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Sorgen über Sorgen: Wohin steuert die Deutsche Bank?

© REUTERS

Fallender Aktienkurs und Rechtsstreitigkeiten: Ist die Deutsche Bank ein Übernahmekandidat?

Die Regierung macht sich keine Sorgen um die Deutsche Bank, die Börse aber schon. Der Aktienkurs fällt - seit Jahresbeginn ein Minus von 40 Prozent.

"Soll und Haben“ – die beiden Türme der Deutsche-Bank-Zentrale an der Frankfurter Taunusanlage trotzen den Februar-Stürmen ebenso wie dem Sturm an der Börse. Aber drinnen rumort es heftig. Am Mittwoch schoss der Aktienkurs zeitweilig um bis zu 17 Prozent in die Höhe, weil die Bank angeblich eigene Anleihen zurückkaufen wolle, also wohl genügend Geld haben müsste. Es war ein Hoffnungsschimmer.

Am Donnerstag war er wieder verblasst: Der Aktienkurs rauschte zeitweise wieder um fast 8,5 Prozent in den Keller. Seit Jahresanfang beläuft sich das Minus auf katastrophale 40 Prozent. So billig war die Deutsche-Bank-Aktie seit fast 32 Jahren nicht mehr. Zum Freitag notiert die Aktie der Deutschen Bank bei 14,29 Euro - ein Plus von 4,42 Prozent.

Kreditversicherungen werden teurer

Kippt das Institut? Wird das größte und wichtigste deutsche Geldhaus übernommen? Was da geschehe, mache ihm Sorge, sagt der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Industrie- und Handelskammertags (DIHK), Martin Wansleben. Damit steht er nicht allein. So treibt die Furcht der Anleger vor Zahlungsausfällen beim Branchenprimus die Kosten für Kreditversicherungen hoch. Am Donnerstag kostete die Absicherung eines zehn Millionen Euro schweren Pakets von Verbindlichkeiten der Deutschen Bank fast 271.000 Euro, etwa doppelt so viel wie zu Monatsbeginn.

Die Börse übertreibe, heißt es dagegen in Finanzkreisen. Es seien Spekulanten, vor allem Hedgefonds am Werk, die auf weiter fallende Kurse setzen. Doch die Zweifel bleiben. Trotz – oder wegen? – der Vertrauensbekundungen von oberster politischer Stelle. Er mache sich keine Sorgen um die Bank, versichert Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU). Pläne für ein Krisentreffen mit der Bankenbranche gebe es nicht, hieß es in Regierungskreisen. Auch Hessens Finanzminister Thorsten Schäfer (SPD) hält die ganze Aufregung für übertrieben. Und in der Bank selbst bekräftigt Ko-Vorstandschef John Cryan, die Bank sei „angesichts ihrer Kapitalstärke und ihrer Risikoposition absolut grundsolide“. Wirklich?

Der Wert schrumpft

Fakt ist: Die Deutsche Bank steckt in einer der schwierigsten Phasen ihrer Geschichte. Von der erhofften globalen Führungsrolle ist sie weiter entfernt denn je, gemessen am Börsenwert von derzeit nur noch rund 18,5 Milliarden Euro rangiert sie unter den Banken global irgendwo um Platz 50. Ist die Bank damit eine leichte Beute für Käufer? Experten sagen nein. „Wer sollte die Bank in einem solchen Umfeld kaufen? Zudem würden das die Finanzaufsicht und die Bundesregierung vermutlich nicht genehmigen“, sagt Philipp Häßler vom Analysehaus Equinet. Noch drastischer formuliert es Dieter Hein von Fairesearch. „Wer bitte sollte diesen desaströsen Laden übernehmen?“

Angst um Coco-Bonds

Eine Pleite droht der Deutschen Bank freilich nicht, heißt es unisono am Finanzplatz Frankfurt. Die Kapitalausstattung ist selbst nach Ansicht von Hein, einem der schärfsten Kritiker der Bank, gut. Mit den Kapitalanforderungen der Aufsicht habe die Bank keine Schwierigkeiten. Über rund 61 Milliarden Euro eigenes Kapital verfügt die Bank derzeit. 2016 und 2017 stehen, wie sie am Montag überraschend mitteilte, rein rechnerisch mehr als fünf Milliarden Euro für die Zahlung von Anleihezinsen zur Verfügung.

Das soll auch die Anleger beruhigen, die ihr Geld in neuartige Anleihen, sogenannte Coco-Bonds (Contingent Convertible Bonds) gesteckt haben. Diese bringen deutlich höhere Zinsen, sind aber bei einer Schieflage riskant. Im Notfall kann die Bank nämlich beschließen, die Zins- und Rückzahlung zu verzögern oder sogar ganz zu streichen. Ende April werden 350 Millionen Euro Zinsen für diese Papiere fällig. Dass die Bank mit der Mitteilung ihre Stärke belegen wollte, werten nicht nur Beobachter, sondern auch Mitarbeiter als eher zweifelhaftes Signal.

Mehr Rückstellungen für Rechtsstreitigkeiten

Vor allem die Rechtsstreitigkeiten bedrohen die Bank. Rückstellungen von 5,5 Milliarden Euro hat sie dafür bereits gebildet. Aber das dürfte wohl nicht reichen, fürchtet selbst Cryan. Man werde die Rückstellungen für Rechtsstreitigkeiten „im laufenden Jahr sehr wahrscheinlich aufstocken müssen“. Die höchste Belastung droht wohl aus der Geldwäscheaffäre in Moskau, in der die US-Behörden ermitteln. Analysten schließen eine hohe einstellige Milliardenstrafe nicht aus. Von 2012 bis 2015 hat die Bank für Rechtsprobleme bereits fast 13 Milliarden Euro gezahlt. Zum Vergleich: Über Kapitalerhöhungen wurden seit 2008 fast 25 Milliarden Euro an frischem Geld eingesammelt.

Keine Dividende

Auch 2016 droht der Deutschen Bank ein Verlust. Schon 2015 war es mit fast sieben Milliarden Euro ein Rekord-Minus. Die Dividende fällt ebenso aus wie 2017 und möglicherweise auch 2018. Außerdem kostet der von Cryan verordnete Sparkurs mit der Schließung von 200 Filialen und dem Abbau von 9000 Stellen – was die Kosten um eine Milliarde Euro pro Jahr drücken soll – erst einmal viel Geld.

Analysten betrachten die Bank mit Skepsis. Kaufempfehlungen für die Aktie sind die Ausnahme, viele schließen eine erneute Kapitalerhöhung nicht aus. Solange die Investmentbanker – dazu zählt Cryan ebenso wie Aufsichtsratschef Paul Achleitner – das Sagen hätten, könne die Bank die Krise nicht überwinden, meint Analyst Hein. Er ist sich sicher, dass es mit Ex-Bundesbank-Präsident Axel Weber heute um die Bank besser stünde. Ex-Bank-Chef Josef Ackermann wollte Weber 2010 als Nachfolger holen. Der Aufsichtsrat berief stattdessen Anshu Jain und Jürgen Fitschen. Weber rückte an die Spitze der angeschlagenen Schweizer Großbank UBS. Und brachte sie wieder auf Kurs.

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