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Wirtschaft: Ferien fürs Leben

Die Bundesagentur für Arbeit finanziert Sommercamps für lernschwache Schüler

Berlin - Jedes Jahr zu Sommerbeginn ist es das gleiche Trauerspiel. Für rund 100 000 Jugendliche endet das Berufsleben, bevor es überhaupt angefangen hat. Die jungen Menschen verlassen die Hauptschule bestenfalls mit schlechten Noten, oft haben sie überhaupt keinen Abschluss. Dann folgt die Arbeitslosigkeit. Für die Jugendlichen ist das bitter. Und für den Staat extrem teuer. Denn er gibt Milliarden für Maßnahmen aus, die die Jugendlichen für den Arbeitsmarkt nachträglich fit machen sollen.

Die Nürnberger Bundesagentur für Arbeit (BA) will das nun ändern. Prävention heißt die Maßnahme, die BA-Chef Frank-Jürgen Weise derzeit forciert. So unterstützt seine Behörde in diesem Jahr mehrere Sommercamps für lernschwache Hauptschüler. „Wir müssen einfach viel früher damit anfangen, Jugendliche auf das Berufsleben vorzubereiten“, sagt Weise. Ziel sei es, Arbeitslosenbiographien von vorneherein zu verhindern.

Das nun von der BA mitfinanzierte Konzept der Leuphana-Sommerakademie – wie sie korrekt heißt – ist dabei sehr ungewöhnlich: 90 ausgewählte Schüler, die die achte Klasse der Hauptschule in diesen Tagen beenden oder beendet haben, fahren Ende Juli in den Harz oder nach Sylt. Dort erwartet sie kein typisches Büffeln. Zwar bekommen die Schüler auch Unterricht in Mathe, Deutsch und Englisch. Aber sie studieren auch ein Musical ein, proben Vorstellungsgespräche oder gehen schwimmen. In den vier Camp-Wochen sollen die Schüler schließlich so viel Selbstbewusstsein und Motivation gesammelt haben, dass sie sich hinterher in der Schule verbessern. „Wir wissen, dass diese Jugendlichen sehr viel Potenzial haben, nur bleibt es oft ungenutzt oder geht in die falsche Richtung“, sagt Initiator Kurt Czerwenka von der Leuphana-Universität in Lüneburg.

Dass die Idee funktionieren kann, belegen Auswertungen aus dem vergangenen Jahr, als die Camps zum ersten Mal stattgefunden haben. „Mehr als 50 Prozent der Teilnehmer streben jetzt die mittlere Reife an“, sagt Czerwenka. „Das ist eine sehr deutliche Verbesserung.“ Insgesamt 61 Prozent hätten ihre Noten verbessert.

Für die BA ist das Grund genug, rund 90 000 Euro für die Leuphana-Akademie auszugeben. Daneben unterstützt die Behörde in diesem Sommer zwei weitere Camps des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB), die einen ähnlichen Ansatz haben. Auch hier fließen nach DGB-Angaben bis 2010 rund 125 000 Euro aus BA-Mitteln.

Allerdings ist der Vorstoß der BA politisch brisant, denn Bildung ist Sache der Länder. BA-Chef Weise betont jedoch, dass die Behörde bisher die „volle Unterstützung“ aus den Ländern habe, in denen die Camps stattfinden.

Der zweite kritische Punkt in Weises Vorstoß ist das Geld, das die BA für die Camps ausgibt. Es könnte beispielsweise auch für eine weitere Senkung des Beitrags zur Arbeitslosenversicherung genutzt werden, wie sie die Union derzeit fordert. Weise ist bei diesem Thema jedoch skeptisch. Eine Kürzung um 0,3 Prozent würde dem Einzelnen nur eine Entlastung von wenigen Euro bringen, sagt er. Man müsse überlegen, ob es nicht sinnvoller sei, das Geld in arbeitsmarktpolitische Maßnahmen zu investieren. Wie stark sich die Bundesagentur im Bildungsbereich engagieren soll, entscheidet am Ende aber der BA-Verwaltungsrat und die Regierung. Weise räumt allerdings ein, dass man Sommercamps aus Kostengründen nie flächendeckend anbieten könne. Vorstellbar sei es aber, die Ferienlager irgendwann fest in den Schulalltag zu integrieren.Yasmin El-Sharif

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