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Viele Fragen, eine Antwort. EZB-Präsident Mario Draghi begründete die Entscheidung, die Leitzinsen in der Euro-Zone auf den historischen Tiefststand von 1,0 Prozent zu senken, mit der Schuldenkrise und den schwachen Wachstumsaussichten. Foto: Reuters

© REUTERS

Wirtschaft: EZB macht Geld locker

Euro-Währungshüter stützen die Banken, lehnen zusätzliche Hilfe für marode Staaten aber ab.

Frankfurt am Main - Die Europäische Zentralbank (EZB) versucht, Not leidende Banken zu stützen, lehnt aber zusätzliche Hilfen für die angeschlagenen Staaten ab. „Wir wollen den EU-Vertrag nicht umgehen. Der Vertrag verbietet die Finanzierung von Staaten“, sagte EZB-Präsident Mario Draghi am Donnerstag in Frankfurt. Zuvor hatte die Notenbank den Leitzins um 0,25 Punkte auf 1,0 Prozent gesenkt und es den Kreditinstituten erleichtert, sich mit Geld zu versorgen. Die Akteure an den Finanzmärkten reagierten enttäuscht – Dax und Euro-Kurs rutschten nach der Entscheidung ins Minus.

„Das Programm läuft weder ewig noch ist es unbegrenzt“, sagte Draghi mit Blick auf die Forderung vieler Regierungschefs, die EZB möge unbegrenzt Staatsanleihen kaufen, um den Zinsanstieg für die Schuldenländer zu stoppen. Dies gilt zurzeit als das wirksamste Mittel, um die Euro-Krise in den Griff zu bekommen. Nach den jüngsten Daten hat die EZB bereits Anleihen für 207 Milliarden Euro von Staaten wie Griechenland, Portugal und Italien in ihren Büchern. Mit der Absage erhöhte Draghi den Druck auf die Regierungschefs, auf ihrem Gipfel in Brüssel eine politische Lösung für die Rettung des Euro zu finden.

Der Zinsschritt war der zweite binnen vier Wochen. Zusätzlich können sich die Banken bei der EZB bis zu drei Jahre lang zu niedrigen Zinsen Geld in unbegrenzter Höhe leihen. Normalerweise leiht sie den Banken nur Geld für einige Wochen oder Monate. „Das soll die Funktionsfähigkeit des Geldmarktes erhalten“, sagte Draghi. Zuletzt hatten die Banken einander immer stärker misstraut. Sie fürchten, auf Forderungen sitzen zu bleiben, sollte ein Institut insolvent werden – daher parken sie ihr Geld lieber sicher bei der Zentralbank. So könnte aber eine Kreditklemme in der Realwirtschaft entstehen.

Die Banken müssen zudem weniger Geld als Sicherheit bei der EZB hinterlegen, wenn sie sich Geld leihen – auch dadurch können sie mehr Kredite ausreichen. Die sogenannte Mindestreserveanforderung werde auf ein Prozent halbiert, sagte Draghi. Das ist der niedrigste Stand seit der Gründung der EZB 1999. Insgesamt könnten die Maßnahmen dazu führen, dass die Banken eine dreistellige Milliardensumme an zusätzlichem Kapital verleihen können. Ob sie es tatsächlich tun werden, ist aber nicht klar.

Ein Grund für die Lockerung der Geldpolitik ist der schwache Ausblick. Für 2012 sagt die EZB ein Wachstum von 0,3 Prozent in der Euro-Zone voraus, schließt aber auch ein Minus von 0,4 Prozent nicht aus. 2013 könnte es eine Erholung geben. Angesichts dessen rechnet die EZB mit einer sinkenden Inflationsrate.

Der Dax verlor nach Bekanntgabe der Beschlüsse deutlich, am Ende lag das Minus bei 1,4 Prozent. Der Euro verbilligte sich zum Dollar um anderthalb Cent. „Die EZB hat dem Markt praktisch den Boden unter den Füßen weggezogen“, sagte ein Händler. Offenbar hatten Investoren von der EZB ein stärkere Schritte erwartet.

Angesichts der schwierigen Lage in der Euro-Zone bereiten sich offenbar Finanzdienstleister und Mittelständler in Planspielen auf ein Ende der Euro-Zone vor. Die Beratungsfirma Ernst & Young erklärte, sie erhalte zahlreiche Aufträge, Szenarien zu entwickeln, wie sich der Austritt eines Landes oder ein Ende der gemeinsamen Währung auf die Mandanten auswirke. „Diese Gespräche führen wir vor allem mit mittelständischen Unternehmen“, wenn es um die Geschäftsrisiken gehe, sagte Deutschlandchef Georg Graf Waldersee.mit rtr

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