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Wirtschaft: Europaweit zu Diensten

Das deutsche Handwerk erwartet bessere Geschäfte im Ausland. Der Grund: die EU-Servicerichtlinie

Berlin - Das deutsche Handwerk erwartet von der europäischen Dienstleistungsrichtlinie Impulse für das Geschäft im Ausland. „Wenn die Richtlinie so beschlossen wird, werden die Hürden niedriger, ins Ausland zu gehen“, sagte Otto Kentzler, Präsident des Zentralverbands des deutschen Handwerks. Die Richtlinie sei wichtig, um Klarheit über die Bedingungen zu schaffen, unter denen Betriebe im Ausland tätig sind. Am Montagabend einigten sich die Staaten der EU auf eine neue Version der Dienstleistungsrichtlinie. Jetzt muss noch das Parlament zustimmen. Dies soll noch 2006 geschehen.

„Vor allem die kleinen Unternehmen werden von der Regelung profitieren, denn für sie ist die Bürokratie bislang noch ein unüberwindbares Hindernis“, sagte Kentzler. Mit der Richtlinie werden Unternehmen künftig im europäischen Ausland nur noch einen Ansprechpartner für alle bürokratischen Fragen haben. Große Wirtschaftszweige sind von der Richtlinie ausgenommen. So unterliegen Sozialdienste, Finanzdienste, Post, Energie und Abfall nicht der Richtlinie.

Die europäischen Staaten hatten sich darauf geeinigt, dass das Recht des Staates gilt, in dem eine Dienstleistung erbracht wird. Ursprünglich sollte es sich nach dem Herkunftsland richten, deutsche Sozialstandards hätten also ausgehebelt werden können. Das Handwerk begrüßt die neue Variante. „Die Gefahren eines Lohn- oder Sozialdumpings sind jetzt deutlich geringer. Wir stellen uns dem Wettbewerb“, sagte Kentzler. Schon jetzt stünden deutsche Handwerker in Konkurrenz mit ausländischen Anbietern. Sie würden sich aber nicht von den niedrigeren Löhnen schrecken lassen.

Die Gewerkschaften stehen der Dienstleistungsrichtlinie weiterhin skeptisch gegenüber. Allerdings sei es positiv zu bewerten, dass etwa die Pflegedienste von ihr ausgenommen werden. „Die Richtlinie hatte zu Beginn einen reinen Deregulierungsansatz. Da ist jeder Bereich, der von ihr ausgenommen wird, zu begrüßen“, sagte Karin Allewelt vom Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB). „Jetzt kommt es auf die Details des Wortlautes der Richtlinie an und die verschiedenen Übersetzungen“, sagte sie. Auch die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi zeigte sich misstrauisch. „Es ist noch unklar, wie sich die Regelungen im deutschen Recht auswirken werden, etwa im Arbeitsrecht“, sagte Gewerkschaftssprecher Jan Jurczyk. Es bestünden Bedenken über unterschiedlich interpretierbare Passagen. „Unklarheiten müsste der Europäische Gerichtshof beseitigen. Das liegt nicht in unserem Sinne, denn der Gerichtshof hat sich bislang immer zuerst auf die Seite der europäischen Verkehrsfreiheiten gestellt“, sagte Jurczyk. Nun hänge es auch von Deutschland ab, mögliches Lohndumping zum Beispiel über einen Mindestlohn zu verhindern.

Kritik – allerdings mit anderer Stoßrichtung – kommt auch vom Deutschen Industrie- und Handelskammertag (DIHK). „Die Richtlinie ist in ihrer jetzigen Fassung kein großer Wurf“, sagte DIHK-Hauptgeschäftsführer Martin Wansleben. Durch die Einigung über das Herkunftslandprinzip sei die Richtlinie stark ausgehölt worden. Die Chance, den kleinen und mittleren Unternehmen die grenzüberschreitende Arbeit zu erleichtern, sei nicht ausreichend genutzt worden. Wansleben lobte allerdings Erleichterungen durch eine einheitliche Ansprechstelle in den Europäischen Mitgliedsländern. Der Bundesverband der Industrie (BDI) fordert von den europäischen Institutionen noch mehr Mut. „Es besteht Nachbesserungsbedarf“, sagte Geschäftsführer Ludolf von Wartenberg. Da der Richtlinienvorschlag nicht mehr vom Herkunftslandprinzip ausgehe, müsse der Rat der EU noch mehr darauf drängen, dass die Mitgliedstaaten ihre Verwaltungshürden abbauten.

Der große Berliner Dienstleister Dussmann begrüßt die Richtlinie. Der Abbau von bürokratischen Hürden und die größere unternehmerische Freiheit sei positiv zu bewerten, sagte Vorstand Thomas Greiner. Man habe aber keine Probleme in Deutschland, gut ausgebildete Pflegekräfte zu finden. Für das Unternehmen ändere sich erst einmal wenig.

Henning Zander

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