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Wirtschaft: Euro-Countdown: noch 23 Wochen: Käufer fürchten versteckte Preiserhöhungen

"Der Countdown läuft - Der Euro kommt". Bis zum Jahreswechsel beleuchtet der Tagesspiegel jeweils am Sonnabend mit Berichten, Reportagen, Interviews und Standpunkten die verschiedenen Aspekte der Euro-Bargeldeinführung.

"Der Countdown läuft - Der Euro kommt". Bis zum Jahreswechsel beleuchtet der Tagesspiegel jeweils am Sonnabend mit Berichten, Reportagen, Interviews und Standpunkten die verschiedenen Aspekte der Euro-Bargeldeinführung.

Zum Thema Online Spezial: Der Euro-Countdown "Der Euro wird hart wie die Mark" - mit diesem Slogan versuchte einst Ex-Finanzminister Theo Waigel (CSU) die Gunst der Deutschen für die neue Währung zu gewinnen. Doch es hat alles nichts genutzt. Drei Prozent seines Wertes verliert der Euro derzeit pro Jahr, und bald könnte die Inflationsrate noch stärker steigen. Der Grund: Die Umstellung der Preise von D-Mark auf Euro nutzen viele Einzelhändler schon jetzt zu heimlichen Preiserhöhungen. Statt die bisherigen Werte einfach durch 1,95583, den Euro-Umrechnungskurs, zu teilen, runden viele Händler die Preise - nach oben. Dennoch beschwichtigen Notenbanker und Volkswirte: Die Inflation wird nicht nennenswert steigen, wenn das Euro-Bargeld zum Jahreswechsel kommt - dafür sorge der scharfe Wettbewerb im Einzelhandel.

Derzeit gibt es aber gegenteilige Indizien. Beispiel: Kostete ein Päckchen Butter bislang 1,99 Mark, lautet der neue Preis 1,02 Euro. Derart krumme Summen mögen die Einzelhändler aber nicht - sie verlangen lieber so genannte Schwellenpreise, welche die Waren billiger erscheinen lassen. Doch dass sie nur noch 0,99 Euro verlangen, ist unwahrscheinlich. Das bedeutete nämlich eine Preissenkung um drei Prozent - die aber ist bei den geringen Renditen der Supermärkte von unter einem Prozent kaum vorstellbar. Die Folge: Der Kaufmann erhöht auf 1,09 Euro - und schon ist die Preiserhöhung da, in diesem Fall um sieben Prozent.

Bereits jetzt scheinen viele Händler die willkommene Gelegenheit zu nutzen. Denn warten sie damit bis zum 1. Januar, sind sie gesetzlich verpflichtet, den exakten Euro-Umrechnungskurs zu verwenden. Außerdem kostet die Euro-Umstellung den Einzelhandel Schätzungen zufolge zwischen acht und zehn Milliarden Mark - diese Kosten versuchen die Händler natürlich an den Kunden weiter zu geben. Das Institut für angewandte Verbraucherforschung in Köln hat ermittelt, dass 1000 Artikel zwischen April und Juli im Schnitt um 4,4 Prozent teurer wurden. Bei mehr als acht von zehn bereits auf Euro umgestellten Produkten fanden die Marktforscher Verteuerungen, in der Spitze für eine Tafel Milka-Schokolade sogar bis zu 30 Prozent. Nur jeder siebte Artikel sei billiger geworden.

Doch nicht nur die Unternehmen langen zu, auch der Staat. So soll die Entfernungspauschale für Pendler demnächst umgerechnet nicht mehr 80, sondern nur noch 78 Pfennig betragen. Auch städtische Nahverkehrsunternehmen halten die Hand auf. Im thüringischen Sömmerda kostet eine Busfahrt ab 1. August gleich 5,4 Prozent mehr. Und die Hundesteuer im badischen Donaueschingen soll statt wie üblich um zehn nun um zwölf Mark steigen, um glatte Euro-Preise zu erreichen. Im Herbst 2002 hat die Stadtverwaltung freilich eine Senkung angekündigt.

Die Verbraucher halten natürlich wenig von Preiserhöhungen. Deshalb beschweren sie sich in großer Zahl bei den Verbraucherzentralen. "Die Verbraucher sind da sehr sensibel", berichtet Euro-Expertin Christina Näckel von der Käufer-Lobby in Nordrhein-Westfalen. Umfragen zufolge befürchten 76 Prozent Preiserhöhungen. Näckel kann jedoch nur empfehlen, die Preise im Auge zu behalten und gegebenenfalls zur Konkurrenz zu wechseln.

Auf diesen Wettbewerbsdruck verlässt sich auch der Hauptverband des Deutschen Einzelhandels (HDE). "Preiserhöhungen im großen Stil lassen sich wegen der harten Konkurrenz gar nicht durchsetzen", wiegelt Hubertus Pellengahr ab, der Sprecher des HDE. Unter dem Strich werde es keine Verteuerungen geben. Dazu hat sich der Einzelhandel auch selbst verpflichtet. Studien, welche bereits erfolgte Preiserhöhungen belegen, hält Pellengahr für "unseriös". "Um die Inflation zu messen, muss man hunderttausende Artikelpreise vergleichen. Das hat bislang niemand getan", sagt er. Ein Recht auf niedrige Preise haben die Verbraucher jedenfalls nicht. Zudem weiß niemand, ob ein Unternehmen mehr verlangt, weil der Euro kommt, oder weil die Kosten gestiegen sind.

Übermäßige Sorgen machen sich jedenfalls die Währungshüter über eine möglicherweise steigende Inflation nicht. Bundesbank-Präsident Ernst Welteke glaubt an sinkende Preise, weil die Händler ungerade Preise tendenziell abrunden würden. Und Währungs-Expertin Elke Heinle von der BHF-Bank in Frankfurt (Main) erwartet gar einen "Abrundungswettlauf", zumindest im Einzelhandel. Erhöhungen bei weniger transparenten Dienstleistungen, etwa beim Handwerk, hält sie schon eher für möglich.

Zum Glück springt der Staat den Währungshütern bei. Außer in Einzelfällen wie bei der Entfernungspauschale werde man Steuer-Freibeträge zu Gunsten des Bürgers abrunden, verspricht Finanzminister Hans Eichel (SPD). Am Ende will der Fiskus den Deutschen 350 Millionen Mark mehr in der Tasche belassen - dem Euro sei Dank.

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