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Wirtschaft: Experten: Brandenburg fördert falsch

Das Land steht wirtschaftlich viel schlechter da als Sachsen – wegen hoher Schulden und der Verschwendung öffentlicher Mittel

Berlin - Wirtschaftsforscher haben die Brandenburger Landesregierung zum Sparen aufgefordert. „Einer der Hauptgründe, warum es Sachsen wirtschaftlich besser geht als Brandenburg, ist der Erfolg beim Schuldenabbau“, sagte Helmut Seitz von der Technischen Universität Dresden dem Tagesspiegel. Seitz gehörte zu den 13 Experten, die unter Leitung des ehemaligen Hamburger Bürgermeisters Klaus von Dohnanyi im Auftrag der Bundesregierung neue Ideen für den Aufbau Ost entwickelten.

In Sachsen und in Brandenburg finden am Sonntag Landtagswahlen statt. Brandenburg steht, wenn es um Arbeitsplätze, Wirtschaftswachstum oder auch Investitionsdichte geht, schlechter da als das Nachbarland. Einerseits liegt das an historisch unterschiedlichen Ausgangsvoraussetzungen zur Zeit der Wende: Sachsen hat drei große Städte und war schon zu DDR-Zeiten Sitz der Automobil- und Halbleiterindustrie. Jetzt haben sich in Dresden, Leipzig und Chemnitz Firmen wie Volkswagen oder AMD angesiedelt. Das kann jedoch nicht alles erklären, meinen die Experten.

„Wenn Brandenburg 2003 die Verschuldung von Sachsen gehabt hätte, hätte das Land 450 Millionen Euro an Zinsbedienung gespart“, hat Seitz ausgerechnet. „Das ist der finanzielle Spielraum, den die Politik für Investitionen benötigt.“ Der Experte forderte: „Es müssen unbedingt Ersparnisse realisiert werden.“ Joachim Ragnitz vom Institut für Wirschaftsforschung Halle ist der Meinung, dass ein Großteil der Ausgaben für das staatliche Personal entsteht: „Brandenburg muss jetzt anfangen, sein Personal im öffentlichen Dienst zu reduzieren.“ In Sachsen sei diese Wende bereits erfolgreich eingeleitet werden. Vor allem vor dem Hintergrund des demografischen Wandels im Osten sei dies von höchster Priorität, sagte Seitz. „Wenn es weniger Schüler gibt, muss auch die Anzahl der Lehrer reduziert werden.“

Die Experten bemängeln aber auch die falsche Verwendung von Fördergeldern in Brandenburg. Die Pleite der Chipfabrik in Frankfurt (Oder) ist nur ein Beispiel. Nach 23 Monaten Bauzeit musste das Projekt wegen unklarer Finanzierung aufgegeben werden. Allein dem Land Brandenburg entstand ein Schaden von 100 Millionen Euro. Auch andere bekannte Beispiele kommen aus Brandenburg: Der Lausitzring (123 Millionen Euro Förderung) musste Insolvenz anmelden, der Luftschiffbauer CargoLifter (48,5 Millionen Euro Förderung) ging ebenfalls Pleite.

Natürlich gebe es auch in Sachsen Missbrauch von Fördergeldern des Bundes und der Europäischen Union – aber das Management sei professioneller als in Brandenburg, sagte Seitz. Er forderte in allen Bundesländern eine scharfe, unabhängige Kontrolle der Fördergelder. „Bei der Evaluation sind wir auf dem Stand von Entwicklungsländern“ und „in hohem Maß intransparent“, stellt Seitz fest. Nicht zu verachten sei das erfolgreiche Standortmarketing der sächsischen Landesregierung, sagte Ragnitz. Obwohl etwa in Leipzig die Arbeitslosigkeit mit mehr als 18 Prozent sehr hoch sei, habe die Stadt ein dynamisches Image. Sachsen habe es geschafft, sich als Spitzenreiter der Ostdeutschen zu verkaufen, obwohl der Freistaat auch Probleme hat.

Die Wirtschaftsexperten sind der Meinung, dass sich beide Länder nun darauf konzentrieren müssen, Prioritäten bei den Investitionen zu setzen – denn die Fördergelder würden schon ab 2006 mit dem Auslaufen der Osttransfers sinken, sagte Seitz. Brandenburg müsse sich überlegen, ob der Bau des Flughafens Berlin-Brandenburg International sich wirklich lohne – und ob der Bau eines Transrapids bis zum Flughafen Leipzig nicht sinnvoller wäre. Zudem mahnen Seitz und Ragnitz an, dass Berlin und Brandenburg unbedingt die Gespräche über eine Fusion wieder in Gang bringen müssten. „Brandenburg muss die Kooperation mit Berlin stärken“, empfiehlt Ostdeutschland-Experte Ragnitz.

Flora Wisdorff

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