentlich deutlicher sinken müssen als von Rom angegeben. Ohne Privatisierungserlöse wären die Schulden seit 2001 fast gar nicht abgebaut worden. Insgesamt liegen sie bei 106 Prozent des Bruttoinlandsproduktes – das ist ein Spitzenwert in der Euro-Gruppe.

Die Kommission sei „besorgt“ über die Statistiken, sagte eine Sprecherin von EU-Währungskommissar Joaquín Almunia. Korrekturen in einer Größenordnung wie bei Griechenland seien aber nicht zu erwarten. Der Rat der EU-Finanzminister befasst sich seit Juli mit Italiens Zahlen. Man erwarte in Kürze einen Bericht, den Roms Notenbank, Finanzministerium und Statistikamt ausarbeiten, hieß es.

Italiens Finanzminister Domenico Siniscalco gestand eine „Dynamik des Kassenflusses“ ein. Zugleich sprach aber von nur marginalen Differenzen mit Almunia. Der Kommissar schloss nicht aus, das er angesichts der Neuverschuldung von rund drei Prozent 2004 in Kürze über die Eröffnung eines Defizitverfahrens gegen Rom entscheiden wird. Er kritisierte zudem, dass Rom bislang nicht die Gegenfinanzierung der geplanten Steuerreform im Umfang von 6,5 Milliarden Euro sichergestellt habe. Bundesfinanzminister Hans Eichel (SPD) forderte eine intensive Prüfung der italienischen Finanzen. Es gebe offene Fragen. Für eine Bewertung sei es aber noch zu früh, weil noch nicht alle Fakten auf dem Tisch lägen.

Wirtschaftsforscher forderten eine lückenlose Aufklärung der Vorwürfe. „Es besteht die Gefahr, dass der Stabilitätspakt durch Falschmeldungen ausgehebelt wird“, sagte Gebhard Flaig, Konjunkturchef des Münchener Ifo-Instituts, dem Tagesspiegel. Wenn möglich, müssten solche Täuschungen mit Geldstrafen belegt werden. Sonst entstehe für andere EU-Länder der Anreiz, „Grauzonen auszunutzen“. Andreas Scheuerle von der Deka-Bank in Frankfurt am Main verlangte eine genauere Erhebung der Finanzdaten. „Deutschland und Frankreich haben dem Pakt bereits Schaden genug zugefügt – jeder weitere Angriff muss nun abgewehrt werden“, riet er.

Derweil hat der Euro am Dienstag erneut ein Rekordhoch im Vergleich zum Dollar erreicht. Zeitweise notierte er bei 1,3469 Dollar, gab dann aber etwas nach. Am späten Montag Abend hatten die Euro-Finanzminister gemeinsam ungewöhnlich deutlich erklärt, die jüngsten Wechselkursbewegungen seien „unwillkommen“ und „nicht förderlich für eine Anpassung externer Ungleichgewichte“. Alle großen Länder und Wirtschaftsräume sollten sich stärker dafür einsetzen, die „weltweiten Ungleichgewichte durch eine angemessene Wirtschaftspolitik zu verringern“, verlangten sie mit Blick auf die Haushalts- und Leistungsbilanzdefizite in den USA. Der starke Euro erschwert es den Unternehmen, ihre Waren im Dollarraum abzusetzen.

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