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Mitnehmen, was geht. Aus Sorge um ihr Geld räumen viele Griechen ihre Konten leer.

© dpa

Euro-Krise: Athen geht das Geld aus

Die Griechen haben Angst. Sie plündern ihre Konten und zahlen keine Steuern – dem Staat fehlen Einnahmen.

Während die griechischen Politiker Wahlkampf machen, wird die Finanzlage des Landes immer prekärer. So lange ungewiss ist, ob nach der Wahl am 17. Juni eine handlungsfähige Regierung gebildet werden kann, die den Konsolidierungskurs fortsetzt, überweisen die EU und der Internationale Währungsfonds (IWF) keine weiteren Hilfskredite nach Athen. Aus Angst vor der Rückkehr zur Drachme plündern unterdessen viele Griechen ihre Bankkonten.

Es ist Flohmarkt im Athener Altstadtviertel Monastiraki am Fuß der Akropolis. Auch Markos hat in einer der Gassen sein Angebot auf einem großen Klapptisch ausgebreitet: ein schwarzes Bakelit-Telefon, Wecker und Wanduhren, eine alte Küchenwaage, eine ganze Schublade voll alter Münzen, und da: ein Zehntausenddrachmenschein. Die Banknote stammt aus den späten 90er Jahren, wirkt aber wie druckfrisch. „Eine Rarität“, sagt Markos stolz, „Sie sollten zugreifen.“

Eine Anspielung auf die möglicherweise bevorstehende Rückkehr zur Drachme? 50 Euro will der Händler für den Geldschein. Man könnte ihn vielleicht auf 40 runterhandeln. Aber auch dann wäre das kein gutes Geschäft. Als die Griechen am 1. Januar 2002 auf Euro- Bargeld umstellten, bekamen sie für einen Zehntausender gerade mal 29,35 Euro. Für einen Euro musste man damals 340,75 Drachmen zahlen. Aber wenn die Drachme zurückkehrt, da sind sich alle Fachleute einig, wird sie noch weniger wert sein. Manche Volkswirte erwarten einen Kurs von mindestens 500 Drachmen zum Euro, andere rechnen sogar mit 600. Kein Wunder, dass laut Meinungsumfragen acht von zehn Griechen am Euro festhalten möchten.

„Guten Morgen, ich möchte mein Geld“: täglich hören die Kundenberater der griechischen Banken diesen Satz. „Die Menschen sind in Angst“, sagt Giorgos Mitropoulos, Mitarbeiter einer großen griechischen Bank im Athener Stadtteil Pangrati. Allein am Montag nach der Parlamentswahl vom 6. Mai, die zu einem Patt im Parlament führte und Neuwahlen nötig machte, hoben die Griechen mehr als 800 Millionen Euro von ihren Konten ab. Am Dienstag darauf war der Andrang ebenso groß. Zwischenzeitlich beruhigte sich die Lage etwas. „Ich versuche, den Kunden zu erklären, dass sich die Situation noch verschlimmert, wenn jetzt alle ihr Geld abheben“, sagt Kundenberater Mitropoulos.

Für die griechischen Banken wird die Lage immer prekärer. Ohne die Liquiditätsnothilfen der griechischen Zentralbank, die sich mittlerweile auf rund 100 Milliarden Euro belaufen, wären die meisten Institute längst pleite. Seit Beginn der Schuldenkrise Ende 2009 sind die Einlagen von 237,5 Milliarden Euro auf rund 165 Milliarden zusammengeschmolzen. Wie die Athener Sonntagszeitung „Proto Thema“ unter Berufung auf Finanzkreise berichtet, sind allein in den drei Wochen nach der Wahl sieben bis acht Milliarden Euro ins Ausland geflossen. Die Gelder seien zur Hälfte nach London gegangen, je zu einem Fünftel nach Zypern und in die Schweiz. Die restlichen zehn Prozent flossen nach Luxemburg, Deutschland und Frankreich.

Aber viele Griechen horten auch Euro- Bargeld in ihren Wohnungen. Ein Indiz dafür ist, dass immer mehr 200- und 500-Euroscheine aus dem Zahlungsverkehr verschwinden. In Griechenland sind Banknoten im Wert von rund 40 Milliarden Euro im Umlauf. Davon sind nach Schätzungen aus der Finanzbranche zehn bis 15 Milliarden gebunkert. Dieses Geld ist dem Wirtschaftskreislauf entzogen. Die Liquiditätsklemme hat sich etwas entspannt, seit die vier größten Banken am Montag eine Kapitalspritze von 18 Milliarden Euro bekamen. Damit soll ein Teil der Verluste ausgeglichen werden, die den Instituten durch den Schuldenschnitt entstanden. Die Banken bekommen das Kapital in Form von Anleihen des europäischen Stabilitätsfonds EFSF. Diese Papiere können sie bei der EZB als Sicherheiten hinterlegen und sich so frische Liquidität leihen.

Aber das bringt den Geldhäusern nur eine Atempause. Denn zugleich verschärft sich die Finanzmisere des Staates. Immer mehr Griechen ignorieren einfach ihre Steuerbescheide, auch viele Geschäftsleute führen die Mehrwertsteuer nicht ab – teils weil sie das Geld nicht haben, teils weil sie hoffen, im allgemeinen Chaos damit durchzukommen. Nach Informationen aus Regierungskreisen lagen die Einnahmen des Fiskus im Mai um 25 Prozent unter dem Vorjahresniveau. Gewinnt die Wahl am 17. Juni der Radikallinke Alexis Tsipras, der den Sparpakt für „null und nichtig“ erklärt hat und den Schuldendienst einstellen will, droht dem Land binnen weniger Wochen die Insolvenz. Wenn keine weiteren Hilfsgelder fließen, wird der Staat im Juli keine Gehälter und Renten mehr zahlen können.

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