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Die Finanzkrise hat Vermögende eher noch reicher gemacht.

© dpa

Euro-Zone kommt nicht aus der Rezession: Große Vermögen schaden der Volkswirtschaft

Wie soll die Wirtschaft in Gang kommen, wenn immer größere Vermögen angehäuft werden? Die Deutschen machen es im Kleinen vor - sie sparen trotz Niedrigzinsen. Und auch die wirklich Reichen halten ihr Geld lieber zusammen, statt es sinnvoll zu investieren. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Fabian Leber

Auf der Webseite der Sparkassen stand am Donnerstag der Appell: „Am 30. Oktober ist Weltspartag!“ Keine Ahnung, wie viele Menschen ihre Sparschweine in die Filialen brachten, mit dem Hammer draufschlugen und dafür eine „kleine Überraschung“ bekamen. Den Weltspartag gibt es seit fast 100 Jahren. Doch wohl noch nie wirkte die Aufforderung, mehr Geld auf die hohe Kante legen, so aus der Zeit gefallen.

Es mag Zufall sein oder ein Marketinggag: Einen Tag zuvor hatte die „Deutsche Skatbank“ verkündet, dass sie von Kunden, die dort größere Summen parken, einen Strafzins von 0,25 Prozent verlangen wird. Die „Skatbank“ gibt es wirklich. Sie ist der Ableger einer Volksbank in der thüringischen Stadt Altenburg. Andere Banken und Sparkassen empörten sich prompt über einen „Tabubruch“ in Deutschland. Sie fürchten vielleicht, dass die Menschen ihr Geld bald lieber unter dem Kopfkissen verstecken, als es auf die Bank zu tragen. Dabei hatte die „Skatbank“ nur darauf reagiert, dass die Europäische Zentralbank inzwischen ebenfalls Strafzinsen verlangt – von Banken, die ihrerseits Geld bei ihr parken.

Sparen für die Illusion, dass es immer so bleibt, wie es ist

Dass die Deutschen in Zukunft weniger sparen, ist trotzdem kaum wahrscheinlich. Vor einigen Tagen hatte eine Studie ermittelt, dass selbst Menschen im hohen Alter nicht bereit dazu sind, an ihr Erspartes zu gehen. Eher werde eine teure Reise nicht gebucht, als dafür das Vermögen anzugreifen, heißt es in der Untersuchung des Deutschen Instituts für Altersvorsorge, das von der Deutschen Bank getragen wird: „Das Angreifen von Vermögen wird so lange wie möglich vermieden, um die Illusion aufrechtzuerhalten, dass alles, auch der eigene (Gesundheits-)Zustand, so bleibt, wie es ist.“ Individuell betrachtet, mag diszipliniertes Sparen ja auch sinnvoll sein. Volkswirtschaftlich kann das schon ganz anders aussehen. Denn wenn zu viel gespart wird, dann leidet auch die wirtschaftliche Dynamik. Der amerikanische Ökonom Alvin Hansen hat dafür in den 30er Jahren den Begriff der „säkularen Stagnation“ geprägt. Gemeint ist damit eine Situation, in der langfristig zu wenig investiert wird.

Besonders anfällig dafür sind Gesellschaften, die schrumpfen. Nicht nur, weil Menschen Angst vor dem Alter haben (und einer möglichen Pflegebedürftigkeit), sondern auch, weil die Wirtschaft generell von einem sinkenden Bedarf nach Gütern und Dienstleistungen ausgeht.

Das Problem fällt inzwischen sogar Spitzenbankern auf

Es gibt aber auch noch einen zweiten Grund, weshalb Volkswirtschaften erstarren können. Dieser Punkt wird in der europäischen Diskussion erstaunlich wenig beachtet, die sich doch fast immer nur um schwäbische Hausfrauen und uneinsichtige Südländer dreht: Für die Wirtschaft insgesamt kann es schädlich sein, wenn Vermögen besonders ungleich verteilt sind. Denn Menschen mit sehr großen Vermögen sind generell weniger geneigt, einen größeren Teil ihres Geldes in den Konsum zu stecken. Sie haben ja auch (fast) alles und sparen deshalb mehr als Ärmere. Dieses Problem ist inzwischen sogar hochrangigen Bankmanagern aufgefallen, die gerade nicht im Verdacht stehen, mit Sahra Wagenknecht zu sympathisieren.

Um Gerechtigkeit und Neid geht es hier auch nicht. Sondern schlicht darum, eine Volkswirtschaft lebendig zu halten. Die Bank „Credit Suisse“ zum Beispiel analysiert in ihrem aktuellen Weltwohlstandsbericht, dass in der Geschichte die Anfälligkeit für Rezessionen stets dann zugenommen habe, wenn im Vorfeld die Ungleichheit bei den Vermögen gestiegen sei.

Natürlich – und das wäre ein Einwand gegen diese Theorie – können Superreiche ihr Geld, das sie nicht selbst verbrauchen, auch in neue Geschäfte investieren und die Entwicklung interessanter Ideen. Das hat in der Vergangenheit auch dafür gesorgt, dass Arbeitsplätze für Normalverdiener entstanden.

Dort aber, wo heute Neues entsteht, in der Digitalbranche vor allem, wird inzwischen viel weniger Kapital benötigt, als man es noch in den alten Industrien brauchte. Firmen wie Facebook oder Google zum Beispiel sitzen selbst auf hohen Cash-Beständen, sie benötigen keine schwerreichen Investoren – und beschäftigen trotz ihrer weltweiten Bedeutung allenfalls ein paar zehntausend Mitarbeiter.

Vielleicht verstellt der Blick auf jede einzelne Krise ja inzwischen den Blick für das große Ganze – und auch die Deutschen werden irgendwann einsehen müssen, dass Sparen nur dann funktioniert, wenn es für Erspartes auch eine Nachfrage gibt.

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