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Wirtschaft: Fenster statt Lampen

Pakistanische Textilfirmen entdecken das Energiesparen, um wirtschaftlicher zu produzieren. Ein Besuch bei einem Vorzeigebetrieb

Das Brummen steigert sich zu einem wuchtigen Dröhnen, als ein dünner Mann mit Schnauzbart die schwere Stahltür aufzieht. An dem Arbeiter drängen sich Anzugträger vorbei, die sich im Gehen bunten Gehörschutz aus Schaumstoff in die Ohren pressen. Salman Chaudhry führt Gäste in eines der wichtigsten Gebäude der Textilweberei. Der Manager geht einige Stufen hinauf und dann in einen Leitstand hinein. Der Raum liegt über einer Halle, unten arbeitet ein Generator. Er erzeugt Strom für die unzähligen Maschinen, die in den Gebäuden nebenan aus abertausenden Kilometern Fäden feinen Stoff weben. Das pakistanische Unternehmen Samin Textiles produziert Stoffe für die ganze Welt.

Überall in dem Raum blinken Lichter. Ein Ingenieur dreht an zwei kleinen Rädern an einer Schalttafel des Betriebskraftwerks und das Dröhnen wird lauter. Chaudhry versucht seinen Gästen etwas zu erläutern. Doch seine Worte werden vom Brüllen des Generators geschluckt. Für Chaudhry war es bisher wichtig, sich mit der Qualität von Stoffen, mit Fadendicken und verschiedenen Baumwollsorten auszukennen – doch seit kurzem beschäftigt er sich auch mit der Stärke von Generatoren, dem Strombedarf von Textilmaschinen und der Leistung von Energiesparlampen. Der stellvertretende Geschäftsführer von Samin Textiles verantwortet dessen erfolgreiches Energiesparprogramm. Das Unternehmen gilt bereits als Modellprojekt für die Textilindustrie im ganzen Land.

Mit einfachen Mitteln hat die Firma eine kleine Revolution in Gang gesetzt. In pakistanischen Konzernzentralen wird nun über Energiesparlampen, Solaranlagen und besser isolierte Fenster nachgedacht. Um Umweltschutz geht es den Textilkonzernen dabei nicht. Sie müssen sich der Konkurrenz aus Bangladesch und China erwehren, wo die Arbeitslöhne noch billiger sind als die pakistanischen. Kostensenkung ist das Gebot der Stunde, für die angeschlagene pakistanische Textilindustrie.

Chaudhry führt die Gruppe wieder nach draußen. Hier verstehen ihn seine Gäste wieder. „Wir erzeugen unseren Strom selber“, sagt er. „Wir haben einen neuen Generator angeschafft, einen, der noch weniger Kosten verursacht.“ Der alte Generator lief mit Diesel und arbeitete nicht effektiv. Die Besucher, deutsche Entwicklungshelfer und Vertreter des Textilindustrieverbandes Pakistans, hören interessiert zu. Sie wollen sich ein kleines Wirtschaftswunder in Ostpakistan, in der Provinz Punjab, an der Grenze zu Indien ansehen.

Die Leitung von Samin Textiles hat im vergangenen Jahr beschlossen, auf die steigenden Energiekosten und den schlechten Zustand der Stromversorgung in Pakistan zu reagieren. Da das staatliche Netz häufig zusammenbricht, verfügen die meisten Textilunternehmen über eine eigene Stromversorgung. Das gasbetriebene Betriebskraftwerk von Samin Textiles hat eine Kapazität von 4,2 Megawatt. Er produziert täglich so viel Strom, dass rund 15 000 pakistanische Haushalte versorgt werden könnten. Seitdem Samin Textiles gezielt Energie einspart, muss das Kraftwerk nicht mehr mit Höchstleistung fahren – momentan reichen 2,9 Megawatt aus – daran haben die Gäste einen großen Verdienst.

Zu den Besuchern gehören auch Mitarbeiter der deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ). Sie arbeiten mit Samin Textiles zusammen, beraten beim Energiesparen und schulen Angestellte des Unternehmens. Das Programm läuft im Auftrag des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ). Mit einfachen Mitteln lassen sich die Energiekosten in den Textilfabriken um bis zu 20 Prozent senken. Das sichert tausende Arbeitsplätze: 2,7 Millionen Menschen sind in der Textilproduktion beschäftigt.

753 Beschäftigte arbeiten für Samin Textiles. Salman Chaudhry führt die Besucher in die nächste Halle. Stolz zeigt er die modernen Maschinen: 189 automatische Webstühle stehen hier dicht an dicht, 23 Millionen Meter Stoff verlassen die Fabrik jedes Jahr. Samin Textiles produziert vor allem für den Export. Das Unternehmen bietet auch Kevlar an – der Stoff, aus dem „kugelsichere“ Schutzwesten gefertigt werden.

Chaudhry und die Besucher haben sich einen Schutz vor Mund und Nase gebunden, der vor dem feinen Staub schützen soll, der sich überall absetzt. In der Halle werden aus bauschigen Baumwollbündeln zarte Fäden produziert. Energie wird hier bereits mit einfachsten Mitteln gespart. Die Firmenleitung ließ in der Halle große Fenster in die Betonwand einfügen. Nun können tagsüber die Lampen ausbleiben. Und wenn es draußen dunkel wird, leuchten keine Halogenröhren mehr, sondern Energiesparlampen.

Im Hauptgebäude hört das Energiesparen in der Chefetage allerdings auf. Die Klimaanlage im Konferenzraum läuft auf Hochtouren. Chaudhry präsentiert seinen Gästen Diagramme und Tabellen: 11,3 Millionen pakistanische Rupien habe das Unternehmen 2010 durch das Energieprogramm eingespart, das entspricht 100 000 Euro. Insgesamt könne Samin Textiles mit dem eingesparten Betrag das Jahresgehalt von 440 Angestellten bezahlen. Umgerechnet 18 000 Euro habe der Betrieb für die verbesserte Energieeffizienz ausgeben – eine Investition, die sich nach zwei Monaten bereits rentiert hat.

Der Vertreter des Textilverbandes, der rund 400 Unternehmen vertritt, applaudiert nach dem Vortrag. In 16 Textilfirmen hat der Verband die Energieeinsparprogramme begleitet. „Die Rechnung leuchtet jedem Unternehmer ein“, sagt der Verbandsvertreter. Der Gastgeber nickt. „Wir denken nun auch über Solaranlagen nach“, sagt Salman Chaudhry. Dann wir er noch mehr Besucher durch den Betrieb führen können.

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