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Gut geklappt. EU-Chef Tusk, der italienische Ministerpräsident Renzi und Kommissionspräsident Juncker (von links) freuen sich in Brüssel über die Gipfelergebnisse.

© dpa

EU-Wachstumsprogramm: Ein „Kick“ für Europa

Die EU-Chefs haben sich auf ein Wachstumsprogramm geeinigt - auch deshalb, weil Angela Merkel eingelenkt hat. In der Frage eines deutschen Beitrags zeichnet sich ein Koalitionsstreit ab.

Von 2015 bis 2017 sollen in Europa mindestens 315 Milliarden Euro investiert werden, um der Wirtschaftskrise entgegenzuwirken. Die 28 EU-Staaten haben sich in der Nacht zu Freitag einstimmig hinter das von Kommissionschef Jean-Claude Juncker vorgeschlagene Investitionsprogramm gestellt. „Europa braucht einen Kick“, sagte Luxemburgs junger Ministerpräsident Xavier Bettel zum zentralen Punkt der europäischen Anti-Krisen-Strategie. „Wir haben die Richtung und den Zeitplan vorgegeben“, sagte der neue EU-Ratspräsident Donald Tusk. Im Juni soll der Fonds stehen, der mit öffentlichen Garantien von bisher 21 Milliarden vor allem private Kapitalgeber anlocken soll. Im Januar wird die EU dafür einen Gesetzesvorschlag unterbreiten.

Das Projektvolumen liegt schon bei 1,3 Billionen Euro

Es existiert bereits eine von den Mitgliedstaaten erstellte Liste möglicher Investitionsprojekte mit einem Gesamtwert von 1,3 Billionen Euro. Kanzlerin Angela Merkel setzte eine Klarstellung durch, dass der Fonds innerhalb der Europäischen Investitionsbank angesiedelt wird und deren Regeln auf die zur Auswahl stehenden Projekte angewendet werden. „Es soll nicht politisch entschieden werden“, sagte Merkel: „Die Projekte gehen jetzt alle durch den Check.“ Im Gegenzug akzeptierte Merkel, dass Finanzzusagen für den Fonds „nicht in Betracht gezogen“ werden sollen, wenn ein Land dadurch die maximal zulässige Neuverschuldung überschreitet.

Im Januar wird die EU-Kommission ein Papier vorlegen, wie sie den Stabilitäts- und Wachstumspakt auszulegen gedenkt. „Wir akzeptieren, dass die Kommission einen gewissen Ermessensspielraum hat“, sagte ein EU-Diplomat dieser Zeitung. Die Kanzlerin ließ im Gipfelkommuniqué nur klarstellen, dass sich mehr Flexibilität „innerhalb der geltenden Regeln“ abspielen muss.

Damit jedoch dürfte Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker auf Europas Sozialdemokraten zugehen können, die seit Jahren fordern, bei der Art der Neuverschuldung zu unterscheiden. So hatte Italiens Premier Matteo Renzi erst im Sommer gefordert, die Kosten für den Ausbau digitaler Breitbandnetze von der Schuldenberechnung auszunehmen. Österreichs SPÖ-Bundeskanzler Werner Faymann begrüßte ebenfalls die „Diskussionswende hin zu mehr Investitionen“. Der Fraktionschef der Sozialisten im Europaparlament, Gianni Pittella, sprach von einem „ersten Schritt in die richtige Richtung“, forderte aber bereits, dass auch nationale Kofinanzierungen für einzelne Projekte nicht in die Defizitberechnung einfließen sollen – was die Bundesregierung strikt ablehnt.

Ob die Deutschen sich beteiligen, ist offen

„Natürlich wollten die Italiener mehr, aber das ist schon ein gewisses Zugeständnis Merkels“, sagte ein belgischer Diplomat. „Es ist aber begrenzt, da die Investitionsfondsbeiträge nur dann nicht zählen, wenn sie der Auslöser für ein Defizitverfahren wären. Für Deutschland ist es der beste schlechte Kompromiss.“ Der CSU-Politiker Manfred Weber, Fraktionschef der Europäischen Volkspartei im Parlament, erwartet nun, „dass möglichst viele Mitgliedstaaten Geld bereitstellen. Damit würde der Fonds noch mehr Schlagkraft bekommen“. Frankreichs Staatschef François Hollande erklärte in Brüssel, sein Land werde sich beteiligen.

In der Frage eines deutschen Beitrags zeichnet sich ein Koalitionsstreit ab. „Der neue europäische Fonds steht womöglich auf schwachen Beinen, wenn er nicht durch die Mitgliedstaaten gestützt wird“, sagte der SPD-Finanzpolitiker Joachim Poß. „Deswegen sollte ernsthaft geprüft werden, auf welche Weise und in welcher Höhe eine Beteiligung sinnvoll ist.“ Aus der deutschen Gipfeldelegation war zu hören, eine Beteiligung sei unwahrscheinlich, da sonst die Erwartung geweckt werde, dass es zusätzliche Investitionsprojekte in Deutschland geben könnte. Adressat des Programms seien aber die Krisenländer.

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