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Wirtschaft: Euro steigt auf Rekordhoch

Währung ist 1,1933 US-Dollar wert – Europäische Zentralbank und Währungsfonds wollen gegensteuern

Berlin (brö/fis/HB). Der Euro ist am Dienstag auf den höchsten Stand seiner Geschichte gestiegen. An den Finanzmärkten wurde Europas Einheitswährung zeitweise für 1,1933 USDollar gehandelt. Horst Köhler, Chef des Internationalen Währungsfonds IWF, forderte ein Eingreifen von Regierungen und Notenbanken im Falle eines weiteren Dollar-Verfalls. Die Europäische Zentralbank EZB signalisierte Bereitschaft, die Leitzinsen zu senken. Volkswirte sagten, die US-Regierung fördere die Kursentwicklung, um ihre binnenwirtschaftlichen Probleme zu lösen.

Seit seinem Start am 1. Januar 1999 war der Euro nicht so wertvoll wie am Dienstag. Damals hatte der Euro 1,1886 Dollar erreicht, war aber seither stets unter diesem Wert geblieben. Die EZB legte mit 1,1901 Dollar den bislang höchsten Referenzkurs fest. Der Euro hat damit seit dem Rekordtief vom Oktober 2000, als die Währung 0,8230 Dollar kostete, 45 Prozent gewonnen. Im späten New Yorker Handel notierte die Gemeinschaftswährung bei 1,1833 Dollar.

Experten halten ein Ansteigen über die Marke von 1,20 Dollar hinaus für möglich. „Kurzfristig könnte der Euro sogar 1,35 Dollar wert werden, weil die Devisenmärkte zu Übertreibungen neigen“, sagte Holger Schmieding, Europa-Chefvolkswirt der Bank of America, dem Tagesspiegel.

Die Kursentwicklung des Euro wird derzeit stark beachtet, weil sie die Wachstumsprobleme der deutschen Wirtschaft noch verstärken könnte. Die meisten Fachleute rechnen nicht damit, dass das Bruttoinlandsprodukt, also die Summe aller neuen Güter und Dienstleistungen, 2003 um mehr als 0,5 Prozent zunimmt. Als einziger Konjunktur-Lichtblick gilt die Exportwirtschaft. Die könnte aber durch den hohen Wechselkurs empfindliche Einbußen erleiden. Bereits in der Außenhandelsstatistik des März hatte der starke Euro Spuren hinterlassen.

Wirtschaftsforscher Schmieding machte für die Euro-Stärke auch Äußerungen von US-Finanzminister John Snow verantwortlich. Er hatte gesagt, ein schwacher Dollar sei gut für die Exporte der USA. „Washington will um jeden Preis vor der nächsten Präsidentschaftswahl 2004 die Wirtschaft stimulieren“, sagte Schmieding. Zudem sei der Regierung ein schwacher Dollar angesichts der Deflationsgefahren in Amerika sehr willkommen, weil er für steigende Einfuhrpreise sorge. Für Deutschland bedeute dies „die Gefahr, dass das Wirtschaftswachstum unter die Null-Linie absinkt und wir eine Rezession bekommen“. Auch Industriepräsident Michael Rogowski sieht „gravierende Probleme“ für deutsche Unternehmen. Zugleich trübte sich das weltweite Wirtschaftsklima ein. Einer Expertenumfrage des Ifo-Instituts zufolge war die Lage im April schlechter als im Januar. In Nordamerika und in Asien hätten sich die Stimmungswerte verschlechtert, in Europa seien sie unverändert gewesen.

Die Zentralbank lenkt ein

Die EZB reagierte auf die wachsende Angst vor einer Rezession und den möglichen Beginn einer Deflation, bei der die Preise über lange Zeit sinken. EZB-Vize Lucas Papademos sagte: „Deflation ist weit weniger wünschenswert als Inflationsraten über zwei Prozent. Die Geldpolitik wird angemessene Mittel anwenden, um sicherzustellen, dass diese Risiken sich nicht verwirklichen.“ Beobachter werteten dies als Signal, dass die EZB bei ihrer nächsten Sitzung am 5. Juni die Leitzinsen senkt. Dies fordern Politiker und Wirtschaftsexperten seit Monaten. Für Deutschland ist die Deflationsgefahr laut Papademos gleichwohl „vernachlässigbar“.

Horst Köhler, der Präsident des IWF, forderte derweil Maßnahmen gegen einen weiteren Anstieg des Euro. „Es gibt einen Punkt, bei dem eine weitere beschleunigte Abwertung des Dollars verlangt, dass sich einige Regierungen und Notenbanken zusammensetzen“, sagte Köhler dem „Handelsblatt“. Ab welcher Marke er diesen Punkt erreicht sieht, wollte er aber nicht sagen.

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