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Grund zum Lachen hatten diese Herren am Dienstag in Brüssel nur ausnahmsweise: Athens Finanzminister Evangelos Venizelos und EZB-Präsident Jean-Claude Trichet. Foto: Reuters

© REUTERS

Euro-Krise: Palavern bis zum Kollaps

Die EU-Finanzminister verwirren die Märkte – bei der Euro-Rettung gibt es plötzlich keine Tabus mehr

Berlin/Brüssel - Zwölf Jahre hat der Euro überlebt. Doch nun scheint sein Ende denkbar, der Traum von der Einigung des Kontinents mithilfe der Währung bald Geschichte. „Es ist gut möglich, dass es in der Euro-Zone zu Ausschlüssen kommt, beginnend mit den Nationen am Rande des Raums“, schrieb die japanische Bank Mitsubishi UFJ Securities am Dienstag. Dieses Szenario gelte es durchzuspielen. Auch die Credit Suisse malte die Zukunft in düsteren Farben – der Grund sei Italien, heißt es in einer Studie.

Derlei Defätismus war bislang ein Tabu für die Finanzprofis in aller Welt. Doch die ungewisse Zukunft und die wirre Politik der Euro-Länder lässt sie zweifeln, dass die EU die Probleme in den Griff bekommt. Die Finanzierung Griechenlands ist ungelöst, obwohl die Frage längst geklärt sein sollte. Nun kommen noch die Zweifel an Italien hinzu.

Schuld daran sind die Euro-Finanzminister. Auf ihrem Treffen schafften sie es bis zum frühen Dienstagmorgen nicht, sich auf ein neues Rettungspaket für Griechenland zu einigen – dabei wollten sie sich eigentlich schon bis Anfang Juli verständigt haben. Die Minister bekräftigten lediglich, dass private Gläubiger wie Banken einen Beitrag leisten, sprich auf Forderungen verzichten sollen. Unter dem Eindruck einer möglichen Ausweitung der Krise auf Italien ist laut Jean-Claude Juncker, dem Chef der Eurogruppe, ein „Anti-Ansteckungsprogramm“ geplant.

Das bedeutet zunächst niedrigere Zinsen und längere Laufzeiten für Länder wie Griechenland, die Notkredite erhalten. Gegenleistungen, wie sie die Schuldenländer bislang erbringen mussten, sind nicht nötig. Eine weitere Möglichkeit ist es, die Aufgaben des Rettungsschirms EFSF zu erweitern. Alle Optionen würden „vorbehaltlos“ geprüft, sagte Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU).

Diese Ankündigung hat es in sich. Denn sie schließt ein, dass bei Pleitekandidaten ein Schuldenschnitt möglich ist, der bislang als zu radikal und risikoreich galt. Oder dass der EFSF am Finanzmarkt Staatsschulden aufkauft. Bislang durfte er angeschlagenen Ländern nur direkt Staatsanleihen abkaufen, auf dem sogenannten Primärmarkt. Nun sollen die EU-Retter auch auf dem Sekundärmarkt tätig werden können – damit sie Banken und Versicherungen ihre Papiere abnehmen können.

Der Marktpreis etwa für griechische Anleihen liegt aber angesichts der schlechten Finanznoten schon lange unter dem Nennwert. Wenn nun der EFSF Anleihen zu einem günstigeren Preis übernimmt, müssen die Finanzhäuser Verluste verbuchen – sind also an der Griechenland-Rettung beteiligt. Der Steuerzahler bleibt aber auf dem Risiko sitzen, dass Athen doch eines Tages pleite geht – und den Kredit nicht zurückzahlt. „Es gab schon viele kleine Schritte Richtung Eurobonds“, hieß es im Umfeld von Euro-Chef Juncker. „Das hier ist ein weiterer.“ Alle Vorschläge würden geprüft, „vorbehaltlos“ und „tabulos“, bekannte auch Schäuble.

Das dürfte ihm allerdings Ärger mit dem Partner FDP einbringen – die hat auf gemeinsame Anleihen der europäischen Staaten gar keine Lust. Schäuble ist das egal. „Eine so intensive und ehrliche Debatte über die wirklichen Probleme haben wir bisher nicht geführt“, berichtete er. Er konnte sich als Gewinner fühlen – seine Idee der kontrollierten Pleite Griechenlands, die seit Wochen verworfen schien, könnte nun doch noch Realität werden.

Sympathie für eine radikale Lösung ließ auch Commerzbank-Chef Martin Blessing erkennen. Obwohl seine Bank so viel Geld an die Griechen verliehen hat wie keine andere deutsche Bank, forderte er eine harte Umschuldung. Öffentliche wie private Gläubiger sollten „auf Teile ihres Zins- und Rückzahlungsanspruchs" verzichten, schrieb er in der „FAZ“. Mit dem Vorstoß überraschte Blessing auch die eigene Branche, die bislang eine Umschuldung abgelehnt und vor einem Flächenbrand gewarnt hatte. „Die Ansteckung weiterer Länder ist auch ohne Umschuldung erfolgt“, befand Blessing nun.

Auch Lars Feld, Mitglied im Rat der Wirtschaftsweisen, sprach sich für diesen Weg aus. Eine sanfte Umschuldung reiche für Griechenland nicht, „das ist schon lange klar“, sagte er dem Tagesspiegel. Zumal die Gefahr bestehe, dass Irland oder Portugal eine sanfte Umschuldung für einen angenehmeren Weg halten als eine schmerzhafte Etatkonsolidierung. Feld brachte einen Schuldenschnitt um 50 Prozent ins Gespräch. Italien indes sei ein anderer Fall als Griechenland – die Wirtschaft sei stärker, das Potenzial höher. „Ich denke, mit Konsolidierung und Reformen kann das Land aus eigener Kraft den Weg zurück zur Stabilität finden.“ mit mirs

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