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Die Ehemaligen. Einst waren Jürgen Stark (links) und Axel Weber mächtige Weggefährten. Nun sind beide nicht mehr im Amt.

© picture-alliance/ dpa/dpaweb

EZB-Rücktritt aus Protest: "Ein bedenkliches Signal"

Der Rücktritt von EZB-Chefvolkswirt Jürgen Stark lässt den Eurokurs abstürzen. Stark, einer der Wegbereiter des Euro, tritt offenbar aus Protest gegen den Aufkauf von zusätzlichen Staatsanleihen zurück.

Frankfurt am Main – „Mein Name ist Stark, stark wie die Deutsche Mark.“ Mit diesen Worten soll sich der Chefvolkswirt der Europäischen Zentralbank (EZB) gern vorgestellt haben, als er noch Staatssekretär unter Finanzminister Theo Waigel war und die Europäische Währungsunion mit vorbereitete. Er galt als einer der geistigen Väter des Stabilitäts- und Wachstumspakts. Jetzt tritt er von seinem Posten zurück – weil er seine Prinzipien in der europäischen Politik nicht mehr wiederfand.

Die Börse reagierte auf die Nachricht mit einem weiteren Kurssturz, der Euro ging auf Talfahrt. Offenbar geht Stark, der seit 2006 dem Direktorium der EZB angehört, aus Protest gegen das EZB-Programm zum Aufkauf von Staatsanleihen. Es war im August wieder aufgenommen worden, um das angeschlagene Italien zu stützen. Der 63-jährige Stark hat nie einen Hehl aus seiner Ablehnung des Programms gemacht. Damit würden indirekt die Staatshaushalte der Krisenländer finanziert werden, darum verstoße es gegen die Statuten der EZB. Stark, dessen Vertrag eigentlich bis Ende Mai 2014 läuft, will solange im Amt bleiben bis ein Nachfolger gefunden ist. Kreisen zufolge könnte es Jörg Asmussen werden, bisher Staatssekretär im Finanzministerium. Trichet dankte Stark am Freitag ausdrücklich für seinen „außergewöhnlichen Beitrag zur europäischen Einigung und dies über Jahre hin“. Stark habe sich in unerschütterlicher und beeindruckender Hingabe engagiert.

Der Rücktritt kam überraschend. Im Sommer hatte Stark noch mehrfach öffentlich betont, dass die Zentralbank ihre Risiken im Griff habe. „Die EZB ist kein Reparaturbetrieb für politische Versäumnisse, und sie darf es auch nicht sein“ hatte er im Interview mit dem Tagesspiegel gesagt. Aber letztlich habe die EZB mit ihren Sonderprogrammen den Kollaps des Weltfinanzsystems verhindert.

Stark ist mit seiner Meinung nicht alleine. Lesen Sie auf Seite zwei, wer ihn unterstützt.

Mehrere Ökonomen äußerten Verständnis für Starks Entscheidung. So kommentierte der Chef des Münchner Ifo-Instituts, Hans-Werner Sinn: „Der Zentralbankrat hat in der Krise die ehernen Regeln gebrochen, die die Bundesrepublik seinerzeit beim Maastrichter Vertrag zur Bedingung für die Aufgabe der D-Mark gemacht hatte.“ „Das ist gleichwohl ein schlechtes Zeichen und ein bedenkliches Signal“, sagte Uwe Angenendt, Chef-Volkswirt der BHF Bank. Gerade weil mit Stark ein entschiedener Stabilitätspolitiker in einer besonders kritischen Phase gehe. „Stark war immer dagegen, dass die EZB Staatsanleihen der Peripherie-Länder kauft und so facto Staatsausgaben mit der Notenpresse finanziert“, betont Jörg Krämer, Chef-Volkswirt der Commerzbank. „Die Mehrheit des EZB-Rates sieht das anders und offensichtlich wollte Stark das nicht mehr mittragen.“ Mit dem Chefvolkswirt zieht sich nach Ex-Bundesbank-Präsident Axel Weber schon der zweite Notenbanker aus Protest gegen das Programm zum Aufkauf von Staatsanleihen zurück. Weber hatte im Februar überraschend seinen Rücktritt bekannt gegeben und damit auch auf die Nachfolge von Trichet auf dem Chefsessel der EZB verzichtet. Der Franzose scheidet Ende Oktober aus, der Italiener Mario Draghi wird dann neuer EZB-Präsident.

Aus der Politik kamen entsetzte Reaktionen. Der Präsident des Wirtschaftsrates der CDU, Kurt Lauk, erklärte, der Rücktritt Starks sei „auch ein eindeutiges Signal, dass die EZB aus ihrer Rolle als Hilfestellerin nach falschen Entscheidungen der Politik befreit werden muss.“ Ähnlich reagierte Carsten Schneider, haushaltspolitischer Sprecher der SPD-Fraktion: „Diese Entscheidung ist ein Donnerschlag für die Bundeskanzlerin. Ich hoffe, sie wacht nun endlich auf und befreit die EZB aus der Zwangslage, in die sie durch die Politik gedrängt wurde.“ Angela Merkel und Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) hätten den umstrittenen Aufkäufen von Staatsanleihen durch die EZB „tatenlos“ zugesehen: „Mit Jürgen Stark geht nun ein weiterer Garant für die Unabhängigkeit der EZB und die Stabilität des Euro von Bord.Angela Merkel hat die Stabilitätskultur des Euro auf dem Gewissen.“ Seite 12

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