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© dpa

Euro: Geld für die Welt

Seit acht Jahren zahlen die Europäer mit dem Euro. Beliebt ist er nicht – aber besser als sein Ruf.

Berlin - Geld ist nicht sinnlich. Und doch lag etwas Besonderes über diesem Moment, kurz nach 24 Uhr in der Nacht zum 1. Januar 2002. Im Vorraum einer Berliner Sparkassen-Filiale zog eine Gruppe junger Leute ihre ersten Euro-Scheine aus dem Geldautomaten. Was sie dabei dachten? In Sektlaune antwortete einer von ihnen, dass es doch toll sei, wenn sie demnächst nach Paris fahren und ihren Kaffee bezahlen können, ohne zuvor D-Mark in Franc getauscht zu haben.

Es ist nicht überliefert, was aus den Träumen der jungen Leute aus der Silvesternacht geworden ist. Die Geschichte des Euro aber ist bekannt: Erst kam die Teuro-Debatte, dann die Bewährungsprobe mitten in der Finanzkrise, zuletzt das horrende Staatsdefizit Griechenlands. Der Euro ist noch eine junge Währung, und er wird noch einige Bewährungsproben aushalten müssen.

Bei genauer Betrachtung hat der Euro seinen zehnten Geburtstag schon hinter sich. Bevor er mit der Bargeldeinführung für die Bürger greifbar wurde, existierte die Gemeinschaftswährung schon drei Jahre lang als Buchgeld.

Der Schritt zum Bargeld fand seinerzeit auch mitten in Berlin statt, in der Bundesdruckerei in Kreuzberg. Dort wurden binnen zweier Jahre 2,2 Milliarden neue Geldscheine gedruckt. Unter großem Zeitdruck, weil die Politik einen engen Terminplan für die Euro-Einführung aufgestellt hatte. Und das, obwohl der Euro ganz andere Merkmale hatte als die gute alte D-Mark und sich entsprechend anders anfühlte. „Das war eine echte Herausforderung“, sagt Martin Volksdorf, der sich damals wie heute bei der Bundesdruckerei um den Kunden Bundesbank kümmerte. Als die Produktion der Scheine Mitte 2001 auf vollen Touren lief, mussten zusätzliche Mitarbeiter eingestellt werden, erinnert sich der 43-Jährige. „Die Sechs-Tage-Woche war die Regel.“

Volksdorf hat miterlebt, wie schwer vielen Deutschen der Abschied von der D-Mark fiel. Als die Bundesdruckerei Anfang 2002 zerhäckselte D-Mark-Scheine ausgab, standen die Menschen Schlange, um ein Andenken an ihre alte Währung zu ergattern. Die Deutschen, sagt der Ingenieur, hätten eben einen „emotionalen Bezug zur D-Mark“ gehabt. Zum Euro nicht – aber das war nicht das einzige Manko. Auch der US-Ökonom und Nobelpreisträger Milton Friedman hatte wenig Vertrauen. „Euroland bricht in fünf bis 15 Jahren auseinander“, prophezeite er 2002.

Immerhin hat der Euro mitten in der Finanzkrise seinen ersten heftigen Sturm überstanden. Für kleine Länder wie Irland wirkte die Mitgliedschaft in der Euro-Zone wie ein Rettungsanker. Und auch in der Bevölkerung ist das Misstrauen verschwunden. „Für die meisten Deutschen ist der Euro ein Teil der Realität“, sagt Peter Bofinger, Mitglied im Rat der Wirtschaftsweisen und vor zehn Jahren einer der wenigen Euro-Befürworter seiner Zunft. Die Menschen dächten „nicht mehr groß“ über die neue Währung nach, sagt er. Allerdings zeigen Umfragen, dass die Zustimmung zum Euro hierzulande – wie in anderen Ländern auch – im Verlauf der Dekade nicht wesentlich gestiegen ist. Schuld dürfte nicht zuletzt die Wahrnehmung vieler Deutscher sein, dass der Euro Brötchen, Fleisch und Butter übermäßig verteuert habe.

Während sich aus der amtlichen Statistik seinerzeit keine überdurchschnittliche Inflation ablesen ließ, kam der Statistikprofessor Hans Wolfgang Brachinger zu dem Ergebnis, dass es die „gefühlte Inflation“ sehr wohl gab. „Die Teuro-Debatte war voll gerechtfertigt“, sagt der Direktor des Forschungszentrums für Wirtschaftsstatistik im schweizerischen Fribourg. Dass sich die Zeiten auch schnell ändern können, zeigt ein Blick auf den von Brachinger entwickelten Index der wahrgenommenen Inflation. Der weist für die letzten Monate eine gefühlte Inflationsrate aus, die unter der amtlich erhobenen lag. „Deshalb schimpft jetzt auch niemand“, erklärt Brachinger.

Mit der Euro-Einführung verband sich auch die Hoffnung, dass die Währung Europa politisch näher zusammenrücken lassen würde. Doch die Erwartung war zu hoch geschraubt. Gleichwohl streben nach wie vor viele EU-Staaten in den Euro-Raum. Die neuen Mitglieder in Ost- und Mitteleuropa, von denen bislang nur Slowenen und Slowaken den Euro als Zahlungsmittel haben, werden sich allerdings gedulden müssen. Die Wirtschaftskrise macht es für sie schwerer denn je, die Aufnahmekriterien bei Staatsverschuldung und Inflation zu erfüllen.

Anders als der IWF rechnet Bofinger nicht mit einer baldigen Einführung des Euro in den baltischen Staaten, die unter den Aspiranten ganz vorne stehen. Die Lage dort habe sich durch die Krise derart verschlechtert, dass sie Schwierigkeiten hätten, die Maastrichtkriterien zu erfüllen, findet er. Vorgeschrieben ist, dass die Neuverschuldung bei höchstens drei Prozent des Bruttoinlandsproduktes liegt. „Wenn man sich wirklich an die Kriterien hält, werden die baltischen Staaten lange brauchen, bis sie wieder unter die drei Prozent kommen“, glaubt der Ökonom.

Wohin es führt, wenn ein Land permanent gegen den Euro-Stabilitätspakt verstößt, zeigt das Beispiel Griechenlands. Das Land, das jahrelang falsche Zahlen über seine Finanzlage meldete und daher gar nicht der Eurozone hätte beitreten dürfen, musste kürzlich eine Rekordverschuldung von 300 Milliarden Euro einräumen. Prompt begannen die Spekulationen über einen Staatsbankrott. Möglicherweise werden die Märkte bald die Widerstandsfähigkeit weiterer Euro-Länder testen, etwa Italiens oder Irlands.

Taugt der Euro trotzdem als künftige Leitwährung für die Welt? Der Statistiker Brachinger will das nicht ausschließen für den Fall, dass der Dollar noch mehr an Wert verliert und China weitere seiner Greenback-Reserven auf den Markt wirft. Allerdings könne der Euro dem Dollar nicht über Nacht den Rang ablaufen. Das zeige die Historie: Im vergangenen Jahrhundert sollten auch mehrere Jahrzehnte vergehen, bevor der Dollar das britische Pfund als Leitwährung ablöste. Nach dem Zweiten Weltkrieg war es dann so weit.

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