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Aus Hamburg in die Welt - und umgekehrt. Kritiker wollen, dass Deutschland mehr Güter importiert.

© dpa

Exporterfolge: Deutschland muss Verantwortung an der Spitze tragen

Der deutsche Exportüberschuss ist höher als der des riesigen China. Die deutsche Industrie hat viele Wettbewerber abgehängt. Daraus erwächst auch mehr Verantwortung - für Europa und die Welt.

Herzlichen Glückwunsch! Die deutsche Wirtschaft überrascht mit einem neuen Wunder. Genauer: Die Unternehmen, die ihre Waren in der Welt verkaufen. Denn im vergangenen Jahr war die Differenz zwischen Ausfuhren und Einfuhren so groß wie noch nie. Der Exportüberschuss der deutschen Wirtschaft ist nach Berechnungen des Ifo-Instituts höher als der des riesigen China und auch größer als der des wichtigsten Ölexporteurs der Welt, Saudi-Arabien. Das ist großartig. Und ärgerlich. Denn die Überschüsse des einen sind die Defizite des anderen. Die Vorwürfe der Verlierer gegen den Gewinner lauten im Kern so: Die Deutschen haben mit läppischen Lohnzuwächsen in den vergangenen Jahren die Wettbewerbsfähigkeit ihrer Firmen auf den Weltmärkten verbessert und die Binnennachfrage geschwächt, weshalb die Deutschen auch zu wenig Produkte aus dem Ausland kaufen. Etwa aus Griechenland.

In Wirklichkeit sind die Löhne in den wichtigsten Exportindustrien Maschinen- und Fahrzeugbau sowie in der Chemie erheblich gestiegen. Die am besten qualifizierten Arbeitnehmer der Welt arbeiten für die besten Facharbeiterlöhne der Welt in der deutschen Industrie. Die Firmen können sich das locker leisten, denn die Produkte sind klasse und lassen sich zu Spitzenpreisen verkaufen, die Lasermaschine ebenso wie die Limousine. Wer hätte das gedacht: Vor mehr als 20 Jahren hatten wir Angst vor den Japanern; dann sollten die fünf Tigerstaaten unsere Industrie attackieren; seit ein paar Jahren rücken die Chinesen an, und die US-Firmen sind sowieso immer eine Bedrohung. Alles nicht falsch. Aber die deutsche Industrie ist so konkurrenzfähig wie noch nie, sie hat viele Wettbewerber abgehängt. Und Maschinen- und Autobauer werden nicht auf Innovationen und Absatz verzichten, damit der umstrittene Exportüberschuss schmilzt.

Kritiker fordern mehr Importe

Bei einem Land mit derartigem Erfolg auf den Weltmärkten gerät die Währung unter Aufwertungsdruck. Die Waren, die aus einem anderen Währungsraum gekauft werden, müssen mit jener Währung bezahlt werden. Wegen der steigenden Nachfrage nach den Waren/der Währung steigt auch der Wechselkurs. Die Waren werden teurer und verkaufen sich schlechter: Der Exportüberschuss sinkt. Wenn alles nach Theorie verläuft, ergibt sich im Verlauf der Zeit ein ausgeglichener Außenhandel. Das gilt indes nicht für die deutsche Wirtschaft ohne die D-Mark. Vielmehr profitieren die deutschen Exporteure so stark wie sonst niemand vom Euro, der aufgrund der Schwäche vieler Euro-Länder deutlich weniger wert ist, als es die Mark jetzt wäre.

Die Kritiker der deutschen Außenhandelsbilanz haben denn auch weniger den Export als vielmehr den Import im Auge: Europas größte und stärkste Wirtschaftsnation möge doch ihrer Bedeutung entsprechend Waren im Ausland einkaufen und überhaupt mit einer stärkeren Binnenwirtschaft die berühmte Lokomotivfunktion für die internationale Konjunktur wahrnehmen. Da ist was dran, obwohl im vergangenen Jahr die Einfuhren nach Deutschland stärker stiegen als die Ausfuhren und gleichzeitig der private Verbrauch anzog. Am Ende reichte es aber doch nur zu einem mickrigen Wachstum von 0,4 Prozent.

In diesem Jahr werden 1,5 bis zwei Prozent erwartet, und auch 2015 dürfte gut werden. Das bringt Geld für Konsum und Investitionen. Seit Ende der 1990er Jahre hat die öffentliche Hand hierzulande immer weniger investiert, deutlich weniger als der EU-Durchschnitt. Ökonomen haben einen Investitionsstau von mehr als 300 Milliarden Euro ausgemacht, allein bei den Kommunen fast 130 Milliarden Euro. Jeder sieht jeden Tag die Defizite, im Bildungssystem oder im Krankenhaus, in der Verkehrsinfrastruktur und der Energiepolitik. Das wissen die Regierenden der großen Koalition und kalkulieren mit wachstumsbedingten Mehreinnahmen. Das kann klappen. Und wenn nicht: Eine Finanzierung von Zukunftsinvestitionen durch eine Erhöhung der Steuern auf hohe Einkommen wäre verteilungspolitisch gerecht und wirtschaftspolitisch vernünftig.

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