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Wirtschaft: Euro: "Deutschland erreicht womöglich das Stabilitätsziel nicht"

Hans Tietmeyer (70) wirkte aktiv an der Gestaltung deutscher Wirtschafts-, Finanz- und Währungspolitik mit. Er begann seine Karriere 1962 als Referent im Wirtschaftsministerium unter Ludwig Ehrhard.

Hans Tietmeyer (70) wirkte aktiv an der Gestaltung deutscher Wirtschafts-, Finanz- und Währungspolitik mit. Er begann seine Karriere 1962 als Referent im Wirtschaftsministerium unter Ludwig Ehrhard. Unter Bundeskanzler Helmut Kohl wurde Tietmeyer Staatssekretär im Bundesfinanzministerium. Er gilt als Architekt der deutsch-deutschen Währungsunion. 1990 wechselte er zur Bundesbank, deren Präsident er von 1993 bis 1999 war. Heute ist er Kuratoriumsvorsitzender der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft.

Herr Tietmeyer, kein Volk außer den Briten ist in Europa derart skeptisch gegenüber der europäischen Gemeinschaftswährung wie die Deutschen. Warum zaudern wir so?

Viele Menschen in diesem Land haben mehrfach den Zusammenbruch einer Währung erleben müssen. Auf der anderen Seite hat sich die D-Mark in 50 Jahren zum Symbol für Wiederaufbau, Wohlstand und Freiheit entwickelt. Darum haben die Menschen aus der ehemaligen DDR 1989 auch nach der D-Mark gerufen.

In Ostdeutschland sind die Vorbehalte besonders groß. Verkörpert der Euro denn weniger Freiheit?

Ostdeutschland hat damals eine schwache, nur regional nutzbare Währung in eine leistungsfähige Währung eingetauscht. Das aufzugeben fällt nicht leicht.

Sie haben sich selbst einmal als jemand bezeichnet, der nicht nur Sonntagsreden auf den Euro hält. Wie leicht fällt Ihnen der Abschied von der Mark?

Ich verstehe den Abschiedsschmerz vieler Menschen. Aber nur der Blick nach vorne führt in die Zukunft.

Was gewinnen wir denn?

Die Währungsunion gibt es bereits drei Jahre. Seit drei Jahren ist der Euro als Buchgeld in mittlerweile zwölf Ländern der Europäischen Union akzeptiert. Und drei Jahre ist es zu keinerlei Währungsspannungen gekommen. Das ist schon ein ordentlicher Gewinn.

Welchen Nutzen hat der Einzelne?

Reisen wird einfacher. Die Umtauschkosten entfallen. Und, mit dem Euro kann man künftig im gesamten Euro-Gebiet einkaufen. Auch den Firmen entstehen natürlich deutlich niedrigere Kosten zur Absicherung von Wechselkursrisiken.

Profitieren wir auch vom schwachen Euro?

Höchstens kurzfristig. Für unsere Exportwirtschaft ist ein billiger Euro von Vorteil. Denn ausländische Handelspartner können Waren aus dem Euro-Raum günstig beziehen. Für die Importeure sieht die Rechnung schon anders aus. Sie müssen die Waren teurer einkaufen. Das absorbiert Nachfrage im Inland. Und die höheren Importpreise wirken auch an anderer Stelle preistreibend. Für die kommende Lohnrunde beispielsweise ist das Gift.

Die Importpreise sind doch zurzeit gar keine Gefahr. . . .

Zurzeit sind die Energiepreise wieder rückläufig, aber bis vor kurzem war das noch anders. Wir werden sehen, inwieweit sich die Preissteigerungsraten im Rahmen der kommenden Lohnrunden multiplizieren. In die Tarifforderungen sind sie schon eingegangen.

Ist der schwache Euro nicht ein willkommenes Konjunkturprogramm?

Das ist mir zu kurz gegriffen. Die Euro-Schwäche hat leider verhindert, dass der Euro international Reputation gewinnen konnte.

Wie wichtig ist das für uns Konsumenten?

Kurzfristig ist das für den Einzelnen nicht so entscheidend. Für den Ökonomen, der langfristig an Beschäftigung und Wohlstand der Menschen denkt, schon.

Wird der Euro so stabil wie die D-Mark?

Die Chancen stehen nicht schlecht. Das hängt zum einen von einer stabilitätsorientierten Geldpolitik ab. Zum anderen müssen Länder mit Wettbewerbsproblemen, wie Deutschland, das zu viel Arbeitslose hat und zu wenig Wachstumskraft, ihre Reformaufgaben erledigen.

Die Notenbank ist nicht allein für die Preisstabilität verantwortlich?

Nein. Letztlich sind alle die, die für Wettbewerb zuständig sind, auch für die Preisstabilität verantwortlich. Die Geldpolitik allein kann weder Wachstumsstärke noch ausreichende Beschäftigung gewährleisten.

Was bedeutet das für die Haushaltspolitik?

Die Finanzpolitiker müssen darauf achten, dass die Abgabenquote nicht stärker steigt.

Das tut der Bundesfinanzminister. . .

Ja, aber er hat seine Konsolidierungspolitik zu sehr auf Kosten der Ausgaben für Investitionen betrieben, anstatt konsumtive Ausgaben zu kürzen.

Wäre das besser für den Euro gewesen?

Effizientere Strukturen der deutschen Sozialversicherungssysteme würden der europäischen Gemeinschaftswährung nur nutzen.

Muss man Europa, wie der frühere Bundesfinanzminister Theo Waigel sagt, jetzt vor Deutschland schützen?

Waigel hat darauf aufmerksam gemacht, dass den Deutschen ein Blauer Brief aus Brüssel droht, weil die Defizitquote stärker steigt als erwartet. Die Gefahr wächst, dass Deutschland die Kriterien des Stabilitätspakts verletzt. Dabei waren es die Deutschen, die in Europa diesen Pakt erst durchgesetzt haben. Als größte europäische Volkswirtschaft trägt Deutschland eine besondere Verantwortung für den Euro. Und natürlich muss es sich an den Stabilitätspakt halten. Der ist verbindlich und gilt auch in kritischen Zeiten. Richtig ist aber auch, dass man nicht nur auf ein einzelnes Jahresergebniss schauen darf. Entscheidend ist der Trend.

Gibt es kein Zurück mehr?

Der Vertrag sieht keinen Rückzug vor. Selbst im Konfliktfall nicht. Wir sind gemeinsam zum Erfolg verpflichtet.

Herr Tietmeyer[kein Volk außer den Briten i]

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