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Wär schön gewesen: Für tausende Tui-Kunden fiel im Herbst 2016 der Urlaub aus.

© epd

Urteil zu Urlaubsreisen: Tuifly-Kunden bekommen Entschädigung für gestrichene Ferienflüge

Flug gestrichen, Erholung verpasst: Das Amtsgericht Hannover hat ersten Tui-Urlaubern Schadenersatz zugesprochen. Entscheidend ist aber der Einzelfall.

Von Maris Hubschmid

Wochenlang freut man sich darauf, studiert Reiseführer und Landkarten, hungert sich in die Bikinifigur – und dann das: Da steht man am Flughafen mit gepackten Koffern und erfährt, dass die Reise abgesagt ist. Kunden der Fluggesellschaft Tuifly wollen sich nicht damit abgeben, dass der Veranstalter ihnen den Reisepreis und die Fahrt nach Hause zurückerstattet. Sie wollen Schadenersatz für die Erholung, die ihnen entgangen ist.

Pauschalreisende bekommen weniger leicht Recht

Am Mittwoch hat das Amtsgericht Hannover folgendes Urteil gefällt: Eine fünfköpfige Familie aus Celle bekommt 2000 Euro Entschädigung, weil ihre Reise gestrichen wurde. Gefordert hatte sie allerdings das Doppelte. Die Richter erklärten, dass die Kunden sich in diesem Fall nur begrenzt auf die EU-Fluggastrechteverordnung berufen könnten, weil eine komplette Reise als Leistung eingekauft wurde – das restliche Geld müsse sich die Familie daher beim Mutterkonzern Tui erstreiten.

Ein Rentnerpaar aus Bergisch Gladbach dagegen hat Anspruch auf die vollen 800 Euro, die es verlangt hat: Das Paar musste im Oktober eine fast vierstündige Flugverspätung hinnehmen. Allerdings – Glück im Unglück – auf dem Rückflug des Urlaubs von der griechischen Insel Kos nach Düsseldorf.

Waren die Flugbegleiter wirklich krank?

Startet ein Flug mit mehr als drei Stunden Verspätung, haben Reisende laut EU-Fluggastverordnung je nach Länge der Strecke Anspruch auf eine Ausgleichszahlung in Höhe von 250 bis 600 Euro. Allerdings greift diese Regel nur, wenn die Airline die Verzögerung auch zu verantworten hat – im Oktober 2016 hatte Tuifly den Betrieb mehrere Tage nahezu komplett einstellen müssen, weil sich Besatzungsmitglieder reihenweise krankgemeldet hatten. Kurz zuvor waren Pläne über ein Bündnis von Tuifly mit der Tourismussparte von Air Berlin und Etihad bekannt geworden. Tuifly glaubt darum nicht, dass die Mitarbeiter zufällig krank wurden, sondern spricht von einem wilden Streik. Der gilt nach einem Urteil des Bundesgerichtshofs als höhere Gewalt – und entbindet die Reiseveranstalter von der Pflicht der Entschädigung.

Tui muss auch Zinsen zahlen

Insgesamt sollen rund 1000 Klagen gegen Tui und seine Tochtergesellschaft vorliegen. Von den Flugausfällen betroffen waren dem Unternehmen zufolge knapp 9700 Kunden. Entschieden sind davon nun insgesamt erst vier Verfahren – zwei frühere waren zu Gunsten der Fluglinie ausgegangen. Eines davon erst vergangene Woche, ebenfalls in Hannover. Dort hat das Unternehmen seinen Sitz. Geklagt werden kann aber an jedem der insgesamt elf Abflughäfen, an denen Flüge gestrichen wurden.

„Wir werden zunächst wohl immer ein uneinheitliches Bild haben“, erklärte ein Sprecher des Konzerns am Mittwoch. Tui wolle weitere Amtsurteile abwarten. Geschätzt 22 Millionen Euro habe der Vorfall im Oktober das Unternehmen bereits gekostet, das allein 3000 Pauschalreiseverträge kündigen musste, die meist für mehrere Personen gebucht waren. Die Gerichtskosten sind darin noch nicht eingerechnet. Dem Ehepaar aus Bergisch-Gladbach muss Tui auch Zinsen zahlen – und die Prozesskosten übernehmen.

Eine Schlichtung geht im Zweifel schneller

Die Fluglinie prüft jetzt, ob sie in Berufung geht. Branchenexperten rechnen damit, dass beide Seiten, also sowohl Tui als auch die bisher mit ihrer Klage gescheiterten Kunden, sich nicht mit ihrer Niederlage zufriedengeben werden. „Das wird absehbar lange Instanzwege nehmen, bis hin zum Europäischen Gerichtshof“, sagt Edgar Isermann, Leiter der Schlichtungsstelle für den öffentlichen Personenverkehr (SÖP). Ein Schlichtungsverfahren biete Betroffenen den Vorteil einer zeitnahen Lösung.

Etwa 500 Schlichtungsanfragen, die besagte Flugausfälle betreffen, seien bislang bei der SÖP eingegangen. „Wir werden nicht auf Gerichtsentscheidungen warten können, weil es keine einheitliche Rechtsprechung geben wird“, meint der Jurist. Zu individuell seien die Fälle, jede Beschwerde müsse einzeln betrachtet werden. Isermanns Ziel ist es, sämtliche Schlichtungsfälle innerhalb der kommenden drei Monate abzuschließen. Voraussetzung für ein unabhängiges Schlichtungsverfahren ist, dass die Verbraucher sich bereits direkt bei der Airline beschwert haben. Ein Schlichtungsverfahren ist für die Geschädigten gebührenfrei. Sie müssen weder Anwälte noch Gerichtskosten zahlen. Dafür wird zwischen den Parteien ein Kompromiss gefunden. Offiziell hat Tui bisher keine Versöhnungsangebote gemacht.

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