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Ferdinand Piech, seit Jahrzehnten der starke Mann bei Volkswagen.

© Boris Roessler/dpa

Ferdinand Piëch zum 80.: Der große Zampano gibt keine Ruhe

Kein anderer Manager hat in den vergangenen Jahrzehnten die Autoindustrie so geprägt wie Ferdinand Piëch. Kenner glauben: "Da kommt noch was".

Die Gäste der Trauerfeier für Klaus Liesen trauten ihren Augen nicht. Ferdinand Piëch kam vorvergangene Woche in einem Mercedes in Essen vorgefahren. Vor wenigen Jahren noch hätte sich der Alte lieber auf ein Rad gesetzt, als in eine S-Klasse des Stuttgarter Konkurrenten einzusteigen. Doch die Zeiten haben sich geändert. Der große VW-Zampano Ferdinand Piëch hat den Großteil seiner Aktien verkauft und fährt jetzt mit der Konkurrenz.

Piëch ist auf Distanz zu Volkswagen. Und umgekehrt. Am Ostermontag, wenn der Autoingenieur 80 Jahre alt wird, ist es in der Autostadt am Mittellandkanal so langweilig wie immer an Feiertagen. Der Jubilar wird wohl in Salzburg mit seiner Gattin Ursula sitzen und das eine oder andere seiner zwölf Kinder begrüßen. So hatte er sich das nicht vorgestellt.

Anfang der 1990er Jahre war Klaus Liesen Aufsichtsratsvorsitzender in Wolfsburg, als ein Nachfolger für Carl Hahn an der VW-Spitze gesucht wurde. Liesen, der damalige niedersächsische Ministerpräsident Gerhard Schröder und der IG-Metall-Vorsitzende Franz Steinkühler verständigten sich auf Ferdinand Piëch. Der hatte in Ingolstadt bei der VW-Tochter Audi einen guten Job gemacht, ihm traute das Trio die Sanierung von Volkswagen zu.

Fast 25 Jahre später, im April 2015, gaben Liesen und Schröder eine Art Ehrenerklärung für Piëch ab, nachdem der sich mit einer seiner berüchtigten Wortmeldungen ins Abseits fabuliert hatte. Das war gut gemeint, konnte Piëch aber nicht retten. Mit dem Satz „Ich bin auf Distanz zu Winterkorn“, hatte Piëch den VW-Vorstandsvorsitzenden abschießen wollen. Doch der Aufsichtsrat inklusive der Mitglieder der Familien Porsche und Piëch stellte sich vor Winterkorn und gegen Ferdinand Piëch. Der trat daraufhin zurück. Und mit ihm die Aufsichtsrätin Ursula Piëch, seine Gattin.

Piëch hat viele Führungskräfte abgeräumt, wenn die nichts taugten

Ferdinand Piëch ist ein überragender „Automobilist“, wie ihn seine Bewunderer von der IG Metall gerne nannten. „Und im Gegensatz zu anderen Topmanagern war es nie sein Ziel, Standorte zu schließen und Tausende von Arbeitsplätzen abzubauen“, hat VW-Betriebsratschef Bernd Osterloh einmal über den Alten gesagt. Der hat indes viele Führungskräfte abgeräumt, wenn die nichts taugten („Feiglinge, die sich wegducken, wenn ein Fehler passiert“) oder ihm in die Quere kamen. „Ich guillotiniere erst, wenn ich weiß, wer es war“, hat er einmal seinen Umgang mit Verrätern beschrieben.

Vier Fünftel der Probleme bei VW – aber auch in der Wirtschaft insgesamt – erklärte Piëch mit Managementfehlern. In Wolfsburg führte er ein totalitäres Regime, und es überrascht nicht, dass sich Führungskräfte in einem Brief an Aufsichtsratschef Liesen beschwerten, VW werde „von einem Mann mit psychopathischen Zügen geführt“. Ferdinand Karl Piëch wird am 17. April 1937 als drittes Kind des Anwalts Anton Piëch und dessen Ehefrau Louise in Wien geboren. Louise war die Tochter von Ferdinand Porsche, der den VW-Käfer entwickelte und die Grundlage legte für das milliardenschwere Piëch-Porsche-Imperium.

Ferdinand leidet unter der schnöseligen Porsche-Verwandtschaft

Der kleine Ferdinand hat es schwer, er leidet unter der schnöseligen Porsche-Verwandtschaft und darunter, dass er selbst nicht den Namen des verehrten Großvaters trägt. Piëch studiert Maschinenbau in Zürich, arbeitet für Porsche und Audi, wo er Mitte der 1970er Jahre zuständig wird für die technische Entwicklung und 1988 zum Vorstandschef aufsteigt. Der Ingenieur entwickelt Audi von einer behäbigen Beamten-Kutsche zu einer Hightech-Marke, die sich auf einer Höhe mit Mercedes und BMW bewegt.

Mithilfe von Peter Hartz (Arbeitsdirektor) und José López (Einkaufsvorstand) saniert und modernisiert er dann in den 1990er Jahren Volkswagen. Er kauft Bentley, Lamborghini und Bugatti, baut für eine Milliarde D-Mark ein Eventcenter direkt neben dem Mittellandkanal und macht den Konzern mit Scania und MAN zu einem echten Konkurrenten von Mercedes auch bei Nutzfahrzeugen. In seinen neun Jahren als Vorstandsvorsitzender verbreitert sich die Palette von Volkswagen von 28 auf 65 Modelle. Heute ist der Konzern trotz der Dieselaffäre der größte Fahrzeughersteller der Welt. Auch wegen Ferdinand Piëch – und Martin Winterkorn.

2015 verspekulierte sich der Alte

„In meiner Karriere haben schon einige versucht, mich rauszudrängen, es ist noch keinem gelungen“, hat Piëch vor ein paar Jahren über sich gesagt. Er hat die Sex- und Korruptionsaffäre um Hartz und Betriebsratschef Klaus Volkert ebenso überlebt wie die Industriespionage von López zulasten von General Motors. Der von ihm selbst als Nachfolger ausgewählte Bernd Pischetsrieder („Er ist deutlich besonnener als ich und viel humaner.“) versuchte einst mit dem damaligen niedersächsischen Ministerpräsidenten Christian Wulff und Porsche-Chef Wendelin Wiedeking den Alten aus dem VW-Aufsichtsrat zu entfernen. Pischetsrieder und Wiedeking überlebten das nicht, Wulff drehte bei und kooperierte fürderhin brav mit Piëch.

Im Frühjahr 2015 verspekulierte sich der Alte. Das Präsidium des VW-Aufsichtsrats befand nach Piëchs Winterkorn-Distanzsatz „dass das notwendige wechselseitige Vertrauen nicht mehr gegeben ist“. Ein Rausschmiss. Inzwischen erklärt Piëch die damalige Attacke auf Winterkorn mit dessen Tatenlosigkeit in der Dieselaffäre, die zu dem Zeitpunkt wohl noch einigermaßen schiedlich hätte bereinigt werden können.

„Da kommt noch was“

Alle Aufsichtsräte, die ihn damals gestürzt haben – Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil, sein Vetter Wolfgang Porsche, Betriebsratschef Bernd Osterloh – hätten damals, also ein halbes Jahr vor dem offiziellen Betrugsgeständnis, schon vor der Dieselmanipulation gewusst. Behauptet Piëch. Er will Rache. Die Verräter auf der Guillotine sehen. Dass der alte Mann in Österreich Ruhe gibt, glaubt kein einziger Piëch-Kenner. „Ich verstehe, warum der Wiko schlecht schläft“, sagt ein früherer Piëch-Mitarbeiter über Martin Winterkorn. „Da kommt noch was.“

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