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Update

Europäische Zentralbank (EZB): Mario Draghi weist Kritik aus Deutschland zurück

EZB-Chef Mario Draghi hat sich gegen Kritik aus Deutschland verwahrt. Die EZB belässt derweil die Leitzinsen unverändert bei dem Rekordtief von 0,0 Prozent.

Von Andreas Oswald

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EZB-Präsident Mario Draghi hat sich gegen teils harsche Kritik aus Deutschland an der Geldpolitik der Europäischen Zentralbank verwahrt. „Wir haben den Auftrag, Preisstabilität für die gesamte Eurozone zu wahren, nicht nur für Deutschland“, sagte Draghi am Donnerstag in Frankfurt. „Dieses Mandat ist in den europäischen Verträgen festgelegt. Wir befolgen europäisches Recht, wir sind unabhängig.“

Unionspolitiker hatten in den vergangenen Wochen den Druck auf die EZB erhöht und der Notenbank vorgeworfen, sie enteigne mit ihrer ultralockeren Geldpolitik die Sparer in Deutschland. Draghi betonte, alle Mitglieder des EZB-Rates seien sich einig, dass die Unabhängigkeit der Notenbank verteidigt werden müsse und dass die gegenwärtige Geldpolitik angemessen sei, um die EZB-Ziele zu erreichen.

Die Europäische Zentralbank (EZB) hat ihre Leitzinsen erwartungsgemäß nicht verändert und damit die zuletzt kritisierte lockere Geldpolitik nicht weiter verschärft. Der Schlüsselsatz für die Versorgung der Banken mit Notenbankgeld bleibt bei 0,0 Prozent, wie die Euro-Wächter am Donnerstag in Frankfurt mitteilten. Die EZB hatte ihn im März auf dieses Rekordtief gesenkt. Der Strafzins für Geld, das Finanzinstitute über Nacht bei der EZB parken, beträgt weiterhin 0,4 Prozent.

Allerdings will die EZB ab Juni Firmenanleihen kaufen und damit der mauen Wirtschaft zusätzlichen Schub verleihen. Das kündigte EZB-Präsident Mario Draghi laut Reuters am Donnerstag nach der Ratssitzung in Frankfurt vor der Presse an. Die EZB will nach früheren Angaben Bonds von Unternehmen außerhalb des Bankensektors erwerben. Die Experten der Commerzbank rechnen mit einem monatlichen Volumen von rund drei Milliarden Euro. Das Anleihen-Kaufprogramm der EZB ist inzwischen auf insgesamt 1,74 Billionen Euro angelegt. Die Währungshüter wollen damit der Konjunktur im Währungsraum auf die Sprünge helfen und die aus ihrer Sicht viel zu niedrige Inflation nach oben treiben. Banken sollen aus dem Anleihenmarkt verdrängt werden und Gelder lieber als Kredite an die Wirtschaft geben.

Die Europäische Zentralbank (EZB) wird bei ihren Käufen von Firmenanleihen auch Papiere von Versicherern erwerben. EZB-Chef Mario Draghi sagte laut Reuters am Donnerstag nach der Ratssitzung in Frankfurt, die Bonds müssten allerdings eine gewisse Bonität aufweisen. Insbesondere Lebensversicherer klagen derzeit über die Nullzinspolitik der EZB. Sie haben Probleme, die ihren Kunden zugesagten Renditeversprechen einzulösen. Die EZB will ab Juni auch Bonds von Unternehmen außerhalb des Bankensektors erwerben. Draghi sagte, es sollten Papiere mit einer Laufzeit von bis zu 30 Jahren gekauft werden. Als Obergrenze für die Käufe nannte er 70 Prozent des Emissionsvolumens. Diese Geschäfte sollen mit dazu beitragen, dass die EZB bei ihren Anleihenkäufen ein monatliches Volumen von 80 Milliarden Euro erreicht.

Das gesamte Wertpapier-Kaufprogramm der EZB ist inzwischen auf 1,74 Billionen Euro angelegt. Die Währungshüter wollen damit der Konjunktur im Währungsraum auf die Sprünge helfen und die aus ihrer Sicht viel zu niedrige Inflation nach oben treiben. Banken sollen aus dem Anleihenmarkt verdrängt werden und Gelder lieber als Kredite an die Wirtschaft geben.

Beobachter hatten nicht mit einer Änderung der Geldpolitik bei der Ratssitzung am Donnerstag gerechnet. Denn erst im März hatten die Währungshüter ihren Kurs im Kampf gegen Mini-Inflation und Konjunkturschwäche massiv verschärft:

Sie senkten den Leitzins im Euroraum auf null Prozent. Das vor allem in Deutschland umstrittene milliardenschwere Programm zum Kauf von Staatsanleihen und anderen Wertpapieren wurde ausgeweitet. Die Notenbank kauft seit April Papiere im Volumen von 80 Milliarden Euro monatlich, zuvor waren es 60 Milliarden Euro. Das Programm läuft bis mindestens März 2017. Zugleich brummte die EZB Banken höhere Strafzinsen auf. Außerdem gibt es ab Sommer neue billige Langfristkredite für Geldhäuser.

Frage nach dem "Helikoptergeld"

Mit diesem bisher einmaligen Maßnahmenbündel will die EZB die Kreditvergabe im Euroraum ankurbeln und so Konjunktur und Inflation anschieben. EZB-Präsident Mario Draghi hatte betont, die Notenbank habe damit ihr Pulver noch nicht verschossen. Die Tür für weitere Maßnahmen - einschließlich Zinssenkungen - dürfte offen und „Helikoptergeld“ ein Thema bleiben, erklärten Experten der Bayerischen Landesbank gegenüber der dpa.

Draghi hatte „Helikoptergeld“ - zielgenaue Finanzspritzen an Unternehmen und Verbraucher direkt von der Zentralbank unter Umgehung des normalen Bankensektors - im März auf Nachfrage als „sehr interessantes Konzept“ bezeichnet.

Am Donnerstag sagte Draghi zum Thema "Helikoptergeld": "Wir haben niemals darüber diskutiert." Das Thema sei sehr komplex, da es rechtlich und operativ schwierig umsetzbar sei.

Helikoptergeld gilt unter Ökonomen als letztes Mittel der Geldpolitik, wenn alle anderen Instrumente zum Ankurbeln von Wachstum und Inflation ausgereizt sind.
"Die EZB hält das Instrument in der Hinterhand. Wir glauben nicht, dass es kommen wird", sagte BayernLB-Ökonom Johannes Mayr gegenüber Reuters. "Die EZB will aber die Diskussion als Instrument nutzen, um Zweifeln an weiteren Lockerungsmöglichkeiten der Notenbanken entgegenzuwirken."

Bislang kommt das viele billige Zentralbankgeld nicht im gewünschten Maß in der Wirtschaft an. Die Wirtschaft im Euroraum erholt sich nur schleppend, die Inflation ist nach wie vor im Keller.

Dauerhaft niedrige oder gar sinkende Preise gelten als Risiko für die Konjunktur. Unternehmen und Verbraucher könnten Anschaffungen aufschieben, weil sie erwarten, dass es bald noch billiger wird. Die EZB strebt daher mittelfristig eine Teuerungsrate von knapp unter 2,0 Prozent an - weit genug entfernt von der Nullmarke.

In Deutschland ist die ultra-lockere Geldpolitik der EZB zuletzt heftig unter Beschuss geraten. Experten gehen davon aus, dass Draghi auf der Pressekonferenz am Nachmittag auf die Kritik eingehen wird. Unter anderem hatten Unionspolitiker gefordert, Bundeskanzlerin Angela Merkel solle einen Richtungswechsel in der Geldpolitik einfordern. Finanzminister Wolfgang Schäuble äußerte zuletzt die Sorge, der EZB-Kurs könne euro-skeptische Bestrebungen in Deutschland nähren.

Überraschend hatte daraufhin Bundesbankchef Jens Weidmann die EZB in Schutz genommen und auf ihre Unabhängigkeit gepocht.

Die EZB und die Zentralbanken der Euro-Länder pumpen seit März 2015 Woche für Woche über den Kauf von Staatsanleihen Milliarden in das Finanzsystem. Draghi & Co wollen mit der Geldflut Banken dazu bewegen, weniger in Anleihen zu investieren und stattdessen mehr Kredite an die Wirtschaft zu vergeben. Konjunktur und Inflation sollen so angeheizt werden. Doch im März stagnierten die Preise im Euro-Raum, nachdem sie im Februar sogar im 0,2 Prozent gesunken waren. Die EZB strebt eigentlich knapp zwei Prozent Inflation an - für sie der optimale Wert für die Wirtschaft. (mit dpa und Reuters)

Einen ausführlichen Bericht, was das Konzept "Helikoptergeld" bedeutet, und wie sich die Debatte entwickelt, lesen Sie hier.

Einen ausführlichen Bericht, wie sich der Anleger seine Ersparnisse mit einem "Rebalancing" des Portfolios vor Crashs und Börsenwirren schützen und trotzdem in Aktien investieren kann, um die niedrigen Zinsen zu umgehen, lesen Sie hier.

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