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Wirtschaft: Faire Preise am Neuen Markt gesucht

Es ist immer das gleiche Spiel: Unternehmen gehen an die Börse und bieten ihre Aktien offensichtlich zu billig an.Denn die Kurse schießen bei der ersten Notierung in die Höhe.

Es ist immer das gleiche Spiel: Unternehmen gehen an die Börse und bieten ihre Aktien offensichtlich zu billig an.Denn die Kurse schießen bei der ersten Notierung in die Höhe.Trotzdem sollte eine faire Bewertung Richtschnur bei der Preisfindung sein.

Harald F.reibt sich die Hände.Er hatte Glück und bekam 50 Aktien des Computerzulieferers Elsa AG vom Konsortialführer Dersdner Kleinwort Benson zugeteilt.Kostenpunkt: 123 DM je Aktie.Binnen Sekunden wurde der Kleinanleger bei der ersten Notiz am 15.Juni ganz groß.Der erste Kurs lag bei 220 DM - ein Kursgewinn von knapp 80 Prozent.Was den Anleger freut, ist für die Unternehmen ein Ärgernis.Bei ihnen kommt momentan das Gefühl auf, daß ihre Aktien regelrecht verschleudert werden.

Doch der Eindruck trügt.Gerade am Neuen Markt werden derzeit teilweise abenteuerliche Preise bezahlt."Hier zeichnet sich im Vergleich zu den USA eine möglicherweise ungesunde Entwicklung ab", urteilt denn auch Emissionsexperte Markus Rieger.Die Kurse vieler Neuemissionen seien mit Vorsicht zu genießen.Nach seiner Einschätzung wird mit einer stark steigenden Anzahl von Aktien am Neuen Markt der mit diesem Segment verbundene Bonus in Form deutlich höherer Kurse verloren gehen und die Bewertungen sich den Maßstäben anderer Wachstumsmärkte annähern, sprich fallen.

Trotzdem können sich die Banken den Forderungen der Unternehmen nach höheren Preisen nicht ganz verschließen.Die von den Analysten ermittelte faire Bewertung für die Gesellschaften ist nur ein Teil der Kursfindung.Auch die hohen Überzeichnungen spielen eine Rolle.Es gibt mehrere Emissionsmodelle, die in Mode kommen: So wurden über den Konsortialführer BHF-Bank beim Börsengang von Kinowelt neben den Aktien auch Optionsscheine angeboten.Optionsprämie und Wandlungspreis flossen vollständig in die Kasse der Gesellschaft.

Einen anderen Weg schlug die Deutsche Bank beim Softwarehersteller Graphisoft ein.Hier wurde eine Spanne von 35 bis 40 DM bei der Preisfindung angegeben.Allerdings schrieb das Unternehmen in den Börsenprospekt, daß eine Änderung der Bookbuilding-Spanne während der Zeichnungsfrist möglich ist: "Für den Fall einer starken Nachfrage während des Bookbuildings-Verfahrens behalten sich die Gesellschaft und die Konsortialbanken vor, den Kaufpreis pro Stammaktie auch außerhalb des oberen Limits der Preisspanne fortzusetzen."

Die Möglichkeit wurde indes nicht genutzt; der Emissionspreis betrug 40 DM.Dennoch: Das Verfahren ist in angelsächsischen Ländern durchaus üblich, muß jedoch eher kritisch betrachtet werden.Gerade Privatanlegern bleibt wenig Zeit, sich ein Bild nach der Preisveränderung zu machen.Auch sind die rechtlichen Bestimmungen in Deutschland anders als etwa in in den USA.Zudem gibt es etwa an der Wachstumsbörse Nasdaq Tausende von Aktien.Wenn hier ein Neuling mit dem falschen Preis an den Markt geht, ist das kein Beinbruch.Anders sieht es etwa beim Neuen Markt mit seinen bislang 31 Aktien aus.Auch Anleger sind nicht vergleichbar.In Amerika kaufen vor allem Institutionelle High-tech-Aktien.Sie haben vielfach ihre eigenen Analysten, die sich ein Bild über den Wert der Aktie machen können.In Deutschland stehen hingegen die Privatanleger an vorderster Front.Da haben die Banken eine Schutzaufgabe zu erfüllen.

Die bessere Lösung dürfte deshalb der von Dresdner Kleinwort Benson beim Computer-Zulieferer Elsa eingeschlagene Weg sein.Hier wurde bei der Kursfindung ein für das Unternehmen und die Anleger tragbarer Kompromiß gefunden.Die Analysten der Bank hielten "eine Preisspanne zwischen 90 und 110 DM für gerechtfertigt".Die tatsächliche Bookbuilding-Spanne wurde dann schließlich mit 108 bis 123 DM breiter als üblicherweise gefaßt und lag größtenteils über der fundamentalen Bewertung.In der "Preisrange" spiegelten sich dann die Signale aus der Vorvermarktung stark wider.Der Privatanleger wußte: Der Aktienpreis liegt infolge der hohen Nachfrage über der fundamentalen Bewertung.Zudem konnte der Emittent mehr Geld einnehmen, ohne daß er nach einem särkeren Kursrückschlag befürchten müßte, daß er sich die Chancen für eine künftige Kapitalerhöhung verbauen würde.Denn für die Anleger wird immer der Ausgabekurs der Maßstab sein.

ROBERT LANDGRAF (HB)

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