zum Hauptinhalt
Opel Corsa

© ddp

Fahrzeugbau: Autobranche unter Druck

Der Absatz der deutschen Automobilindustrie steigt im ersten Halbjahr 2008 - trotz der explodierenden Rohstoff- und Spritpreise. Doch diese machen den Herstellern zunehmend Sorge. Derweil entscheiden sich immer mehr Käufer für kleinere Wagen. Haben die deutschen Autobauer den Trend verschlafen?

Trotz der hohen Treibstoffpreise hat die Autoindustrie im ersten Halbjahr in Deutschland mehr Fahrzeuge absetzen können als ein Jahr zuvor. Allein im Juni wurden 304 000 Pkw neu zugelassen, ein Prozent mehr als im Juni 2007. Das teilte der Verband der Automobilindustrie (VDA) am Mittwoch in Berlin mit. Von Januar bis Juni stieg der Inlandsabsatz um knapp vier Prozent auf 1,63 Millionen Neuzulassungen.

Der Verband hält an seiner Prognose für 2008 fest, die von 3,2 Millionen Neuzulassungen ausgeht. Im vergangenen Jahr hatte die Zahl bei 3,15 Millionen gelegen. In der Regel verteilen sich die Neuzulassungen zu etwa 70 Prozent auf einheimische und zu 30 Prozent auf ausländische Hersteller. VDA-Präsident Matthias Wissmann nannte die Jahresprognose konservativ. Man halte sich zurück, um die Rabattschlacht in der Industrie nicht zu befördern. „Die deutsche Automobilindustrie ist Mitte 2008 weltweit weiter auf stabilem Kurs, doch wir wissen um die wachsenden Herausforderungen, die diese Industrie im laufenden Jahr noch zu meistern hat“, sagte er. Sorgen bereiteten explodierende Preise für Rohstoffe und an der Zapfsäule, ungünstige Währungsrelationen und die sich abschwächende Konjunktur.

Die Preise für Benzin und Diesel steigen unterdessen weiter. Der Liter Super kostete am Dienstag im bundesweiten Durchschnitt 1,55 Euro und damit 1,3 Cent mehr als vergangene Woche, wie der ADAC am Mittwoch mitteilte. Für einen Liter Diesel mussten Autofahrer durchschnittlich 1,50 Euro bezahlen. Laut ADAC kommen die Autofahrer in Berlin im Schnitt etwas günstiger weg.

Wegen der ungünstigen Rahmenbedingungen ist der Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer pessimistischer als der Verband. Die deutschen Hersteller werden nach seiner Einschätzung in diesem Jahr erneut weniger Fahrzeuge verkaufen. „Es ist davon auszugehen, dass die Verkäufe um weitere 100 000 Fahrzeuge zurückgehen“, sagte der Experte von der Fachhochschule Gelsenkirchen. Insgesamt sei 2008 nur mit knapp drei Millionen Neuzulassungen hier zu Lande zu rechnen.

Die Autohersteller stehen von verschiedenen Seiten unter Druck. So sind laut VDA die Preise für Warmbreitbandstahl seit Dezember 2007 um 58 Prozent gestiegen, Aluminium und Kupfer wurde 22 Prozent teurer, der Schrottpreis hat sich verdoppelt. Die Stahlhersteller haben bereits angekündigt, die Preise weiter drastisch zu erhöhen. „Das macht uns sehr große Sorgen, auch mit Blick auf unsere Rentabilität“, sagte Wissmann. Die Last der gestiegenen Rohstoffpreise könne die Autoindustrie nicht allein tragen. Auch die Stahlkonzerne müssten einen Beitrag leisten. Gespräche mit den Herstellern liefen schon.

Weiterer Belastungsfaktor sind die hohen Spritpreise. Der Kraftstoffverbrauch sei mittlerweile nach Anschaffungspreis und Qualität auf Platz drei der wichtigsten Kaufkriterien aufgerückt, sagte Wissmann. Zu beobachten sei, dass Käufer sich für kleinere Wagen entscheiden.

Beim Klimaschutz seien die deutschen Hersteller gut vorangekommen, meinte der VDA-Präsident. Wer sich für einen Neuwagen entscheide und den alten Pkw stehen lasse, leiste einen aktiven Beitrag zum Klimaschutz. Die Autos auf deutschen Straßen sind im Schnitt 8,5 Jahre alt – so alt wie nie zuvor. Wenn sich der Bestand um ein Jahr verjünge, könnten nach Berechnungen des VDA 800 Millionen Liter Kraftstoff eingespart werden, das entspreche zwei Millionen Tonnen CO2. Spritsparende deutsche Modelle seien auf dem globalen Markt gefragt. „Das Auslandsgeschäft gleicht den verhaltenen Inlandsmarkt bislang mehr als aus“, sagte Wissmann. Drei von vier der hier produzierten Autos gehen in den Export. Und: Inzwischen produzieren die deutschen Autobauer im Ausland mit 5,6 Millionen Pkw fast so viel wie zu Hause.

Den grünen Anstrich gebe sich die Branche völlig zu unrecht, kritisierte dagegen der Umwelt- und Verbraucherverband VCD. Bisher seien klimaschonende Pkw bei den meisten Herstellern lediglich Nischenmodelle. Die deutschen Autobauer hätten es unterlassen, „die abzusehende Entwicklung der Öl- und Spritpreise rechtzeitig in eine zukunftsweisende Unternehmensstrategie umzusetzen und ihre Modellpolitik auf Effizienz und Spritspartechnik auszurichten“, kritisierte der VCD. Stattdessen hätten sie den Klimaschutz so lange wie möglich ignoriert und Fortschritte in der Klimapolitik im Verkehrsbereich zu verhindern versucht.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false