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Umrüsten. Bundesweit könnten bis zu zwölf Millionen Diesel-Fahrzeuge umgerüstet werden.

© picture alliance / Julian Strate

Fahrverbote für ältere Diesel: "Staatliche Förderung beschleunigt die Umrüstung"

Am kommenden Mittwoch wird der Diesel-Gipfel über die Umrüstung von Diesel-Fahrzeugen beraten. Nicht dabei: das Kfz-Gewerbe. Axel Koblitz, Hauptgeschäftsführer des Branchenverbandes ZDK, im Tagesspiegel-Interview.

Herr Koblitz, warum sollte das Kfz-Gewerbe mit am Tisch des Diesel-Gipfels in Berlin sitzen?

 Wenn man über die Nachrüstung von Millionen Kfz mit emissionsmindernder Technik reden will, holt man doch vor allem diejenigen an den Tisch, die das durchführen sollen. Das sind nun mal die Kfz-Betriebe, und deren Vertreter auf Bundesebene ist der ZDK. Wer sollte denn besser wissen als wir, wie man so etwas praktisch umsetzt? Schließlich hat das Kfz-Gewerbe bereits reichlich einschlägige Erfahrung aus der Nachrüstung von Dieselfahrzeugen mit Partikelfiltern und aus der Umrüstung der vom Abgasskandal betroffenen Fahrzeuge des VW-Konzerns.

Die Branche verspricht sich von Nachrüstungen spürbare Verbesserungen bei den Emissionen von Euro-5- und Euro-6-Dieseln: Wie hoch wird die Reduktion in der Summe sein können?

Neueste Berechnungen des Umweltbundesamt (UBA) besagen, dass die realen NOx-Emissionen der Diesel-Pkw-Flotte für Euro 5-Fahrzeuge bei durchschnittlich 906 mg/km und für Euro 6-Fahrzeuge bei durchschnittlich 507 mg/km liegen. Mit einem SCR-Nachrüstsystem kann nach Aussage eines Herstellers eine NOx-Reduzierung von über 90 Prozent im Realbetrieb erzielt werden. Bezogen auf die Diesel-Pkw-Flotte für Euro 5-Fahrzeuge würden sich durch eine SCR-Nachrüstung aller Euro 5-Fahrzeuge die durchschnittlichen NOx-Emissionen auf 90 mg/km reduzieren.

Wie hoch die NOx-Reduktion bei Euro 6-Fahrzeugen mit einem bereits serienmäßig verbauten SCR-System anhand einer Änderung der Motorsteuerung (Softwareupdate) sein wird, können wir nicht pauschal beantworten. Nach bisherigen Informationen soll eine Reduktion um 50 Prozent anhand eines Softwareupdates möglich sein. Bezogen auf die Diesel-Pkw-Flotte für Euro 6-Fahrzeuge (NOx-Emissionen von 507mg/km) würden sich durch ein Softwareupdate bei den Euro 6-Fahrzeugen die durchschnittlichen NOx-Emissionen auf 250 mg/km reduzieren.

Axel Koblitz, Geschäftsführer des Zentralverbands Deutsches Kraftfahrzeuggewerbe (ZDK)
Axel Koblitz, Geschäftsführer des Zentralverbands Deutsches Kraftfahrzeuggewerbe (ZDK)

© Pro-Motor

Wer sollte die Kosten tragen? Wie hoch muss man die Gesamtkosten kalkulieren?

 Die Kosten für eine Nachrüstung dürfen nicht allein den Fahrzeughaltern auferlegt werden. Schließlich haben sie für den Verkehr zugelassene Fahrzeuge erworben und wollen diese berechtigterweise uneingeschränkt nutzen. Die Einbindung der Fahrzeughersteller - die den höchsten Anteil tragen sollten – sowie eine staatliche Förderung wie beim nachträglichen Einbau von Rußpartikelfiltern würden für eine schnelle und flächendeckende Nachrüstung sorgen.

Die Höhe der Kosten hängt von der Art der Nachrüstung ab. Grundsätzlich ist eine Nachrüstung mit einem NOx-Speicherkatalysator, mit einem SCR-System oder durch die Änderung der Motorsteuerung in Verbindung mit einem bereits verbauten AdBlue-System (Softwareupdate) zur NOx-Minderung möglich. Die Nachrüstkosten, bezogen auf den erforderlichen Aufwand (Bauteile- und Einbaukosten), würden sich von ca. 250 Euro (Softwareupdate) über ca. 1000 Euro (NOx-Speicherkatalysator) bis auf mehr als 2000 Euro (SCR-System) belaufen. Bei der Nachrüstung mit einem SCR-System  betragen allein die Materialkosten rund 1500 Euro. Hinzu kommt ein Einbauaufwand von voraussichtlich mindestens vier bis fünf Stunden, je nach Fahrzeug möglicherweise auch mehr.

 

Lassen sich ältere Diesel überhaupt sinnvoll nachrüsten - oder müssten hier nicht umfassendere Hardware-Lösungen gefunden werden, die teuer sind?

 Inwieweit das Aufspielen eines Softwareupdates bei älteren Dieselfahrzeugen ohne Ad-Blue-System zu einer Reduzierung des NOx-Ausstoßes führt, indem die Steuerung der Abgasrückführung modifiziert wird, können wir derzeit noch nicht abschließend beurteilen. Die teurere Nachrüstung mit einem SCR-System ist bei Dieselfahrzeugen vom Grundsatz her generell und unabhängig von der Abgasnorm möglich. Einbausituation und verfügbarer Platz unterscheiden sich aber von Fahrzeug zu Fahrzeug. Bevor ein technisch geeigneter Nachrüstsatz von einem Hersteller angeboten werden kann, müssen außerdem noch zahlreiche technische und zulassungsrechtliche Fragen durch das Bundesverkehrsministerium, das Umweltministerium und das Kraftfahrt-Bundesamt geklärt werden. Sobald eine sogenannte "Nachrüst-Richtlinie" vorliegt, in der alle erforderlichen Anforderungen an ein Nachrüstsystem technologieoffen definiert sind, werden entsprechende Nachrüstsätze von den Fahrzeugherstellern oder von Nachrüstanbietern entwickelt werden. Voraussetzung für eine sinnvolle Nachrüstung zur NOx-Reduzierung ist daher, dass der Gesetzgeber alle technischen und zulassungsrechtlichen Fragen im Vorfeld klärt.

Wie groß ist der Anteil älterer Euro-5-Diesel, die gar nicht umgerüstet werden können?

 Zurzeit haben wir einen Bestand von 5,9 Millionen Dieselfahrzeugen mit der Abgasstufe Euro 5. Wie viele dieser Fahrzeuge für welche Art von Umrüstung in Betracht kommen, hängt von den bereits angesprochenen, noch nicht abschließend geklärten Fragen ab. Es ist insbesondere zu berücksichtigen, dass die Nachrüstung mit einem SCR-System zwar generell möglich ist, die spezifische Fertigung solcher Systeme für Fahrzeugmodelle, die nur in geringer Stückzahl existieren, sich aber möglicherweise als unwirtschaftlich erweisen würde. Diesbezügliche Probleme gab es auch schon bei der Nachrüstung von Dieselfahrzeugen mit Rußpartikelfiltern.

Die Fragen stellte Henrik Mortsiefer

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