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Wirtschaft: Europäische Zentralbank sucht neue Strategie

Leitzinsen weiter bei 2,5 Prozent / EZB-Chef Duisenberg erwartet Aufschwung / Experten für höheres Inflationsziel

Berlin/Frankfurt (Main) (uwe/brö/rtr). Die Europäische Zentralbank (EZB) hat wie erwartet am Donnerstag ihre Leitzinsen unverändert gelassen. Der Schlüsselzins in der EuroZone, zu dem sich Banken bei der EZB Geld leihen könne, bleibt bei 2,5 Prozent. Derweil fordern Experten von der Zentralbank, ihre Geldpolitik zu ändern und das Inflationsziel anzuheben, bei dessen Erreichen sie Preisstabilität gewährleistet sieht.

An der Börse sorgte die Nachricht für ein weiteres Nachgeben der Kurse. Händler reagierten enttäuscht auf die EZB-Entscheidung, weil sie wegen der schlechten Wirtschaftslage auf einen Zinsschritt gehofft hatten. Der Euro stieg in New York dagegen zeitweise auf ein Vier-Jahres-Hoch bei 1,1467 Dollar. Das ist aber nach Ansicht von EZB-Präsident Wim Duisenberg nicht schlimm. „Das aktuelle Niveau entspricht Durchschnittswerten, die es bereits in der Vergangenheit gegeben hat“, sagte er. Mit dem Ende des Irak-Kriegs seien zudem wichtige Abwärtsrisiken für Europas Wirtschaft geschwunden. „Die Wirtschaftsaktivität blieb gedämpft, aber es ist eine schrittweise Erholung später in diesem Jahr zu erwarten, die sich 2004 beschleunigen sollte." Die niedrige Inflation und das geringe Zinsniveau würden dazu beitragen.

Dennoch ist die Geldpolitik (siehe Lexikon) der Notenbank nicht unumstritten. Ende Mai will die Bank eine überarbeitete Strategie vorstellen, mit der der Euro stabil bleiben soll. Experten rechnen zwar mit einer Bestätigung des bisherigen Kurses, aber auch mit neuen Schwerpunkten. Die Neubestimmung ist aus zwei Gründen notwendig: Einmal, weil die EZB nun vier Jahre alt ist und sich fragen muss, ob ihre Instrumente der Geldpolitik ausreichen. Außerdem wachsen mit der EU-Osterweiterung die Herausforderungen: Denn die EU-Beitrittsländern wachsen viel stärker als Kerneuropa – und haben damit höhere Inflationsraten. Die Probleme, die die EZB schon jetzt hat, einen angemessenen Zinssatz für jedes der bislang 15 Länder zu finden, werden sich noch verschärfen.

„Generell hat sich die Geldpolitik der EZB bewährt, sie ist glaubwürdig und berechenbar geworden“, meint Michael Hüther, Chefvolkswirt der Deka-Bank. Allerdings rechnet er mit einer Neubewertung des Themas Inflation: „Die EZB wäre gut beraten, wenn sie ihr Inflationsziel anhebt“, sagt er. Heute hält die EZB eine Inflation von unter zwei Prozent für angemessen. Liegt die Geldentwertung höher, denkt sie über Zinsanhebungen nach, um die Nachfrage nach Geld und damit die wirtschaftliche Aktivität zu drosseln. Liegt die Rate aber deutlich unter zwei Prozent, diskutiert die EZB Zinssenkungen. In der Theorie führt dies zu mehr Wachstum.

Schon jetzt wird das Inflationsziel von zwei Prozent meist verfehlt, weil die Geldentwertung in dynamischen Ländern wie Irland deutlich höher liegt. In den Kernländern liegt die Inflation dagegen bei nahezu Null, es herrscht sogar Deflationsgefahr. Das heißt, dass etwa Deutschland eine Zinssenkung gut gebrauchen könnte, damit die Wirtschaft in Fahrt kommt. Deshalb erwarten Experten, dass die EZB bald ein höheres Inflationsziel bekannt geben wird, um mehr geldpolitischen Spielraum zu gewinnen. „Mit 2,5 Prozent hätte die EZB einen vernünftigen Rahmen“, meint Deka-Bank-Volkswirt Hüther.

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