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Wirtschaft: Extraschichten bei Lebensversicherern

Allianz richtet in Berlin Betriebskindergarten ein/Auch andere Branchen setzen zum Jahresendspurt an

Berlin – Um den Jahresendboom bei Lebensversicherungen zu bewältigen, mobilisiert Deutschlands Branchenprimus, die Allianz Lebensversicherungs AG, alle Reserven. „Wir reaktivieren Mitarbeiter in Elternzeit und bitten unsere Teilzeitkräfte, vorübergehend voll zu arbeiten“, sagte Allianz-Leben-Sprecher Timo Scheil dem Tagesspiegel, „Urlaub nimmt zurzeit sowieso keiner.“ Damit auch Eltern während der Schul- und Kindergartenferien arbeiten gehen können, wird in der Berliner Niederlassung, den „Treptowers“, sogar für einige Tage ein Betriebskindergarten eingerichtet. Seit Montag bis zum Ende dieser Woche betreuen zwei Erzieherinnen den Allianz-Nachwuchs, berichtet Scheil. Während dieser Zeit gibt es in der Kantine sogar ein spezielles Kinderessen.

Für die Zusatzarbeit können sich die Allianz-Beschäftigten bei Bundesfinanzminister Hans Eichel (SPD) bedanken. Denn nur Kapitallebensversicherungen, die noch 2004 abgeschlossen, unterschrieben und policiert werden, profitieren vom bisherigen Steuerprivileg. Laufen die Versicherungen mindestens zwölf Jahre lang, müssen die Erträge am Ende der Laufzeit nicht versteuert werden. Nach dem Alterseinkünftegesetz, das am 1. Januar 2005 in Kraft tritt, müssen Versicherungsnehmer bei kapitalbildenden Lebensversicherungen dagegen die Gewinne mindestens zur Hälfte versteuern.

Während die Verbraucher die Nachricht vom Ende der Steuerfreiheit in den ersten neun Monaten des Jahres kalt gelassen hatte, hat in den vergangenen Wochen ein Run auf die steuerbegünstigten Verträge eingesetzt – allen Warnungen der Verbraucherschützer zum Trotz, die Kapitallebensversicherungen wegen der hohen Vertreterprovisionen und der undurchsichtigen Konditionen ablehnen.

Das hält die Kunden aber nicht davon ab, jetzt noch einmal zuzuschlagen: „Die Vertreter haben Probleme, noch freie Termine für die Interessenten zu finden“, sagt Scheil. Bis jetzt hat die Allianz 1,2 Million Neuverträge abgeschlossen, mehr als im gesamten Jahr 2003, als man auf 975000 neue Policen gekommen war. Allein in der ersten Dezemberwoche zählte die Allianz 100 000 neue Verträge. Auch die Konkurrenz reibt sich die Hände. So hat der Kölner Lebensversicherer Gerling in diesem Jahr rund 60 Prozent mehr Policen verkauft als im Vorjahr. Bei der Axa hat sich im Dezember die Zahl der Anträge mit 60 000 im Vergleich zum Dezember vergangenen Jahres etwa vervierfacht.

Aber nicht nur die Lebensversicherer schieben Sonderschichten. Unter Druck stehen auch die Arbeitsagenturen. Zwischen Weihnachten und Neujahr wird die Datenerfassung für Anträge auf Arbeitslosengeld II fortgesetzt. „Wir arbeiten in derselben Intensität wie in den letzten Wochen", heißt es bei der Agentur für Arbeit Berlin-Nord. Neben den Anträgen auf Arbeitslosengeld II hätten die Mitarbeiter aber auch mit dem Alltagsgeschäft alle Hände voll zu tun. Zum Quartalsende ist die Zahl der Menschen, die sich arbeitslos melden, besonders hoch.

Über Arbeitsmangel können auch die Finanzämter nicht klagen, im Gegenteil. Schuld ist nicht die letzte Stufe der Steuerreform, die zum 1. Januar in Kraft tritt und die den Eingangssteuersatz bei der Einkommensteuer von 16 Prozent auf 15 Prozent senkt. Vielmehr klagt die Chefin eines Berliner Finanzamtes über die ganzjährige „kräftige Arbeitswucht, die durch den Stellenabbau noch verstärkt wurde.“ Die Finanzämter schließen mit der Oberfinanzdirektion so genannte Zielvereinbarungen für jedes Jahr. Diese Vereinbarung kann etwa lauten, 95 Prozent der Steuererklärungen abzuarbeiten.

Geschäftig geht es auch im Einzelhandel weiter. „Die gute Stimmung, die wir in den vergangenen Wochen erlebt haben, wird sich fortsetzen", hofft Hubertus Pellengahr, Sprecher des Hauptverbandes des Deutschen Einzelhandels (HDE). Viele Verbraucher gingen jetzt in die Geschäfte, um Gutscheine einzulösen, Geschenke umzutauschen und ihren Urlaub zum Stadtbummel zu nutzen. So rechnen zum Beispiel die Arkadenmanager am Potsdamer Platz damit, „dass der Andrang zwischen den Jahren genauso hoch sein wird wie vor Weihnachten", sagt Monika Pyszkowska, eine der beiden Centermanagerinnen. „Die Tage zwischen den Jahren sind für uns eine sehr interessante Zeit", bestätigt das KaDeWe, auch wenn es entspannter zugeht als im eigentlichen Weihnachtsgeschäft.

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