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Wirtschaft: Experten drängen Deutschland zum Sparen

OECD: Berlin verletzt auch 2005 den EU-Stabilitätspakt und könnte damit erneut seine Zusage an Brüssel brechen

Berlin (hop/brö). Deutschland sollte stärker sparen, um die Regeln des EUStabilitätspaktes einzuhalten. Darauf drängt die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD), in der die größten Industriestaaten der Welt zusammengefasst sind. Der OECD-Ökonom Eckhard Wurzel forderte am Mittwoch anlässlich der Veröffentlichung der neuen Wachstumsprognose der Organisation (siehe Kasten), das Vorziehen der Steuerreform nicht über Schulden zu finanzieren. „Die Reform sollte möglichst komplett gegenfinanziert werden, insbesondere durch den Abbau von Subventionen.“ Derweil kritisierten weitere Ökonomen und Verbände, dass das EU-Defizitverfahren gegen Deutschland und Frankreich ausgesetzt wurde. Der Eurokurs zog am Mittwoch deutlich an.

In der Nacht zum Dienstag hatten die Finanzminister der Eurozone beschlossen, dass Deutschland und Frankreich ihre Sparanstrengungen im kommenden Jahr nicht verschärfen müssen. Das hatte zuvor die EU-Kommission gefordert. Der deutsche Finanzminister Hans Eichel (SPD) hatte zur Begründung gesagt, stärkeres Sparen könnte die wirtschaftliche Erholung Deutschlands und Europas hemmen. Die beiden größten Länder des Kontinents haben nun bis 2005 Zeit, ihre Neuverschuldung unter die vom Stabilitätspakt geforderten drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts zu drücken.

„Die Inflation kehrt zurück“

Nach Ansicht der OECD wird Deutschland das vom Stabilitäts- und Wachstumspakt gesetzte Ziel aber auch 2005 nicht erreichen. 2003 werde die Defizitquote bei 4,1 Prozent liegen und im kommenden Jahr lediglich auf 3,7 Prozent fallen. Für 2005 rechnet die Organisation dann mit einer Quote von 3,5 Prozent. Allerdings hält die OECD der Bundesregierung zugute, schon Einiges zur Konsolidierung getan zu haben. Die zusätzliche Verschuldung in diesem Jahr gehe komplett auf das Konto der schlechten Wirtschaftslage. Schließlich sei das strukturelle Defizit (siehe Lexikon) von Bund, Ländern, Kommunen und Sozialkassen, das auch ohne die schwache Konjunktur entstanden wäre, nach Berechnung der OECD leicht reduziert worden. Ohne die geplanten Steuererleichterungen sei auch für 2004 damit zu rechnen, dass das strukturelle Defizit weiter schrumpfe.

Die wirtschaftliche Erholung werde durch den weiteren Sparkurs und eine komplette Gegenfinanzierung der geplanten Steuererleichterungen allerdings nicht gefährdet, sagte OECD-Experte Wurzel. Wichtig sei es, das deutsche Steuersystem im Zuge der Reform auch durch einen Subventionsabbau zu vereinfachen und so langfristig bessere Wachstumsbedingungen zu schaffen.

Zum Kompromiss der Euro-Finanzminister sagte Anton F. Börner, Präsident des Bundesverbandes des Groß- und Außenhandels (BGA), dies sei ein „verheerendes Signal“. Die Stabilität des Euro werde mittelfristig schwer darunter leiden. „In der Euro-Zone wird die Inflation zurückkehren. Die Leidtragenden dieser Entwicklung werden Sparer und Besitzer von Vermögen sein, denn der Wert ihres Kapitals wird allmählich schwinden“, sagte Börner dem Tagesspiegel.

Der Chefvolkswirt der Deutschen Bank, Norbert Walter, sprach im Norddeutschen Rundfunk von einem „schwarzen Tag“ und einer mittelfristig großen Gefahr, „dass schlampige Finanzpolitik in der europäischen Währungsgemeinschaft gemacht wird“. Eine Reparatur des Schadens werde „Anstrengungen erfordern, von denen sich die Herrschaften in Frankreich und in Berlin, die uns das eingebrockt haben, keine Vorstellungen machen“.

Der Euro zeigte sich von der Ereignissen in Brüssel weiter unbeeindruckt. Bis zum späten Nachmittag legte der Wechselkurs zum US-Dollar um mehr als 1,1 Prozent auf 1,1911 Dollar zu. Händler sprachen von „Kaufwellen“ ungeachtet guter US-Konjunkturdaten. Die hätten eigentlich für Kursgewinne des Dollar gesprochen.

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