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Exportweltmeisterschaft: Chinas Aufholjagd mit großen Schritten

Den Titel des Exportweltmeisters beansprucht Deutschland inzwischen ganz selbstverständlich für sich - immerhin hat es 2006 zum vierten Mal in Folge dafür gereicht. Doch China ist ihm dicht auf den Fersen.

Wiesbaden/Frankfurt - Die Wirtschaft muss sich darauf einstellen, bereits im nächsten Jahr vom Siegertreppchen verdrängt zu werden. Die Wirtschaftsgroßmacht China könnte 2008 dank schnellerer Wachstumsraten an Deutschland vorbeiziehen. Schon in diesem Jahr wird der bislang Drittplatzierte voraussichtlich die USA beim Weltexport überholen. Ökonomen sehen den drohenden Titelverlust für Deutschland aber gelassen. Sie halten Ängste für unbegründet, dass diese Entwicklung auf eine nachlassende Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands hindeutet oder den Verlust von Arbeitsplätzen nach sich ziehen könnte.

"Der Verlust des Titels ist kein Grund zur Panik", sagt der Asienexperte der Bundesagentur für Außenwirtschaft (BFAI), Bernd Schaaf. "Deutschland kehrt von einem unnormalen zu einem normalen Zustand zurück." Es sei eher erstaunlich, dass ein relativ kleines Land mit 82 Millionen Einwohnern sehr viel größere Nationen wie China oder die USA überflügeln konnte. Deutsche Firmen gewannen auch im vergangenen Jahr Anteile auf dem Weltmarkt. So wuchsen die deutschen Ausfuhren mit 13,7 Prozent fast doppelt so schnell wie die der europäischen Nachbarn Frankreich und Italien. Deutschland bestreitet heute rund 9,3 Prozent der weltweiten Exporte.

Auch Inland im Aufschwung

Zudem steht die deutsche Wirtschaft erstmals seit Jahren nicht mehr nur auf dem einen Bein der Exporte. 2006 hat der Aufschwung das Inland erfasst. Der Löwenanteil des Wachstums von 2,5 Prozent kam mit fast zwei Dritteln aus dem Inland. Investitionen, das Ende der Baukrise und eine Belebung beim Konsum brachten die Wirtschaft voran. Wegen der sich abzeichnenden weltwirtschaftlichen Abkühlung wird sich das Exportwachstum 2007 wohl knapp halbieren. "Das Auslandsgeschäft bleibt aber auch in diesem Jahr eine wesentliche Stütze der Konjunktur", sagt der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK). Von der Mehrwertsteuererhöhung sind die Exporte nicht betroffen.

Das gute Abschneiden führen Volkswirte auf die starke weltweite Nachfrage, aber auch Kostensenkungen bei Unternehmen und moderate Lohnsteigerungen zurück. "Dies hat die Wettbewerbsfähigkeit und den Standort gestärkt", sagt Commerzbank-Volkswirt Ralph Solveen. Gewerkschaften und einige Ökonomen kritisieren dagegen: "Je mehr die deutschen Arbeitnehmer Lohnzurückhaltung üben, umso mehr wachsen die Exportüberschüsse", sagt der frühere Vizepräsident der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung, Joachim Jahnke.

Osteuropa hilft

Nur dank günstiger Vorprodukte aus Osteuropa können deutsche Firmen Erfolge feiern. Diese Produktionsverlagerung in billige Niedriglohnländer gilt als eine der Schattenseiten des Exportbooms. "Insgesamt nutzt die Verlagerung aber der deutschen Wirtschaft", sagt UniCredit-Volkswirt Alexander Koch. "Das stärkt die Binnenkojunktur und sichert Arbeitsplätze im Inland." In einer Studie hat die Bundesbank gesamtwirtschaftlich keinen Verlust von Arbeitsplätzen als Folge festgestellt. Bereits jeder fünfte Erwerbstätige ist vom Export abhängig. Der Branchenverband BGA rechnet 2007 mit bis zu 10.000 neuen Arbeitsplätzen im Exportsektor.

Allerdings hat die deutsche Exportwirtschaft Schwächen. Die Statistik erfasst nur Warenexporte. Rechnet man aber Dienstleistungen mit ein, dann geht der Weltmeister-Titel auch 2006 an die USA und Deutschland landet nur auf dem dritten Platz. "Der Anteil von Dienstleistungen und wissensbasierten Produkten ist in Deutschland im internationalen Vergleich zu niedrig", kritisiert das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) und fordert mehr Investitionen in Forschung und Entwicklung.

Zudem ist die Aussagekraft der weltweiten Rangliste, die in US-Dollar geführt wird, wegen der Wechselkursentwicklung begrenzt. Schon in den 80er Jahren war Deutschland vier Mal Exportweltmeister (1986 bis 1988 und 1990) - unter anderem auch, weil die D-Mark damals sehr stark war. (Von Marion Trimborn, dpa)

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