zum Hauptinhalt

Fiat: Supermann aus Italien

Sergio Marchionne hat Fiat gerettet. Nun will er den italienischen Autobauer zum Weltkonzern machen.

Er gilt in Italien – ungewöhnlich unumstritten – als eine Art Supermann. Erst hatte Sergio Marchionne das italienische nationale Heiligtum Fiat aus den Fängen der Amerikaner befreit, dann den kränkelnden Autokonzern erfolgreich saniert. Und jetzt will Marchionne den italienischen Kleinwagenbauer mit dem Kauf von Chrysler und Opel auch noch zum globalen Konzern ausbauen. Die Italiener jubeln.

Auch im Ausland wird der Manager aufmerksam beobachtet. So schrieb unlängst die „Financial Times“: „Ein Erfolg Marchionnes bei Chrysler wäre eine gute Nachricht für Fiat und die europäische Autoindustrie – aber wahrscheinlich ein weiterer harter Schlag für die Schweizer Finanzbranche.“ Wie das zusammenhängt? Nun, Sergio Marchionne, der knapp 57-jährige Italo-Kanadier, ist nicht nur Chef von Fiat, sondern nebenamtlich auch Vizepräsident im Verwaltungsrat des angeschlagenen Schweizer Bankkonzerns UBS.

Die Schweizer versuchen schon seit Monaten, Marchionne ganz über ihre Grenze zu ziehen. Aber der so dringend gesuchte Retter will vom Autobauen nicht lassen. „Er könnte ja ein Superheld sein, aber seinen Job bei UBS wird Marchionne kaum halten können, wenn er quer über den Globus fliegt, um so verschiedene Autokonzerne zu führen“, meint die „Financial Times“ weiter. Zum Zeitpunkt des Leitartikels war die Sache mit Opel noch gar nicht in der Welt.

Die verdichtete sich an diesem Wochenende. Eine Sprecherin von Bundeswirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) bestätigte am Samstag, dass der Fiat-Chef an diesem Montag nach Berlin kommt, um mit der Bundesregierung über eine mögliche Übernahme des angeschlagenen deutschen Autobauers zu reden. Marchionne legt dann voraussichtlich ein Konzept für die Übernahme von Opel vor. Am Montagnachmittag ist zudem ein Gespräch mit Vizekanzler Frank-Walter Steinmeier (SPD) geplant, wie dessen Sprecher bestätigte.

Marchionne war im Mai 2004 an die Spitze von Fiat gerückt. Zuvor hatte er in der Schweiz für die Genfer Warenprüfgesellschaft SGS gearbeitet, einen Koloss mit 36 000 Beschäftigten. Als Marchionne begann, steckte Fiat in der größten Krise seiner mehr als hundertjährigen Firmengeschichte. Die Autos – unattraktive Modelle in schlechter Qualität – fanden immer weniger Käufer. Und auch die Familie Agnelli, die Fiat 1899 gegründet hatte, steckte in der Krise: Innerhalb weniger Monate hatte sie ihre letzten beiden Patriarchen verloren.

Zudem sah der Clan seine Zukunft nicht im Autobau, sondern in der Mehrung des Familienvermögens. Das war auch der Grund, warum die Agnellis im Jahr 2000 zwanzig Prozent von Fiat an die Opel-Mutter General Motors (GM) verkauft hatten – mit der Verpflichtung für GM, den Restkonzern später zu übernehmen.

Marchionne, ein legerer Typ, der sich öfter im blauen Wollpulli als in Krawatte und Sakko zeigt, ist der Sohn eines Polizisten aus den Abruzzen. Mit 13 Jahren wanderte die Familie nach Kanada aus, dort studierte Marchionne und machte Karriere. Sein kulturenübergreifendes Verhandlungsgeschick hat ihm 2005 geholfen, Fiat wieder von General Motors zu lösen und die Amerikaner dafür auch noch kräftig zahlen zu lassen. Die mehr als vier Milliarden Euro, die Fiat dabei erlöste, waren der Kapitalgrundstock für die darauf folgende Reform.

Marchionne krempelte den Konzern um, trennte ihn von allen nicht zum Autobau gehörenden Randgeschäften, baute behördenähnlich gewucherte Hierarchien ab und eine Mannschaft junger Manager auf, die „Marchionne-Boys“. Die straffen Programme zur Kostensenkung zog er ohne nennenswerte Entlassungen durch und schaffte so, was vor ihm nur wenigen Fiat-Managern gelungen war: die Gewerkschaften ruhig zu halten. Und obwohl man es ihm aus Rendite-Erwägungen geraten hatte – Marchionne hat keines der italienischen Werke geschlossen.

Zum anderen hat Marchionne seine Autosparte heute in ein weltweit gespanntes Netz von 35 Allianzen gehängt: Joint Ventures bis nach Indien, dazu vielfältige Kooperationen bei Know-how, Produktion und Vertrieb, die letzte (vor Chrysler) verbunden mit einer Milliardeninvestition in Serbien. Und außerdem änderte er die Modellpolitik: Marchionne wollte nicht mehr biedere Kleinwagen bauen, sondern flippige, „junge“ Autos verkaufen. Der neue „Cinquecento“ etwa, Nachfolger des legendären Fiat 500, wurde in Italien als „geil“ vermarktet, und sogar recht erfolgreich.

Doch als die Autosparte gerade wieder schwarze Zahlen schrieb, brach die Weltfinanzkrise auch über Fiat herein. Tausende Arbeiter sind derzeit in Kurzarbeit. 48 Millionen Miese hat der Konzern im ersten Quartal 2009 gemacht, im Vorjahresquartal waren es noch 766 Millionen Euro Gewinn. Die Verschuldung ist von knapp sechs Milliarden Euro (Ende 2008) auf 6,6 Milliarden gestiegen.

Weil es der Konkurrenz noch schlechter geht, haben die Turiner ihren europäischen Marktanteil seit März 2008 von 7,2 auf 9,1 Prozent steigern können. Der Export nach Deutschland stieg dank Verschrottungsprämie sogar um 213 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. „Unsere Modelle sind’s“, sagt Fiat-Präsident Luca Cordero di Montezemolo selbstsicher. „Wir behaupten uns, ungeachtet aller Probleme des Marktes.“ Das Lob gilt vor allem seinem Vorstandschef Marchionne.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false