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Wirtschaft: Fernsehmarkt: Die Bastion wackelt

Sein schönster Traum sei es, "ein Monopol zu haben", verriet Leo Kirch im Jahr 1987 dem "Manager Magazin". Daraus ist nun nichts mehr geworden.

Sein schönster Traum sei es, "ein Monopol zu haben", verriet Leo Kirch im Jahr 1987 dem "Manager Magazin". Daraus ist nun nichts mehr geworden. Kirch-Media ist am vergangenen Montag endgültig das Geld ausgegangen. Mit dem Möchtegern-Monopolisten Kirch wird jetzt Monopoly gespielt: Wer darf über Los gehen und sich die besten Teile des maroden Medienreichs einverleiben?

Zum Thema Online Spezial: Kirch & Fußballrechte Schwerpunkt: Bundesliga nach der Kirch-Pleite Fotostrecke: Pleitewelle - Insolvenzen in Deutschland Die Möglichkeit, dass sich erstmals in der deutschen Fernsehgeschichte ausländische Medienkonzerne einkaufen könnten, hat Medienpolitiker und Öffentlichkeit nervös gemacht. Fallen jetzt Murdoch und Berlusconi ein, um uns das Fürchten zu lehren? Gerät das stabile Gleichgewicht aus öffentlich-rechtlichen Sendern (ARD/ZDF) und Privaten (Bertelsmann-RTL und Kirch) aus dem Lot?

Während Norbert Schneider, Chef der Landesmedienanstalten, einen "ungebremsten Wettbewerb" ausbrechen sieht, rufen Landespolitiker nach Obergrenzen für Medieninvestitionen aus dem Ausland. "Einen neuen Protektionismus brauchen wir aber zuletzt auf dem TV-Markt", warnt Jo Gröbel, Geschäftsführer des European Institute for the Media in Düsseldorf. "Aber es sollte schon symmetrisch zugehen." Das heißt: Wenn etwa in den USA kein Ausländer mehr als 20 Prozent an einem Fernsehsender halten darf, sollte dies umgekehrt auch für US-Konzerne - zum Beispiel Murdochs News Corp - in Deutschland gelten.

Im Fall des italienischen Staatschefs und Medienmonopolisten Silvio Berlusconi, der künftig bei Kirch auch eine Hauptrolle spielen will, scheinen die Fronten indes geklärt. "Man muss schleunigst Gesetze schaffen, dass ausländische Regierungen hier im Medienbereich nicht bestimmend tätig werden können", fasst Helmut Thoma, Ex-RTL-Chef und heute Berater des nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten Wolfgang Clement die Stimmungslage zusammen. Es sei ja umgekehrt auch nicht vorstellbar, dass die Bundesregierung in Italien einen Fernsehsender betreiben könne.

Die Hoffnung allerdings, der deutsche Gesetzgeber könne jetzt auf die Schnelle ein Abschottungs-Gesetz verabschieden, ist trügerisch. Zum einen herrscht in der Europäischen Union Freizügigkeit, die im Zweifel auch für den italienischen Polit-Unternehmer Berlusconi gelten müsste. Zum anderen ist Medienrecht in Deutschland Ländersache. Bis es zu einer bundeseinheitlichen Regelung kommen könnte, würden Jahre vergehen. "Die deutsche Fernseh-Bastion abzuschotten, ist ohnehin ein Gedanke aus dem 19. Jahrhundert", sagt der Dortmunder Medienwissenschaftler Horst Röper.

Was die Deutschen aufschreckt, ist die Aggressivität und Finanzkraft, mit der Murdoch und Berlusconi auf den heimischen Medienmarkt drängen. Alle ahnen, dass das beschauliche Miteinander der Sendergruppen und der politische Proporz bald ein Ende haben könnten. "Murdoch ist raffinierter als Kirch", sagt Jo Gröbel, "der wird eine schärfere Gangart einlegen." Die internationalen Investoren haben vor allem die Wachstumschancen im Blick, die sich auf dem zweitgrößten Medienmarkt der Welt noch bieten. Zwar hat die Werbeflaute auch die deutschen Sender nicht verschont. Dennoch: 2001 machten die Kanäle nach einer Hochrechnung des Branchenblatts "Horizont" immer noch einen Werbeumsatz von 4,4 Milliarden Euro. Rechnet man alle Medien zusammen, beläuft sich der Werbeumsatz auf rund 50 Milliarden Euro. Ein Mega-Markt, von dem sich Murdoch & Co gerne ein großes Stück abschneiden würden.

Doch es ist nicht nur eine Frage des Geldes, ob ein Investor via Kirch ins deutsche Fernsehgeschäft einsteigen kann. Tatsächlich auf Sendung gehen darf nur, wer auch eine entsprechende medienwirtschaftliche Zulassung erhält. Würde Rupert Murdoch die Mehrheit an der Kirch Media AG übernehmen, würde er zugleich die Senderfamilie Pro SiebenSat 1 Media AG dominieren. Dazu gehören die Programme Kabel 1, N 24, Sat 1 und Pro Sieben - und zu jedem Programm gehört eine Sendelizenz. In der sind haarklein der Gesellschafterkreis und das jeweilige Angebot festgeschrieben.

Jede Veränderung in der Lizenz ist nach Aussage von Susanne Grams, Mitarbeiterin der Medienanstalt Berlin-Brandenburg (MABB), "anzeige- und genehmigungspflichtig". Für Pro Sieben ist zum Beispiel die MABB in Berlin zuständig, für Sat 1 die rheinland-pfälzische Medienaufsicht und um N 24 und Kabel 1 kümmern sich die bayerischen Kontrolleure. Grünes Licht für den Einstieg eines ausländischen, aber auch eines inländischen Investors bei Kirch kann am Ende nur die 1997 eingesetzte Kommission zur Ermittlung der Konzentration im Medienbereich (KEK) geben. In der Potsdamer Behörde fragt jede Medienanstalt nach, ob die Programme, die dem neuen "Senderfamilien-Vater" zurechenbar sind, gemeinsam die kritische Marke von 30 Prozent Zuschaueranteil erreichen - oder überschreiten. Bei dieser Höhe vermutet der Rundfunkstaatsvertrag, "dass vorherrschende Meinungsmacht gegeben ist".

Der Zuschaueranteil berechnet, wie viel Publikum ein Programm im Durchschnitt eines Jahres an sich binden kann. Selbst wenn Rupert Murdoch zusätzlich das Abofernsehen Premiere, Neun Live sowie das Deutsche Sport-Fernsehen aus der Kirch-Gruppe betreiben würde, bliebe er noch weit unter der konzentrationsrechtlichen Hürde von 30 Prozent. "Große Verschiebungen sind nahezu ausgeschlossen", glaubt Horst Röper. Viel problematischer als das Oligopol auf dem deutschen TV-Markt findet der Medienwissenschaftler die Verflechtungen von elektronischen und Print-Medien. "Im Fernsehgeschäft ist der Kuchen verteilt, egal welchen neuen Eigentümer es bei Kirch gibt." Im Zeitungsmarkt dagegen gebe es keine Schranken für Investoren und keine Obergrenzen für Fernsehkonzerne, die auch im Printmarkt aktiv werden wollen. Hier bestehe die Gefahr, dass wachsender wirtschaftlicher Einfluss auch zu einer "publizistischen Machtballung" führe. Röper warnt: "Wenn Murdoch auch noch Kirchs 40-Prozent-Paket an Springer bekommt, dann hätten wir ein echtes Problem."

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