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Wirtschaft: Explosion im Wohnzimmer

Moderne Heimkino-Anlagen bringen echtes Kinogefühl in die eigenen vier Wände – zu erschwinglichen Preisen

Von Maurice Shahd

und Sören Kittel

Große Gefühle gehören auf eine große Leinwand. Der Mensch kann zwar nur einen Bereich von zehn Grad richtig gut im Blick haben. Aber sobald der Kopf mitschwenken muss, aktiviert das sein Gehirn. Dadurch haben die Zuschauer das Gefühl, aktiv am Geschehen teilzuhaben. Für dieses Erlebnis muss man heute nicht mehr ins Kino gehen – man kann es sich auch in die eigenen vier Wände holen. Wenn man also nächste Woche für die besten Filme der Berlinale kein Ticket mehr ergattert, kann man sie sich wenigstens einige Monate später auf DVD ins Heimkino holen.

Mit einer guten Anlage erlebt man Klang und Bild zu Hause nämlich fast wie vor der großen Leinwand. „Das private Kino im Keller ist heute die Alternative zu Arbeitszimmer, Sauna oder Fitnessstudio. Er betreibt die Internetseite Heimkinomarkt.de, auf der sich Verbraucher über Großbildfernseher, Projektoren oder DVD-Spieler informieren können. „Ein komplett ausgestattetes Heimkino ist schon ab 4500 Euro zu haben“, sagt Diehl. Es geht aber auch eine Nummer kleiner. Wer sich zunächst auf einen größeren Fernseher mit Soundanlage beschränkt, kommt wesentlich günstiger weg.

Beamen statt fernsehen

Der Trend zum Kino in den eigenen vier Wänden ist seit einigen Jahren ungebrochen. 2003 wurden mit DVDs rund eine Milliarde Euro umgesetzt, 40 Prozent mehr als im Vorjahr. „Der Sprung von der Videokassette zur DVD Ende der Neunzigerjahre ist mit der Einführung des Farbfernsehens vergleichbar“, sagt Oliver Trettin, Vizegeschäftsführer des Deutschen Videoverbandes. Die DVD ist nicht nur handlicher als die VHS-Kassette, sondern bietet auch eine deutlich bessere Bild- und Tonqualität. Zudem denken sich die Filmproduzenten für die DVDs immer neue Inhalte aus, die weit über den Film hinausgehen. Neben dem obligatorischen „Making of“ sind das zum Beispiel Anweisungen des Regisseurs oder Szenen, die in der Originalfassung herausgeschnitten wurden.

Parallel dazu sanken die Preise für die Hardware wie Fernseher, Projektoren und Soundanlagen. „Deutschland ist heute einer der billigsten Hardware-Märkte weltweit“, sagt Roland Stehle, Sprecher der Gesellschaft für Unterhaltungselektronik (GfU). DVD- Player sind schon für 50 Euro zu haben, Heimkino-Anlagen mit sechs Boxen für den Raumklang kosten ab 250 Euro. Der Markt für Heimkino-Ausstattung explodierte in den vergangenen Jahren regelrecht. Rund sechs Millionen DVD-Player wurden im vergangenen Jahr in Deutschland verkauft, eine Millionen mehr als im Vorjahr. Der Verkauf von Soundanlagen hat sich mit einer Million im Jahresvergleich fast verdoppelt.

Zentrum des Heimkinos ist der Bildschirm. Echtes Kinogefühl bereiten Projektoren („Beamer“), die das Bild an eine Wand oder eine künstliche Leinwand werfen. Damit sind Bilddiagonalen von fünf bis sieben Metern möglich. Waren die Beamer vor einigen Jahren nicht unter 3000 Euro zu bekommen, kosten Einstiegsgeräte heute rund 1000 Euro. Selbst der Discounter Aldi hatte bereits einen Beamer im Angebot – in der Regel ein untrügliches Zeichen dafür, das ein Produkt den Massenmarkt erreicht. „Beim Kauf ist vor allem auf die Lebensdauer der Lampe und die Geräusche des Lüfters zu achten“, sagt Stephan Lang, Betreiber der Webseite Heimkino.de. Die Lampe ist das wichtigste Teil eines Beamers, deren Ersatz rund 500 Euro kostet.

Allerdings eignen sich die Projektoren nicht für den Alltagsgebrauch, weil der Raum abgedunkelt werden muss. Eine Alternative zu den Projektoren sind große Flachbildfernseher. Nach Schätzungen der GfU werden sie in diesem Jahr erstmals zehn Prozent aller verkauften Fernseher ausmachen. Moderne LCD- oder Plasma-Bildschirme haben Bildschirmdiagonalen von 110 Zentimetern und kosten ab 3000 Euro. Die Preise für Markengeräte in dieser Größe liegen im Schnitt zwischen 4000 und 5000 Euro. Bei den „Billiggeräten“ ist beim Kauf vor allem auf die Auflösung zu achten, von der die Bildschärfe abhängt. Bildschirmgrößen über 80 Zentimeter sind technisch zwar nicht möglich, die Geräte sind dafür aber schon ab 1000 Euro zu haben.

Zu einem großen Bild gehört auch ein satter Sound. Die Heimkino-Anlagen bestehen aus einem Verstärker für Ton und Bild sowie sechs Lautsprechern, die einen räumlichen Klang erzeugen. „Früher ist John Wayne von links nach rechts durchs Bild geritten. Heute reitet Tom Cruise als ’Der letzte Samurai’ quer durch den Raum“, beschreibt Lang den Effekt. Die alte Hifi-Anlage eignet sich nicht für den Heimkino-Einsatz – die Zahl der Anschlüsse reicht nicht aus. Das neueste beim Sound ist der „Butticker“. Das Gerät wird an den Verstärker angeschlossen und setzt laute Geräusche nicht in Schallwellen, sondern in Vibrationen um. Dann wackelt der Boden, wenn Autos explodieren und der Sessel zittert, wenn auf dem Bildschirm Granaten einschlagen.

Maurice Shahd, Sören Kittel

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