zum Hauptinhalt

Euronext-Übernahme: Katerstimmung bei der Deutschen Börse

Der Traum von der europäischen Superbörse ist geplatzt. Die Deutsche Börse hat ihr vergebliches Werben um die Vierländerbörse Euronext nach neun Monaten beendet.

Frankfurt/Main - "Der Vorstand hat die Reißleine gezogen", sagt Börsenchef Reto Francioni. Man müsse erkennen, "wann etwas keinen Sinn mehr macht". Damit gesteht sich auch der bedächtig daherkommende Schweizer ein, was längst die Spatzen von den Dächern pfeifen: Außerhalb Deutschlands konnte sich niemand so recht für die Avancen der Frankfurter erwärmen. Lippenbekenntnisse für eine europäische Lösung gab es genug. Aber letztlich waren die ertragsstarken Deutschen nirgendwo erwünscht - aus Angst, neben ihnen immer nur der Juniorpartner zu sein.

Aus Furcht vor den übermächtigen Deutschen warf sich Francionis französisches Pendant, Euronext-Chef Jean-François Théodore, lieber der amerikanischen Wall Street an den Hals. An der Londoner Börse - selbst einst von den Deutschen heftig umworben - hält die US-Technologiebörse Nasdaq mittlerweile ein Viertel der Aktien. Vergangene Woche platzten auch noch die Gespräche mit der Verbündeten aus Mailand, der Borsa Italiana. Die soll angeblich die Fühler in Richtung Paris ausgestreckt haben. Die einst verschlafene Branche gleicht einem großen Heiratsmarkt, auf dem jeder um jeden buhlt.

Nur die Deutschen, die mit ihrer Offerte an die Londoner Börse schon vor sechs Jahren den Anstoß gaben, sind noch immer allein. Und das in einer Branche, in der über kurz oder lang vor allem Größe zählt. Unternehmen zieht es bei ihrer Börsenzulassung eher zu den großen Handelsplätzen, damit ihre Aktie mit wenig Aufwand möglichst überall gehandelt werden kann. Branchenriesen können ihren Kunden durch mehr Handelsvolumen zudem niedrigere Preise anbieten.

Am Ende Widerstand im eigenen Aufsichtsrat

Einen zweistelligen Millionenbetrag hat die Brautschau bisher gekostet. "Das war es wert", sagt Francioni. Doch das sture Werben um die Euronext, dem der Schweizer zuletzt fast alles untergeordnet hatte, stieß am Ende selbst im eigenen Aufsichtsrat auf Widerstand. "Die beabsichtigte Fusion bringt Nachteile für die Deutsche Börse, deren Beschäftigte und den Finanzplatz Frankfurt", appellierte die Arbeitnehmerseite an den Börsenchef. Die immer dickeren Köder, die der 51-jährige Jurist der Euronext hinwarf - mehr Geld, den Firmensitz, den Chefposten - ließen sogar die Politik aufschrecken.

Angesichts des Widerstands aus Paris forderten viele in Frankfurt längst einen Plan B. Doch wenn man um Zuneigung wirbt, sagt der Diplomat Francioni, sei es nicht gut, allzu sehr durchblicken zu lassen, dass man noch andere Optionen verfolgt. Nun ist das Werben vorbei. Doch einen Plan B lässt Francioni immer noch vermissen.

Schweizer Börse als kleine Lösung

Ohne die Betreiberin der Handelsplätze Paris, Amsterdam, Brüssel und Lissabon bleiben nur noch wenige Fusionspartner in Europa übrig. Neben dem Schwergewicht Euronext sind die Schweizer Börse, Madrid oder Mailand eher kleine Lichter. Francioni, einst Chef der Schweizer Börse und Landsmann, fühlt sich vor allem den Eidgenossen zugeneigt, mit denen er bereits kooperiert. Daraus könne mehr werden, sagt der 51-Jährige. "Die Schweiz ist ein natürlicher Partner." Der große Wurf wäre das freilich nicht.

Am Finanzplatz in Frankfurt schauen einige daher in Richtung Osten. Schließlich lägen dort die Wachstumsmärkte, heißt es. Auch Francioni hat Mitteleuropa und Asien auf dem Radar. Vor gut zwei Wochen hat er bereits mit den Chinesen angebandelt und hofft auf Börsengänge von Unternehmen aus dem Reich der Mitte. (Von Katharina Becker, ddp)

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false