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Jean-Claude Trichet

© dpa

Europäische Zentralbank: Warnung vor der Dauerinflation

Obwohl kein Ende der Finanzkrise in Sicht ist, bleibt die Konjunktur vorerst robust. Die Europäische Zentralbank hält derweil die Zinsen hoch und will so die Preissteigerungen bekämpfen. Und das, obwohl der Euro so viel wert ist wie nie zuvor.

Die Europäische Zentralbank (EZB) erwartet längerfristig starke Preissteigerungen in Europa. Die Inflationsrate im Euro-Raum wird nach Einschätzung von EZB-Präsident Jean-Claude Trichet frühestens im Herbst nächsten Jahres wieder auf ein Niveau von etwa zwei Prozent sinken. Vor allem die steigenden Preise für Energie und Lebensmittel würden die Inflation weitertreiben.

Auch der Chef des Internationalen Währungsfonds (IWF), Dominique Strauss-Kahn, sieht eine anhaltende Inflationsgefahr. Er macht vor allem die rasant gestiegenen Rohstoffpreise dafür verantwortlich. „Es gibt das Risiko einer dauerhaft hohen Inflation“, sagte er am Donnerstag in Washington. Seit Ende 2006 seien weltweit die Preise für Nahrungsmittel um 48 Prozent gestiegen.

Angesichts der rasanten Preisentwicklung sieht die EZB derzeit keinen Spielraum für eine Zinssenkung, wie Trichet am Donnerstag nach der Sitzung des EZB-Rates in Frankfurt durchblicken ließ. Der Rat beließ den Leitzins erwartungsgemäß bei vier Prozent und will so die Preissteigerungen bekämpfen. Ein Nebeneffekt der – vor allem im Vergleich zu den USA – hohen Zinsen ist ein immer stärker werdender Euro. Die Gemeinschaftswährung erreichte am Donnerstag einen Rekordstand von 1,5912 Dollar. Der hohe Kurs schadet zwar der europäischen Exportwirtschaft, hilft aber bei der Inflationsbekämpfung, weil Importgüter aus dem Dollar-Raum, wie zum Beispiel Öl, in Europa billiger werden.

Im März waren die Verbraucherpreise in den 21 Staaten des Euro-Raums um durchschnittlich 3,5 Prozent gestiegen – so stark wie seit 16 Jahren nicht mehr. Die Zielgröße der EZB für die Inflationsrate liegt bei knapp unter zwei Prozent. Dorthin werde sie so schnell nicht zurückkehren, meinte Trichet. 2008 werde sie sich erst allmählich abschwächen und vorerst deutlich über der Marke von drei Prozent verharren. Trichet warnte angesichts der Rekordinflation vor hohen Lohnabschlüssen. Zu stark steigende Löhne könnten zu höherer Arbeitslosigkeit führen.

Die wirtschaftliche Lage in der Eurozone sieht Trichet nach wie vor als gesund an. „Die Wirtschaft im Euro-Raum wächst moderat, aber sie wächst weiter“, sagte er. Auch von einer Kreditklemme für Unternehmen sei nichts zu spüren. Er räumte allerdings ein, das Ausmaß der Unsicherheit über die weitere Entwicklung an den Finanzmärkten sei derzeit „ungewöhnlich“ hoch. „Die Spannungen könnten länger dauern als wir bislang gedacht haben.“

Angesichts der Krise und des starken Euro plädieren einige Ökonomen für Zinssenkungen, um Kredite für Unternehmen und Verbraucher zu verbilligen und so die Wirtschaft anzukurbeln. „Ich halte es für falsch, die Zinsen auf dem jetzigen Niveau zu belassen“, sagte Gustav Horn, Direktor des gewerkschaftsnahen Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK), dem Tagesspiegel. „Besser wäre es, die Zinsen zu senken.“ Die Konjunktur werde durch die andauernde Finanzkrise und den starken Euro stark belastet. Zudem lasse sich die Inflation derzeit nicht mit Zinserhöhungen bekämpfen, weil sie vor allem aus dem Ausland komme.

Andere Experten verweisen jedoch auf das Ziel der Geldwertstabilität, dem die EZB verpflichtet ist. „Das Inflationsniveau ist noch zu hoch für eine Zinssenkung“, sagte Michael Heise, Chefvolkswirt von Allianz und Dresdner Bank, dieser Zeitung. Er erwarte jedoch, dass „die Inflationsraten kurzfristig deutlich zurückgehen“. Dann werde die EZB wieder Spielraum für Zinssenkungen bekommen – „wahrscheinlich noch in diesem Jahr“.

Stefan Kaiser u. Rolf Obertreis

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